Die Angst reist mit
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Freitag, 29. Juli 2016
Zum Ferienstart sind Urlauber verunsichert. Reisevermittler blicken auf schwieriges Jahr.
Heute starten in Bayern die Sommerferien – traditionell die beliebteste Reisezeit. Doch viele Menschen fragen sich: Wohin kann man überhaupt noch fahren? Gerade rund ums Mittelmeer ist die Lage politisch angespannt. Die meisten Urlauber verzichten zwar nicht auf ihre Reise – doch sie suchen nach alternativen Reisezielen.
Nach dem Anschlag auf den Istanbuler Flughafen am 29. Juni und dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli sind besonders Türkeireisende besorgt. „Die Verunsicherung ist natürlich da“, sagt Sebastian Rhoden vom TUI-Reisecenter in Kitzingen. Nina Wittmann, Leiterin des Reiseland Reisebüros am Kitzinger Marktplatz, teilt diesen Eindruck: „Viele Kunden rufen bei uns an, kommen vorbei und lassen sich hier beraten.“ Laut türkischen Medien seien im Juni über 50 Prozent weniger Gäste in die Urlaubsregion Antalya gereist.
Doch was soll man den Menschen raten? „Ich werde häufig nach meiner persönlichen Meinung gefragt“, erzählt Nils Haupt vom Volkacher Reisebüro. „Ich erzähle dann, dass ich selbst noch vor kurzem in der Türkei war – alles gut.
“ Diese Erfahrung teilt Haupt mit vielen Urlaubern vor Ort. Nach dem gescheiterten Putsch bot TUI laut Rhoden seinen rund 18 000 Gästen vor Ort eine Stornierung an. Nur knapp 30 hätten das Angebot angenommen. „Man sieht daran, wie wohl sich die Gäste fühlen.“
Auch das Auswärtige Amt teilt diese Ansicht. Landesweit sei zwar weiter mit politischen Spannungen sowie gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen zu rechnen. Gleichwohl steht auf der Internetseite des Amtes zu lesen: „Aus anderen Teilen des Landes, insbesondere von der Mittelmeerküste, wurden keine besonderen Ereignisse gemeldet.“ Diese Einschätzung hat Folgen für alle Türkei-Reisenden: Eine offizielle Reisewarnung hat das Bundesministerium nur für die syrischen und irakischen Grenzgebiete ausgesprochen. Nur im Falle einer solchen Warnung haben Urlauber einen Anspruch auf Stornierung oder kostenlose Umbuchung ihrer Reise. So sind sie auf die Kulanz der Veranstalter angewiesen. Diese sei jedoch meist gegeben, bestätigen Rhoden, Haupt und Wittmann.
Die drei Reisevermittler stehen, wie ihre zahlreichen Kollegen, vor einem Dilemma. Einerseits gehe es darum, die Sorgen und Ängste der Kunden ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite geht es auch darum, nicht noch weiter Angst zu schüren.
Die Kunden hätten sich bewusst für eine organisierte Reise entschieden, erklärte TUI-Vorstand Sebastian Ebel nach dem Putschversuch. Sie wollen und müssen sich auf ihren Veranstalter auch bei unvorhersehbaren Ereignissen verlassen können. „Kein Reiseveranstalter spielt mit dem Leben eines Menschen“, versichert Sebastian Rhoden. Alle Reisebüros informieren sich deshalb über Entwicklungen in den Reisezielen – oft mehrmals täglich.
Letztlich könne ein Anschlag überall stattfinden, sagt Nina Wittmann. Doch im Vergleich mit anderen Risiken, beispielsweise einem Verkehrsunfall, ist die Gefahr, bei einem Terroranschlag zu sterben, immer noch sehr gering. Für die Reisebüros geht es deshalb darum, ernsthaft und sensibel mit dem Thema Terrorismus umzugehen.