Druckartikel: „Die absolute Mehrheit der CSU wird bröckeln“

„Die absolute Mehrheit der CSU wird bröckeln“


Autor: KTlrd

Iphofen, Donnerstag, 28. Dezember 2017

Er ist 40 Jahre jung, Facharzt für Transfusionsmedizin an der Uniklinik in Würzburg. Dr. Jürgen Kößler möchte der SPD im Landkreis Kitzingen zu einer „Blutauffrischung“ verhelfen. Der Iphöfer ist der SPD-Kandidat für die Landtagswahl 2018.
Mittendrin, statt nur dabei: Dr. Jürgen Kößler neben Kitzingens Stadträtin Elvira Kahnt bei einer Veranstaltung im Stadtteilzentrum in der Kitzinger Siedlung.


Er ist 40 Jahre jung, Facharzt für Transfusionsmedizin an der Uniklinik in Würzburg. Dr. Jürgen Kößler möchte der SPD im Landkreis Kitzingen zu einer „Blutauffrischung“ verhelfen. Der Iphöfer ist der SPD-Kandidat für die Landtagswahl 2018.

Die CSU hat in der Nachkriegszeit immer die Landtagsabgeordneten im Raum Kitzingen gestellt. Sehen Sie tatsächlich reelle Siegchancen für 2018?

Kößler: Die Chancen hängen von den Rahmenbedingungen ab. Die CSU hat bei den letzten Bundestagswahlen ja auch nicht gerade gut abgeschnitten. In Baden-Württemberg hätte man vor 20 Jahren auch nie gedacht, dass es mal einen grünen Ministerpräsidenten geben würde. Dinge können sich ändern. Die absolute Mehrheit der CSU wird bröckeln. Davon bin ich überzeugt.

Wie soll denn der Wechsel nach so vielen Jahrzehnten funktionieren? Rechnen Sie sich tatsächlich reelle Chancen aus?

Kößler: Politik funktioniert meines Erachtens nur über Themen. Dazu will ich meine Meinung äußern, Schwerpunkte setzen. Ein Problem in der Großen Koalition war ja, dass keiner mehr wusste, von wem welche Entscheidung eigentlich kam. Ich will den Wählern klar und ehrlich vermitteln, was mir wichtig ist.

Und was wäre das hier im Landkreis Kitzingen?

Kößler: Zum einen sind es die gleichen Themen wie auf bundespolitischer Ebene. Zum anderen gibt es spezielle lokale Themen. Die Konversionsaufgabe ist beispielsweise immer noch da.

Aber da hat sich doch viel getan.

Kößler: Schon, aber die Frage stellt sich trotzdem, was der Freistaat Bayern noch leisten kann.

Was denn zum Beispiel?

Kößler: Er könnte Flächen entwickeln, um Wohnraum zu schaffen. Würzburg ist ganz in der Nähe. Kitzingen könnte ein Standort von Uni oder Fachhochschule werden. Warum nicht einen bestimmten Lehrstuhl hier ansiedeln – zusammen mit Wohnraum für Studenten? Dafür wäre allerdings ein Masterplan vonnöten.

Und der fehlt?

Kößler: Ja.

Sie haben von bundespolitischen Themen gesprochen, die Ihnen am Herzen liegen. Welche meinen Sie?

Kößler: Zum einen die Rente. Da sehe ich Handlungsbedarf. Die Menschen wollen auch in vielen Jahren noch von ihrer Rente leben können. Und sie brauchen natürlich einen bezahlbaren Wohnraum. Ein anderer wichtiger Bereich ist die Wirtschaft. Im Moment schaut vieles gut aus. Aber es wird eine andere Entwicklung kommen. Manche Industriezweige werden es schwer haben, denken wir nur an die Autoindustrie. Der dritte wichtige Punkt umfasst die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Frauen sollten nach einer Geburt möglichst bald wieder in den Beruf einsteigen können – wenn sie das denn wollen.

Warum konnte das nicht zusammen mit der Union vorangetrieben werden?

Kößler: Weil meines Erachtens nach zu wenig Reibung in einer Großen Koalition herrscht.

Fehlt die Reibung nicht auch im lokalen politischen Umfeld?

Kößler: Absolut. Das war ja auch ein Ansporn für mich, in die Politik zu gehen. Wir haben in Bayern mit der CSU eine übermächtige Partei. Eine Kontrolle in den Ministerien gibt es nicht wirklich.

Die Machtfülle der CSU tut dem Land nicht gut?

Kößler: Davon bin ich überzeugt. Lange Zeiten mit absoluten Mehrheiten sind immer schwierig. Die Politik lebt von Wechseln. Nur so kommen andere Themen und Forderungen auf den Tisch.

Ist die Entscheidung der Bundes-SPD richtig, wieder Gespräche über eine neuerliche Große Koalition aufzunehmen?

Kößler: Gespräche muss man auf jeden Fall führen. In der Politik will man immer an der Macht sein, schon alleine, um seine Vorstellungen durchsetzen zu können. Das war in den letzten vier Jahren allerdings sehr schwer mit der CDU und CSU.

Sie sind mit 16 Jahren in die SPD eingetreten. Warum?

Kößler: Mir hat das Fach Geschichte immer gut gefallen. Mir ist da die Bedeutung der Demokratie bewusst geworden. Ich wollte nicht passiv bleiben, sondern mich mit der Politik beschäftigen.

Und warum die SPD?

Kößler: An der beeindruckt mich vor allem die lange Geschichte und ihr immenser Einfluss auf die deutsche Gesellschaft. Denken Sie nur an die Forderung nach dem Frauenwahlrecht, lange bevor konservative Politiker an so etwas dachten.

Steht die SPD auch heute für eine vorausschauende Politik?

Kößler: Aber sicher. Beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wir Vorreiter. Der Ausbau der Kindertagesstätten war ein klassisches Thema der SPD. CDU und CSU ziehen jetzt nach.

Ärgert es Sie, dass manche Ideen der SPD nicht so recht als SPD-Idee bei der Öffentlichkeit ankommen?

Kößler: Das ist halt so. Die CSU besetzt in Bayern die Machtpositionen, die Ministerien. Ich sehe das eher sportlich, als Anreiz, einen guten Gegenentwurf zu machen. Die Gefahr der Regierenden liegt ja immer darin, Fehler zu machen.

Sie haben bei Ihrer Nominierung 100 Prozent der Stimmen bekommen. Überrascht?

Kößler: In erster Linie habe ich mich gefreut. Das ist natürlich eine gute Ausgangslage für den kommenden Wahlkampf.

Und da ist die SPD gut aufgestellt?

Kößler: Sicher. Die Ortsvereine funktionieren gut, wir hatten eine Eintrittswelle Anfang des Jahres. Aber natürlich müssen sich alle Parteien Gedanken machen, wie sie die neuen Mitglieder begeistern und mitnehmen können. Das ist nicht mehr so wie vor 50 Jahren.

Falls Sie wirklich in den Landtag einziehen: Werden Sie Ihren Beruf dann an den Nagel hängen?

Kößler: Das wäre schon denkbar.

Wer ist Ihr politisches Vorbild?

Kößler: Friedrich Ebert, der für mich ein Bollwerk der Demokratie war. Er hat dafür gesorgt, dass wir den Parlamentarismus bekommen haben. Später in der Geschichte hat mich natürlich Willy Brandt begeistert, aber auch Egon Bahr. Der hatte ein gutes Gefühl, wie man mit der Teilung Europas umgehen könnte. Seine Schrift „Wandel durch Annäherung“ läutete einen kompletten Stilwechsel ein, der Deutschland in eine verantwortungsvolle Rolle gebracht hat. Diesen Versöhnungsgedanken halte ich auch heute wieder für absolut notwendig.

Zur Person: Dr. Jürgen Kößler ist in Scheinfeld aufgewachsen, hat Humanmedizin in Erlangen-Nürnberg studiert und ist seit 2014 Facharzt für Transfusionsmedizin an der Uniklinik in Würzburg. Kößler ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Iphofen.