Druckartikel: Der Kleine und das große Instrument

Der Kleine und das große Instrument


Autor: Robert Wagner

Mainstockheim, Montag, 22. Februar 2016

Erst acht Jahre alt und schon fast Profi. Der junge Cellist Seeko und seine Lehrerin über Talent, Übung und Druck. Und im Video: "Gavotte" von J. B. Lully.


Seeko van Schwartzenberg ist höchst konzentriert. Die Augen auf die Noten geheftet, die Unterlippe leicht vorgewölbt. Präzise setzt er die Finger auf das Griffbrett seines Cellos. Mit der Rechten zieht er den Bogen über die Saiten. Der Ton sitzt. Seeko ist erst acht Jahre alt, aber schon ganz Profi. Weißes Hemd, saubere Jeans – immer ein Lächeln parat für die Kamera. Dabei ist das heute eigentlich nur eine Übungsstunde.

Ob er später mal Musiker werden will? Seeko überlegt lange, dann sagt er sicher und bestimmt: „Ja, ich will Musiker werden!“ Es klingt so, als meine er es ernst – auch wenn seine Lehrerin Eva Brönner und Seekos Vater lachen müssen: „Das ist das erste Mal, dass wir das von ihm hören“, sagt Martin van Schwartzenberg.

Bereits seit mehr als drei Jahren übt Seeko fleißig fast jeden Tag. „Nur in den Ferien lass ich es manchmal sein“, sagt der kleine Cellist. Doch wie kommt man als Vierjähriger auf die Idee, Cello spielen zu wollen? Seine ältere Schwester spielt Geige – „also kam das schon mal nicht in Frage“, sagt der Vater. Ich mag das Cello, weil es so groß ist“, sagt Seeko. Und wer ist besser? Seeko überlegt. „Meine Schwester kann besser spielen – dafür kann ich mehr Lagen“, sagt er schließlich diplomatisch. Da müssen doch auch seine Freunde neidisch sein? „Nö“, sagt Seeko schelmisch. „Die hören mir ja nie zu, wenn ich was vorspiele!“

Viele Monate üben

Musik ist sehr wichtig in der Familie Schwartzenberg. „Wir haben Seeko gefragt, welches Instrument willst du spielen? Die Antwortmöglichkeit 'keins' gab es nicht“, erzählt Martin van Schwartzenberg und lacht. Druck hätten sie aber nicht ausgeübt. „Musik gehört einfach dazu, sie ist ein Bestandteil des Tages.“

Und das zeitigt Erfolge: Beim Regionalwettbewerb „Jugend musiziert“ in Schwäbisch-Hall gewann Seeko im Februar den ersten Preis. Dabei hätte Seeko fast gar nicht mitgemacht. „Wir haben lange überlegt, ob wir uns das antun sollen“, erzählt Eva Brönner. Schließlich bedeutet so ein Wettbewerb mehrmonatiges üben. Immer wieder die selben Stücke – das kann auf Dauer schon langweilig werden. Doch Seeko habe gut mitgezogen. Und gelohnt hat es sich ja.

Eva Brönner erklärt, dass Kinder, die so früh anfangen ein Instrument zu lernen, später kaum einzuholen sind. „Es gibt für alles eine Zeit, in der man es ganz einfach lernt – wie bei der Sprache“, erklärt Brönner. „Ich glaube bei der Musik ist das auch so.“

Wenn junge Kinder schon so gut Instrumente spielen, ist schnell von außergewöhnlichem Talent oder gar „Wunderkindern“ die Rede. Brönner relativiert jedoch: „Mein Vater hat mir immer gesagt: Nur etwa ein Prozent ist Talent, der Rest ist Übung.“ Aber natürlich spielt auch das Talent eine Rolle, sagt die gebürtige Pragerin und lächelt ihren kleinen Musterschüler an.

Der erzählt von seinen Hobbys: Zweimal die Woche habe er Cello-Unterricht. Er spielt Handball, Tennis und geht Schwimmen. „Früher habe ich auch mal gesungen. Aber jetzt habe ich da immer Handballtraining“, erklärt der Achtjährige wie ein alter Hase. „Ich hab' auch mal Fußball gespielt, da war aber der Lehrer zu streng. “ Bei Eva Brönner ist das anders. „Wir machen uns die Stunde schön, oder?“, fragt die Cellist ihren Schüler. Der nickt entschieden: „Mmhhmm.“

Seekos Leben klingt durchgetaktet. „Ich muss meine Kinder nicht auf ein geschütztes Podest heben, damit es ihnen gut geht“, ist sich Martin van Schwartzenberg sicher. „Kinder kommen mit einem großen Lernwillen auf die Welt – und müssen auch gefordert werden.“ Dabei sind sich sowohl Vater van Schwartzenberg als auch Lehrerin Brönner der Gefahr bewusst, die ein zu enges Terminkorsett für Kinder bedeuten kann. „Wir legen schon viel Wert auf die Freiheit unserer Kinder. Nichtsdestotrotz ist der Tag schon sehr eng getaktet“, sagt van Schwartzenberg. Schuld seien aber auch die Schulen – und später werde das ja noch schlimmer. „Mit zwölf Jahren fehlt Vielen schon die Zeit, regelmäßig zu üben“, bestätigt Brönner.

Seeko selbst sieht das aber alles nicht so eng. Im Gegenteil: „Meine Woche ist wie ein Kugel mit Hobbys“, erklärt er altersweise. Einen Favoriten hat er nicht. Aber wenn etwas fehlen würde, dann wäre die Kugel ja nicht rund.

Kinder als Aushängeschild

Es gäbe aber auch Eltern, die ihren Kindern zu viel Druck machten, erklärt Brönner. Seit vielen Jahren gibt sie schon Musikunterricht – nicht erst nach dem Abschluss ihres Studiums 1998 in Würzburg. „Es gab Eltern, die wollten sich mit ihren Kindern schmücken“, erzählt sie. Die Kinder als Aushängeschild, das sei nicht gut. Damit würde die Musik „missbraucht“. Bei den Schwartzenbergs sei dies ganz anders. „Wir verstehen uns wirklich gut“, sagt Brönner. Das ist auch der Grund dafür, dass die Schwartzenbergs den Weg bis nach Mainstockheim auf sich nehmen. Knapp 40 Minuten fahren sie von ihrem Zuhause in Baden-Württemberg. „Aber es muss einfach passen. Sowohl fachlich als auch menschlich“, sagt Martin van Schwartzenberg.

Zum Abschluss spielt Seeko van Schwartzenberg noch etwas vor. Gavotte von J. B. Lully. Aufrechte Sitzposition, konzentrierter Blick, ab und zu ein Lächeln für die Kamera. Ganz Profi. Weitere Informationen zur Musiklehrerin Eva Brönner unter www.eva-broenner.de.