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Der Baum des Jahres: Für den Klimawandel gewappnet


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Montag, 09. November 2015

Vom Verlierer der Industrialisierung zum Gewinner des Klimawandels: Er ist nicht der Größte. Auch nicht der Stärkste. Der Feldahorn hat andere Qualitäten. Und die könnten dem Baum eine glänzende Zukunft in unseren Wäldern bescheren.
In voller Pracht: ein Feldahorn im Herbst.


Jetzt im Herbst, ehe die Nachtfröste ihnen den Garaus machen, sind die goldgelben bis goldbraunen Blätter des Feldahorns eine Augenweide. Im warmen, trockenen Mainfranken leuchten sie besonders oft – hier findet der „Baum des Jahres 2015“ optimale Wuchsbedingungen. Im Ebracher Forstamtsgarten gibt es einen Feldahorn, der 28 Meter hoch gewachsen ist. Das ist eine stattliche Größe für einen – in Deutschland hat alles seine Ordnung! – Baum zweiter Ordnung. Von einem solchen spricht die Forstwirtschaft ab 20 Metern Höhe.

Da Bäume Lebewesen sind, interessieren sie sich für menschliche Ordnungstabellen natürlich kein bisschen. Der „Maßholder“, wie viele Franken den Feldahorn nennen, wächst auch oft in Strauchform und bereichert so Waldränder und Wiesen. „Maßholder“ bedeutet Speisebaum. Maß kommt von Mus, denn das Laub wurde früher – zuletzt im Ersten Weltkrieg – milchsauer vergoren, genau wie Sauerkraut. Das Mus war eine willkommene Vitaminquelle im Winter.

Wie es wohl geschmeckt hat? „Wir können's ja mal ausprobieren“, meint Förster Bernd Günzelmann vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten Kitzingen. Er kennt noch mehr Verwendungsmöglichkeiten: „Im Sommer hat man außerdem Äste abgehauen, getrocknet und im Winter als so genanntes 'Laubheu' ans Vieh verfüttert.“

Da der Maßholder einen „prima Heizwert“ hat, war er jahrhundertelang als winterlicher Wärmespender beliebt. Noch heute ist das in einigen Gegenden so, zum Beispiel in Obernbreit. Dort bewirtschaften 65 „Rechtler“ gemeinsam rund 50 Hektar abwechslungs- und artenreichen Laubmischwald. Zwei Mitglieder übernehmen gegen Bezahlung den Holzeinschlag und die Aufarbeitung des Nutzholzes. Letzteres geht an verschiedene Verarbeiter.

„Waldkörperschaften sind etwas Altfränkisches und gelebte Heimat.“
Bernd Günzelmann, Förster

Schwach- und Kronenholz wird in „Lose“ eingeteilt, deren Brennholzausbeute geschätzt und dann an die Teilhaber verlost. Pro Ster zahlen diese zur Zeit 25 Euro in die gemeinsame Kasse. „Damit haben wir Geld für Neukulturen“, erklärt Ulrich Weichert vom Vorstand der Waldkörperschaft „Gertholz“.

„Waldkörperschaften sind etwas typisch Altfränkisches und gelebte Heimat“, sagt Förster Günzelmann, um gleich darauf einzuschränken: „... wenn es einen guten Zusammenhalt und ausreichende Spielregeln gibt“. Dass viele Körperschaftswälder Laubholzgebiete geblieben sind, sei auch darauf zurückzuführen, dass manche „Rechtler“ ein bisschen altmodisch seien – und das wiederum sei aktuell ein Segen. Denn anders als viele Waldeigentümer ließen sie sich nie vom „Hype“ um die schnell wachsende Fichte anstecken, die sich nun als großer Verlierer des Klimawandels entpuppt.

„Körperschaftswälder waren artenreiche Brennholzparadiese und sind das zum Glück oft bis heute geblieben“, stellt Günzelmann fest.

Übrigens: Vor gut 100 Jahren zwang der Bayerische Landtag den Staatsforst sogar per Gesetz dazu, mehr Nadelholz anzubauen und ein früheres Erntealter, also eine rasche Holzernte, anzustreben. „Damals ging es nur noch um möglichst große Ausbeute an gleichförmigem Holz. Nadelbäume wurden krass bevorzugt“, weiß Günzelmann. Der Maßholder galt sogar als „Unholz“, das man bekämpfte.

„Zum Glück gab und gibt es so kleine 'gallische Dörfer' wie Obernbreit“, meint der Förster grinsend, „wo die Rechtler die Brennholzqualität und Unverwüstlichkeit des Feldahorns zu schätzen wissen“.

Wie vor 250 Jahren auch schon Johann Wolfgang von Goethe. In seinen „Gesprächen mit Eckermann“ preist er das schwere, harte Holz, das kaum reißt und deshalb zur handwerklichen Verarbeitung, zum Beispiel für Bögen, hervorragend zu verwenden ist.

In der industriellen Holzverarbeitung verlor der Feldahorn zwar seine wirtschaftliche Bedeutung, heute klingen die Fachleute aber ähnlich begeistert wie einst Goethe. „Der Maßholder ist der Gewinner des Klimawandels“, erklärt Bernd Günzelmann. „Dass es wärmer und trockener wird, passt ihm prima.“ Im diesjährigen Steppensommer – dem wärmsten Sommer seit 1947 – war das gut zu sehen. „Der Maßholder hat den Stresstest hervorragend bestanden. Er ist auch sehr nachwuchsfreudig. Der „Acer campestre“, so sein botanischer Name, erobert zum Beispiel Flächen, die die Esche aufgrund des Eschentriebsterbens, einer akuten Krankheit, aufgeben muss.“

Durstkünstler, kein Zuwachsprotz

Eins allerdings ist auch klar: „Der Feldahorn ist ein Durstkünstler, kein Zuwachsprotz“, betont der Förster. Der Maßholder ist nicht der Größte und nicht der Stärkste. Aber einer der Ausdauerndsten und Stressresistentesten. „Im Hinblick auf den Klimawandel sollte er künftig verstärkt in den Wald eingemischt werden.“ Die Voraussetzungen dafür sind in Mainfranken mit seinen nährstoffreichen Böden super – und im Landkreis Kitzingen ganz besonders. Bernd Günzelmann ist sicher: „Der Maßholder kann viel dazu beitragen, dass im trockensten und heißesten Landkreis Bayerns der Wald grün bleibt.“