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Bio-Bauern im Landkreis: Kollegen statt Konkurrenten


Autor: Diana Fuchs

Kitzingen, Montag, 04. Januar 2016

Bio-Bauern arbeiten mit- statt gegeneinander. Und dass das ganze Jahr lang. Von wegen Winterruhe...
Scharf und gesund: Die Zwiebelernte beim Biogärtner Geiger erfolgt per Spezialmaschine.


Schnee auf den Felder, Eis auf den Wegen. Was machen Gärtner im Winter? Haben die da Winterruhe? Ein Besuch bei zwei Kollegen, die sich dem Bio-Landbau verschrieben haben, räumt mit dem Vorurteil auf, in der kalten Jahreszeit gäbe es auf dem Feld nichts zu tun.

Das urige Blockhaus neben dem Wäldchen lässt es erahnen: Hier leben Menschen, die eine enge Verbindung zur Natur haben. 1977 haben Siegfried und Sabine Geiger die ehemalige Jagdhütte bei Schwarzenau und das Gelände drumherum gekauft. Und dann ging es los. Kaum ein Tag, an dem der gebürtige Schwede nicht gebaut und gestaltet hätte. „Wir hatten oft kein Geld für Material und Geräte“, erinnert sich Siegfried Geiger. Aber aufzugeben – das kam ihm nie in den Sinn. „Ich wollte Bio-Bauer sein, das ist meine Überzeugung.“

Heute stehen große, selbst gebaute Lagerhallen neben zwei hölzernen Wohnhäusern. Sohn Fridolin und Tochter Hannah sind in den Familienbetrieb am Schwarzenauer Waldhof mit eingestiegen. Die Geigers leben direkt neben den Feldern, auf denen sie Gemüse anbauen.

Das tut auch Erich Gahr aus Kitzingen. Selbst im Winter erntet der Bio-Landwirt Gemüse und Salat, etwa Spinat, Wirsing, Feld- und Endiviensalat, Zuckerhut, Postelein, Weiß- und Rotkohl. Gahr arbeitet bei Wind und Wetter auf dem Feld, wenn er nicht gerade mit seinem Lieferwagen unterwegs ist. Darin transportiert er nicht nur seine eigenen Produkte zu Kunden und (Hof-)Läden, sondern nimmt auch gleich Waren von Bio-Kollegen mit.

„Bio ist eine Grundüberzeugung, eine Herzenssache.“
Fridolin Geiger, Schwarzenau

Regelmäßig steuert Gahr den Waldhof von Siegfried und Fridolin Geiger an. Nachdem Paletten voller Karotten, Pastinaken, Wurzelpetersilie, schwarzer Rettiche, Knollensellerie sowie roter und gelber Zwiebeln in Gahrs Transporter geladen sind, wärmen sich die Männer gern bei einem Kaffee auf. Sie wirken wie Freunde statt Konkurrenten.

„Der Siegfried und ich kennen uns schon lange. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden“, erzählt Erich Gahr. Der Kitzinger hat die Baugeschichte am Waldhof live miterlebt, hat mit angesehen, wie die Geigers einen Hofladen aufbauten, ihn aber einige Jahre später wieder schlossen, „weil man nur bestehen kann, wenn man ein Vollsortiment hat.“

Auch deshalb unterstützen sich die etwa ein Dutzend Biobauern der Region gegenseitig. „Wir tauschen uns immer aus. Der Zusammenhalt in der ganzen Branche ist groß“, sagt der 35-jährige Fridolin Geiger, der Industriemechaniker gelernt hat und seit sechs Jahren die Geiger Gemüsebau GbR zusammen mit seinen Eltern leitet. Erich Gahr ergänzt: „Wir bündeln die Erzeugnisse von uns Öko-Anbauern und beliefern Hofläden, den Einzelhandel, die Gastronomie und Großküchen mit Obst und Gemüse aus regionaler, ökologischer Erzeugung.“

Und das klappt das ganze Jahr über. Erich Gahr hat eine Liste parat, auf der die Verfügbarkeit von Saison-Gemüse und Früchten aus der Region dargestellt ist. Im Herbst gibt es zwar naturgemäß die größte Auswahl, aber auch im Winter und im Frühjahr sind – auch dank moderner Lagerräume – mindestens 15 Sorten Obst- und Gemüse zu haben, von Äpfeln bis hin zu Topinambur.

Topinambur? „Ja, davon hab' ich jetzt sogar noch welchen draußen“, berichtet Erich Gahr. Die beige-braune oder auch rötliche Wurzel ist seit zehn, 15 Jahren nicht nur bei „Ökos“ beliebt. Der stärkehaltige „Erdapfel“ enthält Inulin, das Zuckerkranken als Stärkeersatz dient, und ist, wie auch Pastinaken und Wurzelpetersilie, im Winterhalbjahr für viele Menschen eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan. „Vor allem als Frischgemüse erleben diese Sorten eine Renaissance.“ Gahr schwärmt: „Zum Verfeinern vieler Gerichte sind Topinambur und Wurzelpetersilie aber auch top!“

Während der Kitzinger eher für den lokalen und regionalen Markt arbeitet, haben sich die Geigers auf Großkunden spezialisiert. 2015 haben sie beispielsweise fünf Hektar Möhren und sieben Hektar Zwiebeln angebaut. „Wegen der großen Mengen konnten wir unsere Arbeitsschritte rationalisieren.

“ Dazu gehörte der Kauf moderner Gemüse-Wasch- und Sortiermaschinen. Sogar eine Polieranlage gibt es – „das ist eine optische Geschichte; die Kunden wollen, dass die Karotten richtig glänzen“, berichtet Fridolin Geiger.

Auch auf dem Feld setzt die Familie High-Tech ein, etwa einen Klemmbandroder zur Ernte von Wurzelgemüse. Und ohne Bewässerung ginge gar nichts: „Da wären wir aufgeschmissen.“

Ganz ohne Spritzmittel

Vom ursprünglichen, mit viel Handarbeit betriebenen Landbau ist nicht allzu viel übrig. „So könnte man heute nicht mehr überleben“, sagt Fridolin Geiger. Aber ist die Hinwendung zu Großhändlern nicht ein fauler Kompromiss? „Nein, für uns ist Bio eine Lebenseinstellung, auch wenn wir statt einem halben Hektar eben fünf Hektar gelbe Rüben ernten.“ Sieben Wintergemüse-Sorten stellten zudem sicher, dass Biodiversität gegeben sei. „Wir müssen eben alle einen Weg finden, der den Idealismus mit der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, in Einklang bringt.“

Erich Gahr ergänzt: „Der Gedanke, der dahinter steckt, ist bei uns beiden der, nicht nur von der Natur zu leben, sondern mit ihr. Deswegen verzichten wir auf Agrarchemie und setzen statt dessen zum Beispiel auf eine gesunde Fruchtfolge.“ Die Geigers warten bis zu fünf Jahre, ehe sie dieselbe Frucht wieder auf einem Feld säen oder pflanzen. „Dazwischen ist auch Gründüngung wichtig.“ Also Grünpflanzen, die nicht geerntet, sondern zur Bodenverbesserung gemulcht werden.

Wenn die Männer nochmal vor der Entscheidung stünden, würden sie dann erneut auf Bio-Landwirtschaft bauen? Gahr und die Geigers nicken ohne zu zögern. „Ich liebe es, immer im Freien sein zu können und irgendwie mein eigener Herr zu sein“, erklärt Fridolin Geiger. Erich Gahr sagt: „Es ist einfach schön zu sehen, wenn etwas wächst. Ganz ohne Spritzmittel.“

„Der einzige Wermutstopfen ist der viele Schreibkram, zum Beispiel beim Mehrfachantrag“, fügt Fridolin Geiger an. „Ansonsten würden wir nichts ändern. Bio ist eine Grundüberzeugung, eine Herzenssache.“