Belastende Zeiten für CSU und CDU

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Funkstille? Kommunikation übers Handy? Angela Merkel und Horst Seehofer gestern bei einer Bundestagssitzung. John MacDougall
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Reaktionen aus dem Landkreis zum Streit zwischen Merkel und Seehofer

Eine Lösung ist gefunden. Aber die letzten Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Bei der CDU, der CSU und womöglich auch bei deren bisherigen Stammwählern.

Dr. Stephan Bröchler beobachtet die Politik aus wissenschaftlichen Augen. So turbulente Zeiten wie jetzt hat er selten erlebt. Vor allem die Vehemenz, mit der sich Angela Merkel und Horst Seehofer befehden, sei einmalig. Neben dem offensichtlich gestörten persönlichen Verhältnis der beiden Parteivorsitzenden stecke hinter dem Trubel der letzten Tage aber auch der Versuch, eine Strategie zu entwickeln, um ehemalige Wähler aus dem bürgerlichen Lager wieder zu gewinnen. Die sind zu großen Teilen ins Lager der AfD gewechselt. Und die gehört für den Politikwissenschaftler der Uni Würzburg zu den Profiteuren der letzten Tage. „Ohne eigenes Zutun.“

„Ich vermisse in der

Auseinandersetzung zum Thema Asyl unsere

christlichen und sozialen Grundwerte.“

Andreas Moser, Fraktionsvorsitzender Stadtrat

Die Regierung macht für ihn einen labilen Eindruck. Die Fähigkeit zu strategischen Entscheidungen sei momentan kaum zu erkennen. Möglicherweise hat das auch personelle Konsequenzen. Ein kurzfristiges Ausscheiden Horst Seehofers aus dem Amt des Innenministers hält der Wissenschaftler jedenfalls für durchaus möglich.

Am 14. Oktober finden die Landtagswahlen in Bayern statt. Barbara Becker möchte dann für die CSU in den Landtag einziehen. Den gefundenen Kompromiss in der Asylfrage hält sie für tragbar und richtig. Ihr Argument: „Im Masterplan Asyl gehören Bekämpfung von Fluchtursachen, eine europäische Linie und die Steuerung der Einwanderung zusammen.“ Über den Stil der beiden Parteivorsitzenden könne man allerdings diskutieren, meint die Wiesenbronnerin.

Das sieht Andreas Moser genauso. „Ich vermisse in der Auseinandersetzung zum Thema Asyl – vor allem in der Art und Weise, wie unser Parteichef und Innenminister Horst Seehofer mit der Bundeskanzlerin umgeht – unsere christlichen und sozialen Grundwerte“, meint er und erinnert daran, dass Mandatsträger eine öffentliche Vorbildfunktion haben. „Diese wird von vielen Spitzenpolitikern, nicht nur in der CSU, derzeit nicht so ausgefüllt, wie ich mir das wünsche und erwarte.“ Streit oder unterschiedliche Auffassungen gehörten in der Politik dazu, aber das sollte hinter verschlossen Türen passieren. „An die Öffentlichkeit geht man, wenn ein sachlich fundiertes und tragfähiges Konzept oder Ergebnis vorliegt, wenn man wirklich die Bürger überzeugen möchte“, so Moser.

Die letzten Tage seien für alle Beteiligten extrem belastend gewesen, gibt Barbara Becker zu bedenken. Sowohl physisch als auch psychisch. „Aber nichts tun hätte der CSU mehr geschadet.“ Politik sei eben kein Ponyhof. Becker wünscht sich von ihrer Partei mehr Stolz auf das Geleistete. „Besonders Bayern zeigt seit Mitte 2015 Herz und Verstand bei der Aufnahme der Flüchtlinge und Asylbewerber/innen“, findet sie. „Behörden und Ehrenamtliche leisten dauerhaft hervorragende Arbeit.“ Ein wenig mehr Ruhe wäre jetzt angesagt. „Und dass wir über Landesthemen reden, die unsere Region betreffen: Bildung, Fachkräftemangel, Nahverkehr, Ehrenamt, Pflege und Gesundheitsversorgung.“

Ein Anliegen, das Stefan Güntner nur teilen kann. „Ich wünsche mir, dass die CSU-Führungsriege endlich über Themen spricht, für die der Landtag in erster Linie zuständig ist“, so der Bürgermeister von Kitzingen und Kreisrat. Es gehe darum, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten, dass die CSU auch für die kommenden Jahre die richtigen Ideen für die Zukunft Bayerns habe.

„Die CDU/CSU sind Schwestern im besten Sinne.“
Sabrina Stemplowski, Vorsitzende Junge Union

Der Kompromiss, der in Berlin in Sachen Asyl gefunden wurde, geht für ihn in die richtige Richtung. Das Krisenmanagement sei allerdings nicht besonders gut gelaufen – weder von Seiten der CSU noch von Seiten der CDU. Das gelte insbesondere auch für die Kanzlerin. „Wenn ein Plan 63 Punkte enthält und immer wieder gesagt wird, dass sich Kanzlerin und Innenminister in 62,5 Punkten einig seien, ist es für niemanden nachvollziehbar, dass dann so ein Theater veranstaltet wird“, so Güntner. Und wo liegt die Ursache für so viel Theater? „Das kann ich mir eigentlich nur mit einem absolut gestörten persönlichen Verhältnis zwischen Kanzlerin und Innenminister erklären“, meint Güntner, der dennoch davon überzeugt ist, dass das Verhältnis der Schwesterparteien alles andere als zerrüttet ist.

„Die CDU/CSU sind Schwestern im besten Sinn“, bestätigt Sabrina Stemplowski, Vorsitzende der Jungen Union in Kitzingen. „Nach außen gemeinsam stark, nach innen bisweilen aber auch mal kratzbürstig.“ Das sei jedoch kein neues Phänomen. „Da haben sich die Schwestern schon nach größeren inhaltlichen Zickenkriegen wieder erfolgreich zusammengerauft“, sagt sie. Sorgen vor einem spürbaren Verlust bei der Landtagswahl hat sie nicht. „Dass die CSU jetzt den unsäglichen Zustand, dass jeder ungehindert in unser Land einreisen kann, wir abgelehnte Asylbewerber aber nicht abschieben können, beendet hat, werden ihr die Menschen positiv anrechnen.“