Gewalt gegen Lehrer: "Ich bring dich um"
Autor: Robert Wagner
Kitzingen, Mittwoch, 16. November 2016
Gewalt gegen Lehrer ist mehr als ein Randphänomen. Auch im Landkreis Kitzingen gibt es Fälle. Lehrer wurden bedroht und aufs übelste beleidigt.
Ob sie selbst schon Fälle psychischer Gewalt erlebt hat? Sabine Huppmann, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), nickt. Sie holt einen Ausdruck aus einem Karton, liest laut vor: „Ich hasse dich du dumme verfickte Schlampen-Huren-Drecksau [...] ich bring dich um du Fotze!“ Geschrieben hat ihr das vor einiger Zeit eine ehemalige Schülerin über die Lernsoftware „Antolin“. Sabine Huppmann ist Grundschullehrerin im Landkreis Kitzingen.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hatte Anfang der Woche Ergebnisse einer Umfrage unter Lehrern veröffentlicht. Mehr als die Hälfte aller Befragten gab darin an, dass es an ihrer Schule in den letzten fünf Jahren Fälle gab, in denen Lehrer beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden. Jeder Fünfte wusste von Fällen körperlicher Gewalt zu berichten.
Von Eltern bedroht
Das musste auch eine Lehrkraft aus dem Kitzinger Landkreis miterleben. Ausgangspunkt war das Fehlverhalten eines Schülers. „Der Junge hat andere Kinder geschlagen und getreten.“ Der Vater wollte den Verweis nicht akzeptieren. „Der ist auf mich losgegangen, hat mich bedroht und beschimpft.“ Und das nicht nur einmal. Immer wieder sei der Mann aufgetaucht, stand bei Veranstaltungen plötzlich in der Tür. „Ich hatte richtig Panikattacken“, erzählt die Lehrkraft, die nicht genannt werden möchte. Von einer Anzeige wurde ihr abgeraten, die Erfolgsaussichten seien gering. Schließlich bat die Lehrkraft um eine Versetzung, unterrichtet mittlerweile an einer anderen Schule.
Auch die Drohmails gegen Sabine Huppmann hatten letztlich keine strafrechtlichen Konsequenzen. Zwar gelang es der Polizei, die Absenderin zu identifizieren – sie musste jedoch nur einen Entschuldigungsbrief verfassen: Es tue ihr leid, schrieb die Schülerin, aber sie sei wütend über die Noten gewesen.
Schule - ein rechtsfreier Raum?
„Ich habe manchmal das Gefühl, die Schule ist ein rechtsfreier Raum“, sagt Joachim Huppmann, Lehrer an einer Mittelschule und Chefredakteur der unterfränkischen BLLV-Zeitung. Das sei natürlich Unsinn: „Auch als Lehrer gibt man an der Schultür nicht seine Bürgerrechte ab.“
Das bestätigt auch Gustav Eirich, Leiter des Sachbereichs Schule im Bezirk Unterfranken. „Wir haben eine Null-Toleranz-Linie, wenn es um Straftaten geht“, versichert er. Er rät Betroffenen dazu, zur Polizei zu gehen. „Lehrer ist ein ganz schwerer Beruf, das unterschätzen viele Menschen.“ Gerade im Internet gebe es eine „Kritikfreude“, die selten konstruktiv sei. Das belaste Lehrer und könne bis zum Burnout führen.
Trotzdem: Ein großes Problem sieht Eirich im Regierungsbezirk nicht. „Der letzte Fall von körperlicher Gewalt gegen Lehrer liegt meines Wissens schon Jahre zurück.“ Schwierige Schüler, unsachgemäße Kritik und Druck von Seiten der Eltern – das könne es schon mal geben. Damit müsse man als Lehrer aber umgehen können.
Gewalt wird oft kleingeredet
„Gewalt gegen Lehrkräfte wird häufig als jobimmanent abgetan und kleingeredet. Es ist skandalös, so zu tun, als sei es Bestandteil des Berufes, sich beleidigen, belästigen und körperlich angreifen zu lassen“, meint hingegen Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). Auch Joachim Huppmann musste sich schon zu Beginn seiner Lehrerkarriere als „Arschloch“ beschimpfen lassen. „Mein damaliger Chef meinte, damit müsse man eben leben“, erzählt Huppmann. Beckmann hält das für eine schlimme Relativierung: „Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen.“
Das Ehepaar Huppmann kommt aufgrund seiner Arbeit im BLLV und im Personalrat immer wieder mit Fällen in Kontakt, bei denen Lehrer angegriffen werden. WhatsApp-Gruppen, in denen Eltern gegen einen Lehrer hetzen, ein Schüler, der eine Lehrerin tritt. Sie selbst wurden regelmäßig mitten in der Nacht von Unbekannten angerufen. Auch Fälle, bei denen Lehrer von Eltern bei der Schulleitung verunglimpft werden, gebe es häufig. Selbst wenn sich die Anschuldigungen im Nachhinein als haltlos erwiesen – der Ruf ist erst einmal ruiniert. „Da wird fast eine Art Inquisition losgetreten“, sagt Joachim Huppmann.