Druckartikel: Außerirdische im altmodischen Weinland

Außerirdische im altmodischen Weinland


Autor: Robert Wagner

, Freitag, 05. Februar 2016

Möglichst modern, cool und geil soll es sein: Junge Winzer stellen in Ulsenheim ein neues Getränk vor.
Die „Astronauten“ Julia Dürr, Lukas Schmidt, Sayed Barsim und Markus Meier hatten zur Vorstellung ihrer neuen Weinkreation in ihr „Raumschiff“ nach Ulsenheim geladen.


Auf der Bühne stehen vier Astronauten in weiten, weißen Anzügen. Ihre Gesichter sind durch die verdunkelten Visiere ihrer Helme nicht zu erkennen. Nebel wabert um ihre Knöchel und ergießt sich in dicken Schwaden in die Vinothek Meier in Ulsenheim. „Big Bang“ steht in großen Lettern auf einem Plakat im Hintergrund. Doch es geht nicht um galaktische Phänomene, um Sterne und Galaxien. Es geht um Wein.

Drei junge Winzer und ein Sommelier stellten an diesem Donnerstagnachmittag ihr neues Produkt vor. Modern soll es sein, innovativ und – wie sie betonen – einfach geil. Dafür haben die Vier extra eine eigene GmbH gegründet, „Big Bang Winemaking“ mit vollem Namen. Die ganze Inszenierung wirkt völlig anders, als man sie bei einer Weinvorstellung erwartet. Und das soll sie auch.

Denn bei Wein denkt man zuerst an romantische Landschaften, an stilvolle Restaurants und klassische Musik. Alles schöne Dinge – aber eher altmodisch. Doch Wein kann eben auch hip sein. Davon sind die Winzer Julia Dürr, Lukas Schmidt und Markus Meier sowie der Sommelier Sayed Barsim überzeugt. „Big Bang Pink“ und „Big Bang White“ sollen die Bars und Diskotheken erobern. Kleine Flaschen, Schraubverschluss und auffälliges Logo – viel Mühe haben die Vier in das Design gesteckt.

„Mit Hopfen versetztes, abgekochtes Wasser –

ein komischer Planet“

Lukas Schmidt Winzer

„Es gibt auf jeden Fall einen Markt für uns“, ist sich Markus Meier sicher. Die Leute wünschten sich heute einfache, aber sehr gut produzierte Produkte, erklärt der Winzer aus dem Nordheimer Ortsteil Ulsenheim. Ihr Produkt sei „ehrlich“. 100 Prozent veganer Wein.

Der Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim, Hermann Kolesch, erklärt die Strategie: Zum 500. Jubiläum des Bayerischen Reinheitsgebotes für Bier wolle man auch einmal in deren Gebiet wildern. Schließlich hätten dies die Brauer jahrelang andersherum gemacht, mit Biersommeliers und Bierotheken. Wein-Astronaut Lukas Schmidt setzt derweil zu einem Seitenhieb gegen den großen Konkurrenten an: „Man muss sich einmal vorstellen, hier wird noch ein mit Hopfen versetztes, abgekochtes Wasser aus Flaschen getrunken, die man nicht einmal ohne Öffner aufmachen kann. Ein komischer Planet.“

Lange Vorbereitungszeit

Herrmann Kolesch kennt die drei Winzer noch aus ihrer Schulzeit am LWG. In ihrer zweijährigen Ausbildung müssen die angehenden Winzer ein komplettes Weinprojekt auf die Beine stellen, von der ersten Idee über die Herstellung bis zum Design des neuen Produktes. „Learning by Doing“, nennt Kolesch das.

Dürr, Schmidt und Meier hatten ihr Projekt bereits vor einem Jahr abgeschlossen. Die Idee damals: Ein spritziger, naturtrüber Wein als Konkurrenz zum Weißbier. „Es ist genial, wenn so etwas dann auch praktisch umgesetzt wird und auf den Markt geht“, freut sich Kolesch.

Dabei war das nicht unbedingt abzusehen: „Zunächst wollte das gar keiner weiterführen“, erklärt Meier. „Es hat eine Zeit gedauert, bis wir uns gefunden hatten.“ Seitdem mussten einige bürokratische und organisatorische Hürden überwunden, die Trauben geerntet und die Herstellung sowie das Design technisch umgesetzt werden.

Unterstützt wurden die Vier dabei auch vom Verband Ehemaliger Veitshöchheimer (VEV). „Ich wünsche mir sehr, dass sich die Vier am Markt durchsetzen“, sagt dessen Vorsitzender Reimund Stumpf. Er selbst habe vor knapp 40 Jahren auch so ein Projekt in der Ausbildung gehabt. „Damals war das aber leider nicht so innovativ.

“ Doch genau diesen „Mut zum Regelbruch“ fordert Hermann Kolesch von seinen Schülern: „Bei uns muss man Dinge ausprobieren dürfen, die man im normalen Alltag nicht so einfach machen kann.“

In diesem Moment wird eine Schubkarre in den Raum gefahren. Auch aus ihr steigt Nebel auf. „Big Bang White“ und „Big Bang Pink“ wird aus ihr an die Gäste verteilt. „Vor dem Öffnen kräftig schütteln“, erklärt Markus Klein. Dann folgt allgemeines zuprosten. Stumpf kann sich schon gut vorstellen, dass sich Big Bang in den Diskotheken durchsetzt. „Gerade bei jüngeren Frauen, die vielleicht nicht die ganze Zeit ein offenes Bier mit sich herumtragen wollen“, sagt der Winzermeister.

Auf der Bühne kommt auch die Fränkische Weinkönigin Kristin Langmann zu Wort. Auch sie lobt „Big Bang“ überschwänglich. „Die Flasche steht einfach für Spaß“, ruft sie ihrem Weinvolk zu. „Nehmt die Flasche mit nach draußen – und shake it!“