Auf Streifzug durch die Zeit
Autor: Diana Fuchs
Castell, Freitag, 27. Mai 2016
Ja so warn's, die alten Steigerwälder: Zur 1200-Jahrfeier laden die Casteller unter anderem zu einem Wandertheater durch den Ort ein.
Wer hat diese filigranen Verzierungen gestickt? Das muss jemand mit zarter Hand gewesen sein. Und viel Geduld. „Das war die Mama“, sagt Seraphina und strahlt dabei übers ganze Gesicht. „Sie hat mein Kleid genäht. Ich durfte mir die Farben raussuchen.“ Hellblau-Türkis und Aubergine-Lila. So wird die Zehnjährige beim Wandertheater zur 1200-Jahrfeier Castells auftreten. Sie spielt das Mädchen Sieglinde, das dem Winzer heimlich Wein für ein spontanes Gelage am Dorfbrunnen besorgt.
Seraphina ist nicht die einzige Castellerin, die von Tag zu Tag aufgeregter wird. Das ganze Dorf freut sich auf das Jubiläumsfest, das „Spectaculum“ mit mittelalterlichem Markt und Ritterturnier. Und Wandertheater! Etwa 30 Bürger werden mit den Gästen durch die Straßen des Dorfes ziehen und an fünf historischen Stätten kurze Szenen von anno dazumal zum Besten geben. Am Johannesbrunnen, am Schloss, an der Castellbank, am Wildbad und vorm „Kniebrecher“ erstehen die Vorfahren der heutigen Casteller auf. Ein paar Steigerwälder Dickköpf' sind dabei, aber auch ein geselliger Bäcker, eine rabiate Wirtin und manch' armer Sünder.
„Ich finde das echt cool, dass wir quasi in die Vergangenheit reisen. Wenn wir vor 400 Jahren gelebt hätten, dann wäre uns vielleicht das passiert, was wir jetzt spielen!“ Und das ist im Fall der zwölfjährigen Louisa ein Ruggericht im Jahr 1601. Das Mädchen und seine Freunde haben dem Bauern Paulus Äpfel geklaut und wurden dabei erwischt. Nun müssen sie vor dem Schultheiß und seinen Leuten dafür gerade stehen... „Wir haben das doch nur gemacht, weil unsere Eltern so arm sind und wir soooo Hunger haben“, erklärt die zehnjährige Emma alias Chriszensia dem Hohen Gericht. Ihr trauriger Blick aus großen, blauen Augen ist zum Gotterbarmen. Doch ob die hohen Herren deshalb Gnade vor Recht ergehen lassen?
Sicher ist: Es gibt einiges zu flehen und noch mehr zu lachen auf der kleinen Wandertour durch den Ort. Ob im Badebottich des früheren Kur- und Heilbades Castell oder bei der missglückten Wurstlieferung für das Beamtenfest im Casino – viele frühere Casteller waren ganz offensichtlich handfeste Leut' und nicht auf den Mund gefallen. Das jedenfalls legen die Szenen nahe, die Laiendarsteller aus Castell, Greuth und Wüstenfelden mit den Regisseuren Stephan Klotz und Sigrid Stegner derzeit ganz intensiv proben.
„Ich freu' mich schon riesig auf das Festwochenende“, stellt Mittelalter-Fan Seraphina während einer Probenpause fest. „Das wird richtig toll. Hoffentlich kommen ganz viele Leute und feiern mit uns!“
Anfang / Ende: Begonnen wird am Freitag, 3. Juni, um 18 Uhr im Schlossgarten in Castell mit dem Mittelaltermarkt. Am Samstag und Sonntag ist jeweils um 11 Uhr Marktöffnung. Das bunte Treiben klingt am Freitag und Samstag gegen 22 Uhr aus, am Sonntag gegen 18 Uhr.