Alle im selben Boot
Autor: Robert Wagner
Wiesentheid, Dienstag, 14. Juni 2016
Nicht einmal fünf Minuten hat es gedauert. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai stieg das Wasser im Fasanenbach bedrohlich an. Elke und Holger Reuß standen am Fenster und beobachteten die Lage angespannt. Und das an ihrem Hochzeitstag.
Nicht einmal fünf Minuten hat es gedauert. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai stieg das Wasser im Fasanenbach bedrohlich an. Elke und Holger Reuß standen am Fenster und beobachteten die Lage angespannt. Und das an ihrem Hochzeitstag.
Schon am 3. Juni 2013 hatten sich die Fluten ihren Weg bis in ihr Haus gebahnt. „Wir liegen besonders tief in Geesdorf“, erklärt Elke Reuß. Damals habe sie früh die Feuerwehr alarmiert – doch der Feuerwehrmann habe ihr erklärt, sie könnten erst ausrücken, wenn das Wasser tatsächlich im Haus stünde. „Ich hab' dann zehn Minuten später noch einmal angerufen: 'Ihr könnt jetzt kommen, das Wasser ist da.“
Für den Fall der Fälle hat die Familie seit damals Sandsäcke bereitstehen. „Aber so schnell konnten wir am Sonntag gar nicht reagieren.“ Eben noch schaut Holger draußen nach dem Rechten, will sich eilig Gummistiefel anziehen. Da hört er Elke schreien: „Das Wasser steht schon im Keller!“
Dass es immer wieder zu Hochwassern kommen kann, ist den beiden klar. „Aber doch nicht über die Felder“, sagt Holger Reuß. Denn es war nicht etwa der Fasanenbach, der letztlich überlief. Von der Ostseite, von den höher gelegenen Äckern am Fuße des Steigerwaldes, habe sich eine Schlammlawine ins Haus ergossen. Auf den Feldern angebauter Mais konnte dem Wasser keinen Widerstand leisten, Entwässerungsgräben fehlten. Elke Reuß ist enttäuscht: Trotz der Erfahrungen von 2013 sei zu wenig passiert.
Gemeinsames Konzept
Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite steht das „Rückhaltekonzept“, das von acht der neun Dorfschätze-Gemeinden in Auftrag gegeben wurde. Zwei Tage nach dem Hochwasser 2013 hatten sich die Bürgermeister der Gemeinden getroffen. „Hier war Land unter – überall“, erzählt Inge Thomaier von der Arbeitsgruppe Dorfschätze. „Es war schnell klar, dass was gemacht werden muss.“
Man entschied sich, ein gemeinsames Hochwasserkonzept zu entwickeln. Bis auf Großlangheim liegen alle Dorfschätze-Gemeinden an einem Wassersystem: Vom Steigerwald transportieren Sambach, Altbach, Fasanenbach, Castellbach und Co. die Wassermassen Richtung Schwarzach.
In der Politikwissenschaft nennt man eine solche Situation Oberlieger-Unterlieger-Problem: Gerade die Gemeinden, die am „Unterlauf“ liegen, sind an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Denn sollten die Gemeinden am „Oberlauf“, wie beispielsweise Abtswind oder Castell, einseitig versuchen, das Wasser schnellstmöglich abzuleiten, würde das die Situation in Schwarzach massiv verschärfen. Zusammenarbeit ist für eine tragbare Lösung deshalb alternativlos. Man sitzt eben im selben Boot.
Vermessung dauerte lange
Leicht ist das nicht, erklärt Inge Thomaier. Zunächst sah es noch nach einem schnellen Erfolg aus. In Rekordzeit wurden Anträge ausgefüllt, das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg ins Boot geholt und das Projekt ausgeschrieben.