Kitzingen nimmt Vorkausfrecht für ehemalige US-Wohnsiedlung nicht wahr

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Klaus Christof nach der Abstimmung Foto: Diana Fuchs
Klaus Christof nach der Abstimmung Foto: Diana Fuchs
ödp (hinten) und CSU (im Vordergrund) stimmten mit dem OB.
ödp (hinten) und CSU (im Vordergrund) stimmten mit dem OB.
 
Beim Interview mit Jürgen Gläser war OB Müller nach der Sitzung guter Dinge.
Beim Interview mit Jürgen Gläser war OB Müller nach der Sitzung guter Dinge.
 
Über 700 Wohneinheiten in den Marshall-Heights stehen leer.
Über 700 Wohneinheiten in den Marshall-Heights stehen leer.
 

Klaus Christof scheitert mit dem Versuch, die Marshall-Heights-Entscheidung zu vertagen. Die Mehrheit will das Vorkaufsrecht nicht wahrnehmen.

Gleich nach der Sitzung hat Oberbürgermeister Siegfried Müller (UsW) am Montagabend seinen Koffer geschnappt - und los ging´s, Richtung Flughafen. Mit gutem Gefühl kann er sich jetzt in der Türkei erholen. Denn am Montagabend hatte er die Mehrheit des Stadtrates bei der aktuell wohl brisantesten kommunalpolitischen Frage hinter sich: Die Stadt soll das Erstzugriffsrecht auf die frühere US-Wohnsiedlung Marshall-Heights nicht in Anspruch nehmen, bestimmten 19 Räte; nur neun waren dafür.

Trotzdem könnte diese Entscheidung theoretisch noch revidiert werden. Denn das laufende Bürgerbegehren "Pro Erstzugriffsrecht" soll abgewartet werden. Müller betonte, man wolle den Bürgerwillen "auf jeden Fall berücksichtigen" und - falls das Begehren in einen Bürgerentscheid mündet - auch dessen Ergebnis einbeziehen, wenn man sich gegenüber der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) äußert.


Frist verlängern?
Die BImA als Verkäuferin des Geländes beeinflusst der Bürgerwillen als solcher freilich nicht. "Es ist allein eine Entscheidung der Stadt, ob sie zugreifen will oder nicht", betonte gestern Hans-Peter Fehr, Regierungsdirektor der Bima. Es spreche jedoch wohl nichts dagegen, die Frist zu verlängern, in der sich die Stadt zur Vorkaufs-option äußern soll; dies könne auch etwas später als 21. Mai erfolgen, falls der Bürgerentscheid es nötig macht.

Geht das Bürgerbegehren ins Leere und die Stadt nutzt, wie beschlossen, ihr Erstzugriffsrecht nicht, wird die BImA für die 32 Hektar mit ihren über 700 Wohneinheiten sehr wahrscheinlich ein öffentliches Bieterverfahren in die Wege leiten. Kitzingen - das betonte Oberbürgermeister Müller mehrmals - habe auch dann noch Möglichkeiten der Einflussnahme; zum Beispiel wolle man trotzdem ein Nachnutzungskonzept erstellen, mit dem oder den Investoren zusammenarbeiten und im Rahmen der Bauleitplanung die Entwicklung mitsteuern. Derzeit gebe es fünf "ernstzunehmende Interessenten" für das Areal, hat OB Müller von der BImA erfahren. Man habe schon versucht, ihre Namen zu erfahren, um sich mit ihnen ins Benehmen setzen zu können.

Ungewohnt friedlich
Die gut 45 Zuschauer erlebten - trotz der umstrittenen Thematik - eine ungewohnt friedliche Sitzung. Zu Beginn sah es danach nicht unbedingt aus: Klaus D. Christof von der Kommunalen Initiative Kitzingen (KIK), die das Bürgerbegehren mitträgt, wollte einen Beschluss verhindern und stellte den Antrag, "heute nicht zu entscheiden." Christofs Begründung: Konversions-Erfahrene aus anderen Städten wurden im Stadtrat noch nicht gehört, bei der kürzlichen Besichtigung der Marshall-Heights seien Gebäude verschlossen gewesen und zum Zustand der Erschließungsanlagen gebe es unterschiedliche Auffassungen.

Nach gut einer halben Stunde Diskussion lehnte die Mehrheit (7:20) Christofs Antrag ab. OB Müller erklärte, man wolle "den Erfahrungsschatz anderer Kommunen" auf jeden Fall nutzen. Für die Entscheidung pro oder kontra Vorkaufsrecht sei dieser jedoch unerheblich.

Ein großes Thema war die Frage nach dem Bestandsschutz. Hier gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen in Bayern, erläuterte Rechtsrätin Susanne Schmöger. Viele "gute juristische Gründe" sprächen dagegen, dass die einstigen US-Wohnungen in ihrem Bestand geschützt seien. In diesem Sinn beauftragte die Mehrheit des Rates (20:8) OB Müller schließlich auch, gegenüber der BImA den Standpunkt zu vertreten, dass in den Marshall-Heights kein Bestandsschutz gilt. Das heißt, dass ein Investor nicht so ohne Weiteres die einstige Wohnnutzung fortsetzen könnte.

Der OB plädierte dafür, "ganz fair nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken zu sehen, die darin bestehen, dass die Stadt sich finanziell übernimmt und keinen genehmigungsfähigen Haushalt zusammenkriegt." Nicht nur der Kaufpreis sei völlig unbekannt - er richtet sich nach der künftigen Nutzung und selbst wenn die Stadt den Erwerb zusammen mit einem Dritten stemmen wollte, müsste sie mindestens 51 Prozent selbst finanzieren -, sondern vor allem auch die Folgekosten. Es sei "völlig unverantwortlich, irgendwelche Zahlen in den Raum zu stellen." Fakt sei, dass die BImA der Stadt zwar das Vorkaufsrecht eingeräumt habe, aber auch eine auf 20 Jahre angelegte Gewinnbeteiligung anstrebe, während die Risiken allein die Stadt tragen solle. "Das ist unbefriedigend."

Richtig deutlich wurde Stadtkämmerer Bernhard Weber. Er riet davon ab, an einen Erwerb oder auch Zwischenerwerb der 32 Hektar durch den städtischen Haushalt auch nur zu denken. Möglichkeiten böten sich höchstens gemeinsam in einer GmbH mit Privatinvestoren, über die Bayerngrund Grundstücksbeschaffungs- und -erschließungs-GmbH oder Ähnlichem.


Bei der namentlichen Abstimmung war das Ergebnis deutlich:

Ergebnis Die Mehrheit (19:9) war dagegen, das Erstzugriffsrecht auf die Marshall-Heights wahrzunehmen.

Ja-Stimmen: Klaus Günther (UsW), Rosmarie Richter (UsW), Konversionsreferent Karl-Heinz Schmidt (UsW), Nicole Mahlmeister (SPD), Manfred Freitag (FBW-FW), Friedrich Haag (FBW-FW), Bürgermeister Klaus Christof (KIK) und Thomas Steinruck (KIK). Wolfgang Popp (KIK).

Nein-Stimmen: Rolf Ferenczy (UsW), Peter Lorenz (UsW), Manfred Marstaller (UsW), Manuel Müller (UsW), Andreas Moser (CSU), Stadtentwicklungsreferent Thomas Rank (CSU), Gertrud Schwab (CSU), Hartmut Stiller (CSU), Hiltrud Stocker (CSU), Hugo Weiglein (CSU), Brigitte Endres-Paul (SPD), Klaus Heisel (SPD), Astrid Glos (SPD), Elvira Kahnt (SPD), Jens Pauluhn (ödp), Andrea Schmidt (ödp), Franz Böhm (ProKT), 2. Bürgermeister Werner May (fraktionslos), OB Siegfried Müller (UsW). ldk






KOMMENTAR:



Gut gemacht

Von Diana Fuchs

Gratulation an den Kitzinger Stadtrat. Er hat nicht nur ein weitgehend friedliche Sitzung hingelegt, sondern sich mit Weitblick gegen ein unkalkulierbares Risiko entschieden. Mit dem Mehrheitsbeschluss, das Vorkaufsrecht für die Marshall-Heights nicht wahrzunehmen, hat die Stadt das Heft "da oben" aber trotzdem nicht aus der Hand gegeben. Über ihre Planungshoheit kann sie die Entwicklung auch aus der Distanz mitsteuern.
Natürlich klingt die Vorstellung von attraktivem, günstigem Wohnraum verlockend und vielleicht ist auch an Christofs Vorwurf etwas dran, die Stadt hätte schon viel eher einen eigenen "Marshall-Plan" entwickeln können. Doch selbst das hätte nichts am Grundproblem geändert, das der Kämmerer so formuliert: Der Erwerb und die Folgekosten sind im städtischen Haushalt schlicht nicht darstellbar. Ein Bürgerbegehren kann das übrigens nicht ändern.