Günter Streit: Der Perfektionist
Autor: Franziska Strobl
Kitzingen, Mittwoch, 23. März 2016
Der nächste Leserfotograf steht bereit. Heute Günter Streit - vom Papst über platzende Luftballons bis zur Libelle im Garten kommt ihm fast alles vor die Linse.
Ein Gänsehautmoment war das, als der Papst ihm direkt in die Augen blickte. Als Papst Benedikt XVI. 2006 in München war, hatte Günter Streit einen Presseausweis bekommen und durfte ganz vorne fotografieren.
Auf einem Bild sieht es aus, als ob der Papst ihn direkt ansieht. „Als ich das Foto gesehen hab, lief es mir eiskalt den Rücken runter“, sagt der 65-Jährige. Die Bilder des Kitzingers sind oft in der Main-Post als Leserfotos abgedruckt, dann vor allem Landschafs- oder Detailaufnahmen.
Seine Leidenschaft fürs Filmen und Fotografieren begann früh. 1958 war es, als sich der achtjährige Günter Streit am Schaufenster von Foto „Hentschel“ in der Kitzinger Falterstraße die Nase platt drückte. Einmal selbst eine Filmkamera haben, das wär's. Ein Jahr vorher hatte ihm der Vater eine Boxkamera geschenkt, eine Retina Kodak, fotografiert hatte er also schon – das erste Foto überhaupt schoss er von seinem Lehrer bei einem Schulausflug auf den Schwanberg – aber Filmen können, das interessierte ihn damals noch etwas mehr.
Also sparte Günter Streit ein Jahr lang jeden Monat zehn Mark von seinem Taschengeld. Dann ging er ins Geschäft und kaufte die Filmkamera, eine Agfa Movex 88L. Er hat sie heute noch. Das Hantieren mit der Schmalfilmkamera war „ganz schön umständlich“, erzählt der 65-Jährige, der 16-mm-Film wurde zunächst auf der einen und dann nach Vertauschen der Spulen auf der anderen Seite belichtet. Es war der Beginn einer großen Leidenschaft – „da wurd' ich narrisch“ erzählt er und grinst verschmitzt. Wie Foto und Filmkamera funktionierten, lernte er durch ausprobieren, für Technik hatte er schon immer ein Händchen, später abonnierte er das Film- und Tonmagazin (heute Videomagazin), für das er auch selbst Artikel verfasste.
Stammkunde bei Duttenhofer
Mit der Zeit wurde er so gut, dass er mit 24 Jahren begann, an der VHS Kitzingen Kurse zu geben, ohne selbst je einen besucht zu haben. Erst Schmalfilm, später Video. Er selbst war zu dieser Zeit Stammkunde beim Duttenhofer in Würzburg (heute Media Markt). Das Foto- und Filmfachgeschäft war überregional bekannt. „Damals warteten die Kunden noch über eine Stunde bis sie dran waren“, erzählt Streit, der 1968 eine Lehre zum Bankkaufmann bei der Sparkasse in Kitzingen gemacht hatte.
Einer seiner Lieblingsverkäufer bei Duttenhofer fragte ihn schließlich, ob er nicht selbst Verkäufer werden wolle, als Fachmann in der Schmalfilmabteilung. „Davon gab es damals nicht viele.“ Von der Bank ins Filmgeschäft wechseln? Das Hobby zum Beruf machen? Günter Streit überlegte ein halbes Jahr, dann kündigte er in der Bank.
Sechs Jahre lang arbeitete er als Verkäufer– „mit Überzeugung und Hintergrundwissen“, schnell hatte er einen großen Kundenstamm. Die Arbeit machte Spaß, verschlang aber auch unglaublich viel Zeit. „Oft habe ich erst um 16 Uhr Mittagspause gemacht“, samstags und zum Teil sonntags zu arbeiten, gehörte dazu. Das Familienleben litt darunter so sehr, dass Streit 1983 seiner Frau und seinen beiden Kindern zuliebe, zurück ins Bankgeschäft wechselte. Die Leidenschaft fürs Filmen und Fotografieren blieb.
Für die Landvolkshochschule Münsterschwarzach hat er zum Beispiel einen Film über das ZDF gedreht. Weil er sich danach so gut auskannte, organisierte er mehrere Führungen durch die Fernsehstudios in Mainz und das Bavaria-Filmgelände in München. Außerdem drehte er einen Film über Blesshühner, die Produktion bei Fehrer, hielt die Übergabe des zweiten Schlappmaulordens 1990 an Bernd Heller fest („dazu habe ich meine ganze Ausrüstung auf den Kitzinger Marktturm geschleppt und von oben aufgenommen“) und das dritte Schwanbergrennen filmte er mit zwölf verschiedenen Kameras und fügte danach alles zusammen – „der Film hat über 2000 Klebestellen“, erzählt er und schmunzelt.
Sein aufwendigstes Projekt ging über mehrere Wochen: 1975 hat er die letzte Dampflok zwischen Etwashausen und Gerolzhofen gefilmt und ist dafür mehrmals sowohl auf der Lok mitgefahren, als auch mit dem Auto nebenher – am Steuer saß ein Freund von ihm, er selbst kauerte mit Stativ und Kamera im geöffneten Kofferraum. „Ich war ein totaler Narr“, sagt er. 40 bis 50 Filmspulen hat er davon noch, die darauf warten, digitalisiert zu werden. Nur eines der vielen Vorhaben, die Günter Streit für den Ruhestand gefasst hat.