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Fußgänger vom Müllwagen erfasst


Autor: Frank Weichhan

Sickershausen, Donnerstag, 28. Sept. 2017

Ein Rentner will die Straße überqueren - und wird von einem anfahrenden Müllwagen erfasst. Am Kitzinger Amtsgericht ging es jetzt um die Schuldfrage.
Am Morgen des 21. Februar wurde ein Rentner in der Kitzinger Kaiserstraße von einem Müllfahrzeug angefahren – jetzt musste sich der Fahrer vor Gericht verantworten.Archivfoto: Siegfried Sebelka


Wenn die Zeugin nicht aus Leibeskräften geschrien hätte – man mag sich nicht ausmalen, was passiert wäre. Der Schrei ließ den Fahrer des Müllwagens auf die Bremse treten. Es ging um Zentimeter, es ging um Leben und Tod. Unter dem Laster lag ein 77-jähriger Rentner, dem Vorderrad bedrohlich nahe.

Es ist der 21. Februar dieses Jahres. In Kitzingen werden die Gelben Säcke eingesammelt. Alle paar Meter stoppt der Müllwagen, damit im Heckbereich zwei Mitarbeiter die Säcke einsammeln und in den Wagen werfen können. Gegen 8.20 Uhr, es ist gerade hell geworden, ist das Sammelfahrzeug in der Kitzinger Kaiserstraße in Richtung Königsplatz unterwegs. Als der Laster kurz nach einem Zebrastreifen hält, nimmt das Unglück seinen Lauf.

Ein 77-Jähriger war gerade beim Bäcker und will die Kaiserstraße hin zum Königsplatz überqueren. Den stehenden Müllwagen nimmt er wahr, eine Gefahr erkennt er nicht. Er ist gerade losgelaufen, als der Müllwagen wieder anfährt und den Rentner frontal erwischt.

Der angefahrene Mann trägt erhebliche Verletzungen davon, vor allem mehrere Rippenbrüche machen ihm zu schaffen. Gut eine Woche muss der Rentner im Krankenhaus bleiben. Danach geht er zusammen mit seiner Frau, die er eigentlich pflegen müsste, für einen Monat in ein Pflegeheim.

Immer noch Schmerzen

Auch sieben Monate später klagt der Mann noch über Schmerzen. Hör- und Sehfähigkeit seien „schlechter geworden“, überhaupt habe irgendwie „alles nachgelassen“. Auto- und Radfahren sind bis zum heutigen Tag gestrichen. Das Paar wohnt zwar wieder daheim, braucht allerdings eine Haushaltshilfe, um über die Runden zu kommen.

Die juristische Aufarbeitung des Falles sollte per Strafbefehl über die Bühne gehen: 15 Tagessätze zu je 40 Euro hätte der 43-jährige Berufskraftfahrer zahlen sollen. Dagegen legte er Widerspruch ein, weshalb der Unfall nun zu einem Fall für den Kitzinger Strafrichter wurde. Als Nebenkläger tritt der 77-Jährige auf, der sich an den eigentlichen Vorfall nicht erinnern kann und fest davon ausgeht, über den Zebrastreifen gelaufen zu sein.

Nicht am Überweg

Das kann allerdings nicht stimmen, wie sich schnell zeigen soll: Der Laster erwischte den 77-Jährigen etwa zehn bis 15 Meter entfernt von dem Überweg. Und es wird in der Verhandlung auch klar, dass der Fußgänger direkt vor dem Fahrzeug über die Straße wollte – und sich damit just beim Anfahren vermutlich – trotz aller Zusatzspiegel – im toten Winkel des Fahrers befand.

Der Angeklagte zieht es vor zu schweigen und seinen Verteidiger sprechen zu lassen. Der macht klar, dass es letztlich auch für seinen Mandanten um einiges geht: Wenn der Führerschein in Gefahr gerät, droht die Arbeitslosigkeit.

Wie das mit dem toten Winkel war und welche Schuld den Fahrer womöglich trifft – genau das hätte die Nebenklage gerne geklärt und plädiert deshalb dafür, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Letztlich aber wertet das Gericht die Schuld des Fahrers als nicht so hoch – und stellt das Verfahren gegen Zahlung von 1000 Euro ein. Über das Geld darf sich die Aplawia in Kitzingen freuen.

Kampf ums Geld

Ausgestanden ist die Sache damit jedoch nicht: Zivilrechtlich wird alles noch einmal aufgerollt, dann geht es ums Geld. Bisher, so wurde bei der Verhandlung deutlich, zahlte die Versicherung des Berufskraftfahrers nicht wirklich viel, weil sie an ein minimales Verschulden des Fahrers glaubt. Auch der Verteidiger des 43-jährigen Mannes ist sich sicher, dass sein Mandant trotz des Unfalls die nötige Sorgfaltspflicht an den Tag gelegt hatte.