Was sind die Hauptprobleme, vor denen pflegende Angehörige stehen?
Petra Dlugosch: Die Organisation des Pflegealltags, aber auch die psychische Belastung, die Sorge, wenn der Erkrankte zum Beispiel mit Demenz alleine zuhause sein muss, weil man selbst berufstätig ist. Demenzkranke wirken oft noch sehr fit, sind es auch in vielerlei Hinsicht, aber die Situation ist unberechenbar und oft gefährlich. Bislang gibt es viel zu wenig Tagespflege- und Kurzzeitpflegeplätze. Es gibt so gut wie keine buchbare 24-Stunden-Betreuung, obwohl Tages- und Nachtpflege ein gesetzliches Angebot ist. Ähnlich verhält es sich bei haushaltsnahen Dienstleistungen. Diese Angebote müssen erst noch geschaffen werden. Wer 24 Stunden pflegt, das heißt auch nachts oft nicht ungestört schlafen kann, brennt schnell aus und wird selbst krank.
Wie können Pflegende Freiräume und Entastung bekommen?
Petra Dlugosch: Wir vermitteln Helfer für zuhause und schaffen Betreuungsangebote, um einen Nachmittag frei zu haben. Auch gibt es Urlaubs- und Erholungsangebote mit und ohne Erkrankten. Wir besprechen und helfen bei der Planung, um ein Pflege- und Hilfsnetz aufzubauen und dabei die ganze Familie sowie Freunde und auch Nachbarn einzubeziehen. Netzwerke in der unmittelbaren Umgebung aufbauen, das könnte in Zukunft helfen, diese Aufgabe zu bewältigen.
Helfer für zuhause, das klingt gut. Wer leistet diese Hilfe?
Petra Dlugosch: Wir bilden ehrenamtliche Mitarbeiter aus, die gegen eine Aufwandsentschädigung in die Familien gehen und unterstützen. Unsere Helfer sind zum Beispiel Frauen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die auf diese Weise erste Erfahrungen im Bereich Pflege und Betreuung sammeln können, dabei Deutsch lernen und anwenden können. Dies trägt bei zur Integration und im besten Fall entscheiden sich diese Frauen dann, eine erste Pflegeausbildung aufzunehmen. Weiterhin sind viele unserer Teilnehmer Senioren, die gerade in den Ruhestand gewechselt sind, nicht zuhause bleiben wollen, die eine Aufgabe suchen und natürlich viele Frauen, die dadurch die Gelegenheit haben, ihre oft knappe Rente ein wenig aufzubessern.
Warum kommen Pflegende zu Ihnen in die Beratungsstelle?
Petra Dlugosch: Sie werden vom Hausarzt oder Neurologen geschickt, manchmal auch von den Pflegekassen. Sie suchen Hilfe, um die neue Situation zu bewältigen. Sie verstehen die Leistungen der Pflegekassen nicht und wie sie verwendbar sind. Wer sich nicht beraten lässt, verschenkt oft jahrelang Leistungen, die ihm zustehen und die seine Situation erleichtert hätten. Eine Diagnose Demenz verändert oft von einem auf den anderen Tag alle Zukunftspläne. Da gibt es viel Gesprächsbedarf, um das erst einmal zu verkraften.
Bayern hat ein Landespflegegeld beschlossen. So sollen Pflegende einen Zuschuss von 1000 Euro im Jahr bekommen. Begrüßen Sie das oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Petra Dlugosch: Das ist erst einmal gut. Wichtig ist zu klären, wofür das Geld verwendet werden darf, welche Regularien und bürokratischer Aufwand damit verbunden sind.
Wer Angehörige pflegt, muss beruflich kürzer treten und kann weniger für seine eigene Rente tun. Was könnte der Staat tun, um Pflegende finanziell besser zu stellen?
Petra Dlugosch: Stationäre Pflege ist teuer, da darf Familienpflege im Vergleich nicht billig sein, billig auf Kosten der pflegenden Angehörigen. Die meisten Angehörigen pflegen gerne, sind glücklich, wenn sie etwas an ihre Elterngeneration zurückgeben können. Aber wenn sie darüber im Alter selbst finanziell bedürftig werden oder durch die Pflege krank werden, ist der Gesellschaft nicht gedient. Eine gute Lösung wäre eine Pflegezeit, ähnlich wie die Elternzeit, finanziell abgesichert und mit Rückkehrrecht in die vorherige berufliche Tätigkeit. Natürlich mit Rentenausfallzeiten, wie bei der Kindererziehung.
Zur Person
Petra Dlugosch leitet die Fachstelle für pflegende Angehörige mit Schwerpunkt Demenz der Caritas in Kitzingen. Die Gerontologin und Sozialpädagogin spricht auch beim Diözesanfamilienrat am Samstag, 21. April, über das Thema Sandwich-Generation: Kindererziehung, Beruf und Pflege – ein Leben im Dauerstress. Bedingt durch die Verlängerung der Ausbildung und eine oft spätere Elternschaft ergeben sich für viele Frauen und Männer im mittleren Lebensalter neue Herausforderungen. Welche Hilfen und Unterstützung benötigen Familien, um nicht an dieser Dreifachbelastung zu zerbrechen? Der Diözesanfamilientag findet im Burkardushaus in Würzburg statt und beginnt um 10 Uhr. Für eine Kinderbetreuung ist gesorgt.