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Folgenreiche Begegnung am Container


Autor: Frank Weichhan

Kitzingen, Mittwoch, 21. Juni 2017

Er ist 89 und er ist zum ersten Mal vor Gericht - wegen angeblicher Unfallflucht. Angezeigt von einer Nachbarin. Von dem Vorwurf bleibt am Ende nichts übrig.
Strafrecht (Symbolbild)


Jetzt mit 89 ist es an der Zeit, vom Autofahren Abschied zunehmen. Nach zuletzt einigen gesundheitlichen Problemen steht für den Rentner fest, sich nicht mehr hinters Steuer setzen zu wollen. Wobei die Entscheidung nichts mit einem Vorfall zu tun hat, der sich Ende 2015 zutrug und der ihm den Vorwurf der Unfallflucht samt einer Verhandlung vor dem Kitzinger Strafrichter Peter Weiß einbrachte.

Ausgerechnet Heiligabend

Die Geschichte trug sich ausgerechnet an Heiligabend zu. Der 89-Jährige fuhr zum Glascontainer, um vor dem Fest mal eben noch ein paar leere Flaschen loszuwerden. Diese Idee hatte auch eine Nachbarin, die keine 200 Meter von dem betagten Mann entfernt wohnt. Wobei man sich wahrscheinlich auch so kennen würde – weil in dem kleinen Ort jeder so ziemlich jeden kennt.

Beim Ausparken passierte es dann: Der 89-Jährige rollte beim Rückwärtsfahren gegen den Polo der Frau. Beide sahen sich danach das Malheur an, wobei sich scheinbar „ein kleiner Kratzer im Nummernschild“ des Polos fand. Der Wagen des Mannes hatte nichts abbekommen.

Man ging schließlich einig auseinander: Falls doch noch was sein sollte, sei ja klar, wo der andere wohnt. Umso erstaunlicher, dass plötzlich schwere Geschütze aufgefahren wurden: Dem Rentner wurde vorgeworfen, er habe Unfallflucht begangen. Eine Stunde nach der Begegnung am Container klopften die Polizeibeamten bei ihm an. Und: Der Schaden lag plötzlich bei über 950 Euro.

Menschlich enttäuschend

Dass ihn die Nachbarin der Unfallflucht bezichtigte und er jetzt auf der Anklagebank sitzt, kann er nicht verstehen. „Wir kennen uns seit Jahrzehnten“, erzählt er dem Gericht. „Menschlich enttäuschend“ sei das. Zumal er mit seinen 89 Jahren jetzt erstmals – weil er einen Strafbefehl über 2600 Euro nicht akzeptieren wollte – vor Gericht musste. Er fühle sich „keiner Schuld bewusst“. Damals sei ihm wegen der „Lappalie“ beispielsweise gar nicht in den Sinn gekommen, die Polizei zu rufen: „Man blamiert sich ja!“

Gab's ein Missverständnis?

Vielleicht, mutmaßt die Staatsanwaltschaft, habe damals ein Missverständnis vorgelegen und man habe aneinander vorbeigeredet. Klar ist: Eine Unfallflucht war das nicht. Bevor noch mehr Staub aufgewirbelt wird und Zeugen und eine inzwischen sogar beauftragte Gutachterin gehört werden, entscheidet das Gericht salomonisch im Sinne des Nachbarschaftsfriedens. Das Motto heißt: Deckel drauf, das Verfahren wird ohne Auflagen eingestellt.