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Erbitterter Iphöfer Handelsstreit


Autor: Eike Lenz

Iphofen, Donnerstag, 30. März 2017

In Iphofen wurde ein „Filetgrundstück“ verkauft - dort soll Rewe eröffnen. Der benachbarte Edeka-Markt fühlt sich bedroht. Bürgermeister Josef Mend aber auch.
Filetgrundstück mit Ramsch-Immobilie: Wenn in Iphofen erst einmal der alte Penny-Markt verschwunden ist, bieten sich dem Neuankömmling Rewe beste Perspektiven. Im Hintergrund der Edeka-Markt.


Mitte Dezember vergangenen Jahres lassen in der Rottendorfer Edeka-Zentrale die beiden leitenden Angestellten Christoph Grundmann und Florian Hofmeister ein zweiseitiges Schreiben aufsetzen.

Adressiert an die „Stadt Iphofen, Herrn Bürgermeister Mend – persönlich“, wenden sie sich im Weiteren an die „Sehr geehrten Damen und Herren des Stadtrats“ – und weil Weihnachten bevorsteht, endet der Brief mit den besten Wünschen für ein besinnliches Fest. Sonst aber ergehen sich die Verfasser nicht in Formeln und Höflichkeiten, sondern blasen, nun ja, zum Angriff.

Edeka fühlt sich bedroht

Es geht um Marktanteile und Marktpositionen; um einen Verdrängungswettbewerb und Verteilungskämpfe; um Hoffen und Bangen. Edeka fühlt sich bedroht, Edeka fürchtet um seine Pfründe. Mend sieht in dem Brief eine „Drohung“.

Anfang des Jahres 2012 hat Edeka in Iphofen einen großen Markt eröffnet, direkt hinter dem bestehenden Penny-Markt. Lebensmittel auf rund 1800 Quadratmetern, dazu Metzger, Bäcker und ein umfassendes Getränkeangebot. Betrieben wird der Markt von Wolfgang Stampfer – er hat ihn von Edeka gemietet und führt ihn als selbstständiger Kaufmann. Unlängst haben in der Nachbarschaft Aldi und Rossmann aufgemacht.

Es droht echte Konkurrenz

Edeka, Rossmann und Aldi – diese Drei könnten selbst nach eigener Einschätzung gut in symbiotischer Gemeinschaft miteinander leben. Sie profitierten sogar voneinander. Jetzt aber droht zumindest Edeka echte Konkurrenz: Durch einen Rewe-Vollsortimenter mit über 15 000 Artikeln. Er soll an der Stelle des mittlerweile geschlossenen Penny-Marktes gebaut werden – moderner und größer, als Penny es je gewesen ist.

Zwei Monate, nachdem bei Edeka in Rottendorf alle Alarmglocken geschrillt sind, setzt der Bayreuther Immobilienhändler Michael Krause seine Unterschrift unter einen Vertrag. Es ist der Kaufvertrag für das Penny-Areal. Einen Vorvertrag mit Rewe hat Krause da bereits geschlossen. Er will dort selbst einen Markt bauen lassen, runde 1400 Quadratmeter groß, und ihn an den Handelsriesen vermieten.

Hoffnungen sind zunichte

Mit einem Federstrich sind damit die Hoffnungen von Edeka zunichte. Bis zuletzt hat die Zentrale in Rottendorf beim Stadtrat darum geworben, ihre „Argumente und Anregungen in die Diskussion über die Zukunft des Penny-Areals einzubeziehen“ – erfolglos, so viel steht fest. Dafür hat sich jetzt eine Situation ergeben, die „unseren selbstständigen Kaufmann vor Ort in erhebliche Schwierigkeiten bringen“ werde.

Als das Schreiben vom 16. Dezember 2016 Bürgermeister und Stadtrat erreicht, hat es offenbar sein Verfallsdatum schon überschritten. Denn zu dieser Zeit steht Michael Krauses Immobilienunternehmen bereits in engen Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer, einem dänischen Fonds.

Millionen für ein „Filetgrundstück“

Rund 1,4 Millionen Euro sind aufgerufen für ein „Filetgrundstück“ (Krause) – 7500 Quadratmeter groß, an der Hauptverkehrsachse nach Iphofen und einer hochfrequentierten Bundesstraße gelegen. Wie viel Krause den Dänen genau überwiesen hat, sagt er nicht.

Es ist ein Dreiecksgeschäft mit Gewinnern und Verlierern. Auf der Sonnenseite: Krause und sein Unternehmen, die Rewe-Gruppe und der dänische Fonds. Verlierer sind der Edeka- Kaufmann Wolfgang Stampfer, dem Konkurrent Rewe das „Wasser abzugraben“ versuche, wie er die Iphöfer Stadträte in einem Schreiben Anfang März wissen lässt. Verlierer sind auch die nicht wenigen Interessenten, die mit dem Penny-Grundstück das Ziel verfolgten, eine gewisse Vielfalt nach Iphofen zu bringen.

Ist die Stadt Gewinner oder Verlierer?

Zu welcher Kategorie – Gewinner oder Verlierer – die Stadt gehört, ist für Josef Mend nicht einfach zu beurteilen. „Ich habe lange mit mir gekämpft“, sagt er. „Aber was wäre gewesen, wenn wir der Voranfrage von Rewe nicht zugestimmt hätten?“

Anfang März tritt Krause mit dem weit gediehenen Projekt im Stadtrat auf, an seiner Seite zwei leitende Angestellte von Rewe – der Expansionsmanager Alexander Pavlovic und Bezirksmanager Volker Müller. Die drei verstehen ihr Geschäft, präsentieren dem spürbar aufgekratzten und verunsicherten Gremium die bunte Rewe-Welt – und die trostlose Alternative gleich mit dazu: Jahrelanger Leerstand einer schon jetzt ziemlich vergammelten Immobilie, und das alles an der Hauptzufahrt in die Stadt. Das könne keiner wollen. Platzt der Deal, kann Krause das Grundstück an den dänischen Fonds zurückgeben – und was dann komme, liege nicht in der Hand des Rats.

Viel ist möglich, nur kein Sexkino und Spielotheken

Außer Spielotheken und Sexkinos, die der Stadtrat durch eine Änderung des Bebauungsplans ausgeschlossen hat, ist an dieser Stelle des Sondergebiets vieles möglich. Aber es gibt ein Schreckgespenst, das in dieser Nacht wie ein Phantom über dem Ratstisch kreist: Es ist der Ein-Euro-Billigladen.

Lieber das sichere Geschäft mit Rewe als die Ungewissheit, was aus der Fläche und dem Objekt wird, wenn beides an den Fonds zurückfällt. Das ist es, was Mend meint, wenn er sagt, er habe lange mit sich gerungen. „Ich möchte mir nicht vorwerfen lassen“, sagt er, „die Entwicklung verschlafen zu haben.“

Drohgebärde und fette Gewinne

Jetzt muss er sich vorhalten lassen, im Sinne einer schnellen Lösung die „erstbeste Nutzung akzeptiert“ sowie sich „den Wünschen eines Investors gebeugt“ zu haben. So steht es in der Weihnachtspost aus der Edeka-Zentrale.

Die zarten Hinweise auf drohende Umsatzrückgänge, auf Kosteneinsparungen und nicht zuletzt auf Personalabbau interpretiert er als Drohgebärde eines Unternehmens, das in den letzten 20 Jahren „fette Gewinne abgeschöpft“ und sich wenig um das Wohl der Stadt geschert habe. Pläne, ein Konsortium zu gründen aus Aldi, Rossmann, Edeka und der Stadt, mit dem Ziel, das Grundstück zu kaufen und so die Gestaltungshoheit zu gewinnen, seien letztlich am Kaufpreis gescheitert.

Bewerber beissen sich am Kaufpreis die Zähne aus

An diesem Preis – so ist sich Mend mit Immobilienexperten wie Krause einig – würden sich Bewerber aus lebensmittelfernen Branchen die Zähne ausbeißen. Zwar sind die Margen im Lebensmitteleinzelhandel gering, die Renditen liegen bei ein oder zwei Prozent, aber die Umsätze sind hoch genug, um weitaus höhere Mieten zu stemmen als etwa ein Baumarkt.

Der Bürgermeister erwähnt in der Ratssitzung im März nichts davon, dass immer wieder Anfragen nach dem Penny-Gelände im Rathaus eingegangen seien.

Interessenten bekommen von der Verwaltung die bekannten Kontaktdaten des Grundstückseigentümers, Telefon- und Fax-Nummern, E-Mail-Adressen, Handynummern, das ganze Programm. Das bestätigen Werner Vogl von Fishbull, einer Sonderpreis-Baumarktkette mit deutschlandweit rund 200 Filialen, und Michael Batzner, Mitglied im Aufsichtsrat der Hagebau-Gruppe, in der 370 mittelständische Händler der Baustoffbranche in Europa vereint sind.

Nur Susanne Dörr von der hessischen RL Fundgrube, Sonderpostenmarkt für Textilien, Garten- und Haushaltsartikel, erhält auf ihre Anfragen im Dezember, Februar und März nach eigenen Worten keine Antwort, während Batzner und Vogl die Stadt Iphofen für die rasche, umfassende Auskunft loben. Weiterkommen sie in ihren Vorhaben trotzdem nicht.

Iphofen für klassische Baumärkte nicht interessant genug

Vogl versucht in der Zeit um Weihnachten 2016 und auch Anfang dieses Jahres mehrmals, Kontakt aufzunehmen – am Telefon hebt nie einer ab, und auf seine Mails kriegt er keine Antwort. Auch Batzner sagt: „Ich habe es über zwei, drei Monate probiert, aber nie eine Reaktion bekommen.“ Vielleicht, weil der Deal längst gelaufen war?

Heimwerkerbedarf zur Nahversorgung bieten Hagebau und Fishbull an, auf 1000 bis 1600 Quadratmetern, genau das Sortiment, das viele in Iphofen sich angeblich wünschen. Batzner räumt allerdings ein: „Wir haben noch keine betriebswirtschaftlichen Analysen gemacht.“ Ob er die Miete hätte schultern können, ist ungewiss. Für die klassischen Baumärkte wie OBI ist Iphofen ohnehin nicht interessant genug – zu klein, zu wenig Kaufkraft.

Es gibt noch 6000 Quadratmeter Freifläche

„Wie konkret sind diese Anfragen der Baumärkte?“, fragt sich nicht nur Klaus Brehm, der CSU-Fraktionssprecher im Stadtrat. In der entscheidenden Sitzung Anfang März hat er für das Vorhaben Rewes gestimmt, zwei andere aus seiner Fraktion votierten dagegen. Auch aus der SPD und von den Freien Wählern gab es Neinstimmen.

Vielleicht wären die Verwalter des dänischen Fonds bereit gewesen, das Grundstück an Fishbull oder Hagebau oder einen anderen Baumarkt zu verpachten, wenn der große Deal mit Rewe geplatzt wäre – womöglich hätte das Areal aber auch lange leergestanden.

„Das alles ist rein spekulativ“, sagt Josef Mend. „Ich werde nie eindeutig sagen können, was gewesen wäre, wenn . . .“ Er sagt aber auch: „Wir haben im Gebiet da oben noch 6000 Quadratmeter Freifläche. Interessenten sind herzlich willkommen.“