Die Fernbedienung für das Leben

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"Hamburgs beste App" wird gekürt
Auch bei der Smartphone-Nutzung gelten die grundlegenden Regeln des Miteinanders. Was genau beim Umgang mit der „Fernbedienung für das Leben“ zu beachten ist, weiß ...
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Foto: Marcus Brandt (DPA)/Bezirksjugendring Unterfranken
Die Fernbedienung für das Leben
Lambert Zumbrägel ist Diplom-Sozialpädagoge und Medienpädagoge und seit 1992 in der verbandlichen und offenen Jugendarbeit als Bildungsreferent tätig ...
Die Fernbedienung für das Leben
 

Der richtige Umgang mit dem Smartphone ist für Eltern und Kinder nicht immer einfach. Der Medienpädagoge Lambert Zumbrägel weiß, warum das so ist - und hat Tipps parat.

Lambert Zumbrägel ist Diplom-Sozialpädagoge und Medienpädagoge und seit 1992 in der verbandlichen und offenen Jugendarbeit als Bildungsreferent tätig.

Seit 2008 arbeitet er als Medienfachberater beim Bezirksjugendring in Würzburg und hält auch Vorträge – wie diese Woche in Dettelbach – zum Umgang mit dem Smartphone.

Frage: Wie oft schauen Sie am Tag auf Ihr Smartphone?

Lambert Zumbrägel: Ich schätze bis zu 100 mal.

Ab welchem Alter kann einem Kind guten Gewissens ein Smartphone in die Hand gedrückt werden?

Zumbrägel: Das ist keine Frage des Alters, sondern der Zuverlässigkeit, des Vertrauens in das Kind und seine Fähigkeiten, damit um zu gehen. Sinn macht ein Smartphone meiner Meinung erst ab frühestens zehn Jahren. Da wandelt sich das soziale Umfeld und mit dem Smartphone kann man das neue Umfeld organisieren.

Welche Regeln sollten beachtet werden?

Zumbrägel: Grundlegende Regeln des Miteinanders. Als kürzeste Regel vielleicht: Habe Respekt vor Menschen, Inhalten, Meinungen im Netz.

Es gibt kaum Unterstütung für Eltern, sich Medienerziehung anzueignen. Zumbrägel: Eltern haben die digitalen Welten nie als Kind oder Jugendliche selber erlebt, sondern erst später als Produktionswerkzeug mühsam erlernt. Daher kennen sie die Welten nicht aus eigener Erfahrung. Gleichzeitig wird der Selbstschutz immer wichtiger. Vor vielen Dingen kann der Staat oder Anbieter

die Kinder und Jugendlichen nicht mehr schützen. Das macht Eltern unsicher bis ängstlich und sie fühlen sich überfordert. Manche sind es auch und lassen die Medienerziehung schleifen. Es gibt aber auch kaum Unterstützung für Eltern, sich Medienerziehung anzueignen.

Wo liegen die Vorteile beim 'Spielzeug Smartphone'?

Zumbrägel: Es ist kein Spielzeug, sondern ein Werkzeug. Spielen tun Kinder damit. Jugendliche sind da schon mehr am produzieren und kommunizieren. Es ist immer verfügbar, vernetzt und ein tolles Werkzeug für Medienproduktionen. Es ist die Fernbedienung für das Leben geworden. Es kann helfen die Welt zu verändern.

. . . und wo die Nachteile?

Zumbrägel: Die Medienproduktion schließt Verantwortungsübernahme für die produzierten Dinge mit ein. Das ist neu, dass jeder plötzlich 'Journalist' ist und veröffentlicht. Die Verantwortung für meine erstellten Bilder, Videos, Artikel muss ich auch tragen können. Hinzu kommt, dass das Smartphone grenzenlos Daten über uns sammelt. Es ist sozusagen eine freiwillig getragene Wanze. Was mit den Daten passiert, ist sehr abstrakt.

Woher kommt eigentlich die Smartphone-Faszination?

Zumbrägel: Das Smartphone ist eine eierlegende Wollmilchsau. Ich kann nicht nur alle Medien damit konsumieren, ich kann sie auch produzieren. Ich kann mich vernetzen und gleichzeitig ist es ein privates, intimes Gerät, welches so klein ist, dass ich es immer mit mir tragen kann. Hinzu ist es auch für Kinder und Jugendliche finanzierbar. Das macht es zum universellem Mediengerät. Kinder und Jugendliche beantworten sich auch existenzielle Fragen wie 'Wer bin ich?', 'Wer will ich sein?' und 'Werde ich geliebt?' über soziale Netzwerke. Nicht umsonst muss man zuerst in jedem sozialen Netzwerk ein Profil anlegen. Soziale Netzwerke haben zudem Information mit Beziehung verknüpft. Das macht die sozialen Netze so bedeutsam. Wichtiger als die Tagesschau ist das, was meine Familie, meine Freunde und Bekannten sagen, erleben, berichten.

Ersetzt das Smartphone langsam den Fernseher?

Zumbrägel: Nicht unbedingt das Smartphone, eher ersetzt das Internet das terrestrische Fernsehen. Große Bildschirme wird es weiter geben. Aber die Inhalte kommen on demand und gestreamt, nach Bedarf und nicht nach Programmzeitschrift. Bestes Beispiel ist der neue öffentlich rechtliche Jugendsender 'funk'. Ihn gibt es nur via Internet und App. Viele Jugendliche nutzen das Smartphone als Fernseher. Das fördert das individuelle Alleinekucken. Ein großer Bildschirm ist aber so schnell nicht verschwunden.

Was sollten Eltern auf keinen Fall erlauben?

Zumbrägel: Das hängt vom Kind ab. Mit Fremden ein reales Treffen auszumachen, ist ein No-Go. Tauschbörsen für Musik oder Film zu benutzen sollten sie verbieten. Da schreibt der Anwalt.

Weitere Ratschläge?

Zumbrägel: Eltern müssen mit ihren Kindern über Medien im Gespräch bleiben. Sie müssen Ihnen Aufgaben stellen, ohne es besser zu wissen. An den Aufgaben können Kinder wachsen. Sie müssen mit den Kindern mitlernen.

Wie sieht die Arbeit der Medienfachberatung Unterfranken aus?

Zumbrägel: Die Medienfachberatung gibt es in allen bayerischen Bezirken und hat in erster Linie die Aufgabe, Medienpädagogik in die außerschulische Jugendarbeit zu bringen. Träger sind in der Regel die Bezirksjugendringe oder Bezirke. Dabei soll die Medienpädagogik nicht als eigenständige Disziplin, sondern in die Ziele der Jugendverbände integriert werden. Persönlichkeitsbildung und soziales Miteinander sind Themen, die auch in Bezug auf Medien diskutiert werden müssen. Mehr unter www.medienfachberatung.de .