Der Verein für traditionelle Kampfsportarten und Rehabilitationssport e.V. (VKR) lud zur ersten Mitgliederversammlung nach Wiesenbronn. Er besetzt eine kleine, aber umso wichtigere Nische - und kann erste Erfolge feiern.
Ein altes Sprichwort besagt, dass sich Gegensätze anziehen. Man könnte jetzt vermuten, dass es bei diesem Verein ähnlich ist, denn zumindest als Laie erlebt man im Kampfsport Menschen mit großer Energie und viel Kraft. Ziel des Reha-Sports dagegen ist es, überhaupt wieder Kraft aufzubauen und Bewegung möglich zu machen. Wie passt das also zusammen?
Der Schriftführer des VKR, Horst M. Kohl, begegnet dieser Frage mit einem Lächeln: "Da gibt es keinen Gegensatz", sagt er. "Der Kampfsport bietet unendlich viele Möglichkeiten, Menschen mit Handicaps zu fördern". Der Fachsportlehrer erzählt von Menschen, die seelisch oder auch körperlich das Gleichgewicht verloren haben, ihre Koordination wieder erlangen wollen oder generell kein Selbstvertrauen mehr besitzen.
"Wir nehmen die überaus bewussten Bewegungen des Kampfsports und verlangsamen sie behindertengerecht, so dass jeder davon profitieren kann".
Nur noch 30 Prozent Leistung Kohl weiß von was er spricht. Ein Hinterwand-Infarkt hat sein Leben vor einigen Jahren auf den Kopf gestellt. "Von ehemals 100 Prozent konnte ich nur noch 30 Prozent Leistung bringen", sagt er, der beruflich im Rettungsdienst stets an die Grenzen ging. Für einen Moment sah es so aus, als käme er selbst nicht mehr richtig auf die Beine. Aber seine Frau, selbst Krankenschwester und damit sicher nicht die schlechteste Begleiterin, und seine Freunde haben ihn gefordert und gefördert. Der einstige Taekwondo-Lehrer hat die Lizenz zum Übungsleiter im Reha-Sport erworben.
Mit sechs Kollegen aus der Kampfsportschule Müller in Geesdorf hat er dann Mitte August letzen Jahres den Verein gegründet, dessen Schriftführer er heute ist.
Im ersten Jahr hat er auch gleich einige wichtige Weichenstellungen vorangetrieben. Die Gemeinnützigkeit ist beim Finanzamt Schweinfurt angemeldet und bestätigt worden. Dies war dann überhaupt die Voraussetzung, um Mitglied im Bayerischen Landessportverband e.V. zu werden. "Eine klassische Sportschule darf nicht Mitglied im BLSV sein", erklärt Kohl. Nachdem auch diese Hürde genommen wurde, konnten Zuschüsse für Judo-Matten und Reha-Geräte beantragt werden. Ein betreuender Arzt wurde mit Dr. Klaus Kolbert in Wiesentheid gefunden. Damit war dann letztendlich der Weg für die Zulassung bei den Krankenkassen frei.
Somit können die Trainierenden zwischen 50 und 120 Trainingseinheiten beantragen und über die Krankenkassen auch abrechnen.
39 Mitglieder mit geistiger oder körperlicher Behinderung sind dem Verein im ersten Jahr beigetreten. "Ich erlebe hier Menschen, die alle Fortschritte machen und kann jeden daher nur einladen, bei uns anzufangen", erklärt Kohl.
Blasrohrsport etablieren Ein großes Anliegen des Vereins ist es jetzt, den Blasrohrsport im Reha-Bereich zu verankern und als Behindertensport anerkennen zu lassen. "Wir erzielen damit wirklich sehr große Erfolge", betont Kohl. Insbesondere für Rollstuhlfahrer sei diese Sportart mit enormen Vorteilen verbunden. "Der ganze Oberkörper muss aufgerichtet werden, die inneren Organe werden dadurch entlastet und die Atemtechnik verbessert sich".
Die damit verbundenen Erfolgserlebnisse förderten auch das Selbstbewusstsein der Behinderten. Erste Aktionsveranstaltungen für die neue Reha-Sportart in der Schweinfurter Lebenshilfe e.V.
seien daher sehr gut angenommen worden. Der Antrag beim BLSV ist derzeit aber noch in der Schwebe. Ein Entscheid diesbezüglich steht noch aus.
Für das kommende Jahr hat der VKR auch schon die ersten Aktionen geplant. Am 10. März werden Rollstuhlfahrer aus den benachbarten Landkreisen zu einer "Mitmach-Informations-Veranstaltung" in die Steiger-waldhalle nach Wiesentheid eingeladen. Dafür konnte der bekannte Ju-Jutsu-Trainer Rainer Fiedler gewonnen werden. Im Zentrum dieser Veranstaltung stehen dann auch leichte Selbstverteidigungstechniken und der Blasrohrsport.
Am 23. März 2013 nimmt der VKR dann an den "Bad Kissinger Kampfsport Open" teil. Erstmals wird dort der Behindertensport unter dem Dach der Veranstaltung integriert. "Wir sind dabei", versichert Horst Kohl, "und werden zeigen, dass Behinderte in ihrem Sport ganz starke Leistungen erzielen".