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Brüsselsche Handelsschule hatte Weltruf


Autor: Norbert Bischof

Segnitz, Mittwoch, 07. Dezember 2016

Zwischen 1848 und 1881 gab es in Segnitz die „Brüsselsche Handelslehr- & Erziehungsanstalt“, eine Handelsschule mit Internat. Gründer war Julius Brüssel.
Die Ortsansicht mit dem alten Wehrturm und dem ehemaligen Brüsselschen Internat gilt heute als Wahrzeichen von Segnitz.


Zwischen 1848 und 1881 gab es in Segnitz die „Brüsselsche Handelslehr- & Erziehungsanstalt“, eine Handelsschule mit Internat, die im Laufe ihres Bestehens nicht nur in jüdischen Kaufmannskreisen in aller Welt große Beachtung fand. Gründer und Namensgeber war der jüdische Religionslehrer Julius Brüssel.

Brüssel wurde am 8. Dezember 1801 in Hollstadt bei Bad Neustadt/Saale als Sohn des Metzgers Moses Brüssel und seiner Frau Jette geboren. Mit „höchster Entschließung der K. Regierung des Untermain-kreises“ vom 27. September 1830 wurde der „von der Judenschaft zu Seegnitz zum Religions-Lehrer und Vorsänger in Vorschlag gebrachte Lehramtskandidat Julius Brüssel“ bestätigt und von der Kultusgemeinde angestellt. 1834 heiratete er Johanna Lindner, eine Tochter des israelitischen Religionslehrers Isaak Lindner und seiner Ehefrau Krandel aus Markt Erlbach. Dem Ehepaar werden in Segnitz eine Tochter Sophie (1839-1905) und ein Sohn Moritz (1842-1888) geboren.

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Julius Brüssel bildete sich neben seinem Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterdienst in Segnitz im Lehramt weiter. 1834 bestand er die Seminarabschlussprüfung als Schuldienstsexpektant für Elementarschulen und 1835 die Prüfung über praktische Ausbildung im Schulfach. Damit schuf er sich ein zweites berufliches Standbein als Privatlehrer. 1847 beschloss er, diese Lehrtätigkeit auszubauen und gründete im März 1848 mit landgerichtlicher Genehmigung und ausdrücklicher Billigung durch die Gemeinde Segnitz eine „Privat-Erziehungs- und Unterrichtsanstalt für jüdische, der Werktagsschule entlassene Söhne, welche sich dem Handelsstande widmen wollen, incl. Pensionath“.

Im März 1849 starb Brüssels Ehefrau Johanna und bereits im November desselben Jahres heiratete er Philippine Vögelein, die Tochter von Moses Lichtenfeld aus Kirchheim. Kurz vorher hatte er das Haus Nr. 65 (heute Mainstraße 26) von Gelcha Ballin, der Witwe des jüdischen Weinhändlers Samson Ballin, gekauft. Das Haus diente fortan als der „Cours“ dem Brüsselschen Erziehungs- und Handelsinstitut als Schul-, Wohn- und Verwaltungsgebäude.

Nach einem Bericht Brüssels an die Lokalschulinspektion im Jahr 1853 „befinden sich gegenwärtig 32 Zöglinge und zwar 24 ganze Pensionäre, die nebst dem Unterricht auch Kost und Logis in der Anstalt genießen, und acht, die nur dem Unterricht beiwohnen, Kost und Logis aber auswärts haben“. Die Anstalt war damit, abgesehen von zwei noch freien Unterrichtsplätzen, ausgebucht. Der gute Ruf und die damit verbundene starke Nachfrage nach dem Internat in Segnitz veranlassten Brüssel 1854 das Schulhaus am Main aufzustocken. Zu dieser Zeit war er allerdings bereits so sehr gesundheitlich angeschlagen, dass er sich im Synagogendienst immer häufiger vertreten lassen musste. Julius Brüssel starb am 2. November 1855.

Nach seinem Tod genehmigte man der Ehefrau Philippine Vögelein Brüssel die Weiterführung des Instituts. Die Schulleitung wurde dem Sprachenlehrer Professor Ernst Emil Uttner übertragen, der allerdings am 9. Februar 1859 starb. Ende März 1859 meldete die Lokalschulinspektion an die vorgesetzte Königliche Distrikts Schulinspektion in Kleinlangheim den Dienstantritt von Dr. Simon Levi Eichenberg als Direktor des Brüsselschen Instituts. Der aus Adelebsen bei Göttingen stammende Eichenberg war mit Sophie Brüssel, der Tochter des Schulgründers verheiratet. Unter Eichenberg, der bis 1872 Vorstand blieb, erlebte die Handels- und Erziehungsanstalt eine Blütezeit mit mehr als 150 „Zöglingen“, die Segnitz in der ganzen Welt bekannt machen sollte. Damit war allerdings der Zenit erreicht, zeichnete sich doch aufgrund der Wirtschaftskrise in der Folge des 1870/71er Krieges allmählich ein Rückgang ab, der die Schulleitung zwang, 1881 Schule und Internat zu schließen.