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Bauer sucht Blühpaten


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Donnerstag, 07. März 2019

„Wir sind ein Teil der Lösung“, sagt Helmut Schmitt. Und als solcher wollen die Landwirte auch betrachtet werden. Und nicht mehr als vermeintliche Problemverursacher.
Blühstreifen sind gut für die Artenvielfalt. Zwei Landwirte im Landkreis Kitzingen sind jetzt auf der Suche nach Blühpaten.


„Wir sind ein Teil der Lösung“, sagt Helmut Schmitt. Und als solcher wollen die Landwirte auch betrachtet werden. Und nicht mehr als vermeintliche Problemverursacher.

Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat für viel Bewegung gesorgt, aber auch für jede Menge Unmut. Die Vertreter der Landwirtschaft sahen sich nicht selten als Sündenböcke, als einzige Verursacher für den Rückgang der Artenvielfalt. Jetzt drehen sie den Spieß herum. In mehr als 80 bayerischen Gemeinden – Tendenz steigend – bieten Landwirte schon Blühpatenschaften an. (Karte unter www.bayerischerbauernverband.de. Im Landkreis Kitzingen kommen zwei dazu.

Drei Gläser Honig gibt's dazu

Sabine und Roland Keil leben in Hüttenheim. Ackerbau betreiben sie und seit vier Jahren eine Imkerei. Den Hof führen sie als Nebenerwerbsbetrieb. „Auch bei uns im Ort hat es Diskussionen gegeben“, erinnert sie sich. Rund 15 Prozent der Hüttenheimer haben sich in die Listen für das Volksbegehren eingetragen. Jetzt ist Sabine Keil gespannt, wie viele sich für ihr Projekt erwärmen.

Auf Facebook, bei ebay und auf ihrer Internetseite sucht sie seit ein paar Tagen Blühpaten. Das Konzept ist ganz einfach: Neben ihrem Grundstück liegt ein Acker, auf dem sie 1500 Quadratmeter als Blühstreifen anlegen will. Jetzt sucht sie Paten für je 50 Quadratmeter große Flächen. 39 Euro kostet so eine Patenschaft im ersten Jahr, 30 Euro ab dem zweiten. Sabine Keil will dafür den Boden bereiten, die Mischungen aussäen und die Dokumentation mitsamt den Verträgen übernehmen. „Wer will, kann auch ein Schild mit seinem Namen auf der Fläche haben“, sagt sie. Obendrein gibt es drei Gläser Honig und ein Saatpäckchen für daheim. Wer will, kann sich „seine gesponsorte, blühende Landschaft“ jederzeit anschauen. Sabine Keil überlegt, ob sie vielleicht sogar eine Bank aufstellt, damit kommende Paten die blühende Pracht ausgiebig bewundern können.

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Resonanz ist noch verhalten

„Diejenigen, die beim Volksbegehren unterschrieben haben, müssen jetzt auch aktiv etwas dafür tun“, fordert sie. Die Resonanz nach einer Woche ist allerdings übersichtlich: Ein einziger Pate hat sich gemeldet. Immerhin: Der Facebook-Post ist sehr oft angeklickt worden. Sabine Keil hofft auf weitere Interessenten.

Horst Schmidt hegt die gleiche Hoffnung. Er ist Landwirt in Obernbreit. Am Freitag hat er im örtlichen Anzeiger sein Angebot geschaltet: Für 50 Cent Obolus pro Quadratmeter können auf seinem Acker Blühmischungen ausgebracht werden – entweder in Eigeninitiative, „oder wir pflanzen gemeinsam.“ Interessierte Paten können Grundstücke zwischen 50 und 100 Quadratmeter Größe wählen. „Bislang gab es noch überhaupt keine Resonanz“, bedauert er. „Dabei haben sich 18 Prozent der Obernbreiter für das Volksbegehren eingetragen.“

Genau das ärgert Helmut Schmitt am meisten. „Die Bereitschaft, selber etwas zu tun, ist anscheinend nicht da.“ Die meisten Menschen würden sich bequem zurücklehnen, nachdem sie ihre Unterschrift unter das Volksbegehren gesetzt haben. Und die Landwirte seien wieder einmal die Sündenböcke. Dabei habe sich in den letzten Jahren viel getan.

Bayernweit sind rund 15 000 Hektar Blühstreifen gesät worden, wie Gerd Düll, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kitzingen, informiert. Das Kulturlandschaftsprogramm (Kulap), bei dem Landwirte Fördergelder für die Ausbringung von Blühmischungen erhalten, zeige Wirkung.

Pauluhn will Blühwiese ansäen

Im Landkreis Kitzingen sind es 460 Hektar, alleine in diesem Jahr sind 220 Hektar neu beantragt worden. „Das ist gleichbedeutend mit 460 Kilometer Blühstreifen“, sagt Düll und versichert: „Wir stehen voll hinter dieser Aktion.“ Zwei seiner Mitarbeiter – einer aus dem Bereich Landwirtschaft, einer aus dem Bereich Gartenbau – stehen für Beratungen zur Verfügung, wenn es beispielsweise darum geht, welche Blühmischung an welchem Standort am sinnvollsten ist. „Wenn die Bevölkerung mitmacht, entsteht hier eine wunderbare zusätzliche Möglichkeit“, sagt denn auch Helmut Schmitt und betont das Wörtchen „wenn.“ Jens Pauluhn, einer der führenden Köpfe hinter dem Volksbegehren im Landkreis Kitzingen, hat bereits reagiert. „Natürlich werde ich selbst meinen Beitrag leisten“, erklärt er auf Anfrage. Zirka 1500 m² Grünlandfläche oberhalb seines Baugrundstückes will er als Blühwiese ansäen.

Den meisten Landwirten dürfte das gefallen. Die hätten grundsätzlich die gleichen Ziele wie die Insektenschützer, versichert Helmut Schmitt. Vieles, was jetzt bei den Beratungen in München verhandelt wird, könne er auch unterschreiben. „Wir arbeiten schließlich nicht gegen die Natur“, erinnert Sabine Keil. „Wir sind doch selbst von ihr abhängig.“

Die Erhaltung der Artenvielfalt dürfe aber nicht allein die Aufgabe der Landwirte sein. Keil erinnert an die vielen Steinwüsten und insektenfeindlichen Vorgärten in den Städten und Horst Schmidt nimmt auch die Kommunen, die Landkreise und den Staat in die Pflicht. Entlang von Wegen, Straßen und Autobahnen könnten genau so Blühstreifen angelegt werden wie auf landwirtschaftlichen Flächen. Besser noch: Der Staat habe gegenüber den Landwirten schließlich den Vorteil, dass viele dieser Flächen nicht gewinnbringend bewirtschaftet werden müssten. „Der Staat kann Flächen doch viel leichter stehen lassen und für den Artenschutz nutzen“, meint er.

Letztendlich müsse jeder etwas zum Artenschutz beitragen. Da sind sich alle Beteiligten einig. Sabine Keil und Horst Schmidt geben den Unterzeichnern des Volksbegehrens jetzt die Möglichkeit dafür – und sind sehr gespannt, wie viele diese Chance nutzen wollen.