Auf dem Sprung in den Landtag

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Die Kandidaten sind schon lange in den Startlöchern: Rafiq Iqbal (Grüne), Otto Hünnerkopf (CSU), Susanne Knof (Freie Wähler), Hans Müller (FDP) und Doris Aschenbrenner (SPD). Fotos: Rainer Fritsch
Die Kandidaten sind schon lange in den Startlöchern: Rafiq Iqbal (Grüne), Otto Hünnerkopf (CSU), Susanne Knof (Freie Wähler), Hans Müller (FDP) und Doris Aschenbrenner (SPD). Fotos: Rainer Fritsch
Rund 100 Gäste verfolgten die Diskussion, unter ihnen Landrätin Tamara Bischof.
Rund 100 Gäste verfolgten die Diskussion, unter ihnen Landrätin Tamara Bischof.
 

Der DGB hatte zur Informationsveranstaltung ins Dekanatszentrum eingeladen. Fünf Kandidaten saßen nicht nur wegen der aktuellen Temperaturen auf dem"Heißen Stuhl".

Wenige gemeinsame Ansichten, dafür aber viele unterschiedliche Parteiziele und persönliche Ansichten - vor allem zu den Themen Bildungs- und Beschäftigungspolitik: Das hörten die knapp 100 Anwesenden am Dienstagabend bei der Vorstellung der fünf Landtagskandidaten durch den DGB-Kreisverband Kitzingen im Dekanatszentrum.

Holger Kempf, der als DGB-Kreisvorsitzender zu dieser Veranstaltung eingeladen hatte, erinnerte, dass es eigentlich elf Kandidaten für die Landtagswahl am 15. September im Landkreis Kitzingen gibt. Aus Zeitgründen habe sich der Deutsche Gewerkschaftsbund aber auf die Kandidaten konzentriert, deren Partei im Landtag vertreten ist.
Auf dem "heißen Stuhl" nahmen deshalb Otto Hünnerkopf (CSU), Doris Aschenbrenner (SPD), Susanne Knof (Freie Wähler), Rafiq Igbal (Die Grünen) und Hans Müller (FDP) Platz.

Die Moderatoren Frank Firsching (DGB-Regionsvorsitzender) und Journalist Torsten Schleicher hatten sich im Voraus intensiv in die einzelnen Wahlprogramme eingelesen. Sie hatten schon dabei größere Unterschiede feststellen können - und das im wahrsten Sinne des Wortes. So hat sich die CSU erstmals mit nur 25 Seiten Wahlprogramm sehr kurz gefasst, das Wahlprogramm der Grünen dagegen umfasst 173 Seiten.

Jeder Kandidat erhielt 30 Minuten Redezeit, wobei die zwei Moderatoren zunächst 15 Minuten einheitliche Fragen zu den Themen Bildungs- und Beschäftigungspolitik beziehungsweise zu dem Lieblingsthema des jeweiligen Kandidaten stellten. Danach hatten die Gäste 15 Minuten Zeit, ihre Sorgen und Probleme den Politikern nahe zu bringen.

Evi Pohl hatte aus der Zuhörerschaft das Recht erhalten, allen fünf Kandidaten die Frage zur Sonntagsarbeit zu stellen. Von "zum Teil nötig" (Hünnerkopf) über "individuell zu handhaben" (Müller), bis zur Ablehnung der Sonntagsarbeit (Aschenbrenner, Igbar, Knof) gab es auch hier ein breites Spektrum.

Als erster Kandidat musste der Landtagsabgeordnete Otto Hünnerkopf auf dem "Heißen Stuhl" Platz nehmen. Bezüglich der in der Öffentlichkeit immer wieder auftretenden Behauptung, dass nur die Kinder von reichen Eltern eine Chance hätten, einen guten Schulabschluss zu erreichen, erklärte er, dass dies schon vor einigen Jahrzehnten nicht gestimmt hätte - und auch heute nicht stimmt. Sein Vater war Landwirt und seine Geschwister konnten höhere Bildungsabschlüsse erreichen, so wie es heute auch allen Kindern möglich ist.

Pro dreigliedriges Schulsystem

Das dreigliedrige Schulsystem bietet nach seiner Ansicht allen Schülern die Möglichkeit, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen in die Vielfalt des bayerischen Schulsystems einzubringen. "Die vierte Klasse stellt dabei keinen Scheideweg dar", betonte Otto Hünnerkopf, dessen Frau 38 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet hat.

Dass die Studiengebühren nun weg sind, bezeichnete er als gut. Um den noch vorhandenen Meistergebühren entgegen zu wirken, gibt es als ersten Schritt ein "Meister-Bafög" von 1000 Euro. Bezüglich der Leiharbeiter und Minijobs mit niedriger Bezahlung stellte er fest, dass die gesetzlichen Regelungen unter einer SPD/Grünen Bundesregierung geschaffen wurden. Um dies zu ändern, stünden sowohl die Unternehmer als auch die Regierung in der Pflicht.

Hart kritisierte Otto Hünnerkopf die Moderatoren, die die CSU als Staatspartei bezeichnet hatten. Nach seinen Worten gab es nur zwei Staatsparteien: Die NSDAP und die SED. Bezüglich eines Mindestlohnes sprach er sich für staatliche Regelungen aus, wenn die Gewerkschaften hier keine Erfolge erreichen könnten. Alleine im Landkreis Kitzingen gibt es nach seinen Informationen 11 000 Beschäftigte im Niedriglohnbereich.

Als Greenpeace-Mitglied aus Gerbrunn stellte sich die 28-jährige Doris Aschenbrenner vor. Eine bessere Bildungspolitik müsste nach ihren Worten über höhere Steuern beziehungsweise einen Solidaritätsbeitrag finanziert werden. Die Bevölkerung sollte auch mehr zur Finanzierung der Infrastruktur herangezogen werden. Derzeit sollte nach ihrer Meinung das dreigliedrige Schulsystem noch erhalten werden, in Dörfern sollten die Kinder allerdings, wenn möglich, in Gemeinschaftsschulen unterrichtet werden.

Ein persönlich wichtiges Ziel für Doris Aschenbrenner: Die Jugend wieder mehr zur Politik zu führen. Zudem sprach sie sich für den Schutz des Sonntags und für Lohnuntergrenzen aus.

Susanne Knof aus Obernbreit sprach sich gegen Gemeinschaftsschulen aber für eine engere Zusammenarbeit von Haupt-, Mittel-, Wirtschafts- und Realschulen aus. Sinnvoll wäre für sie die Einführung einer Weiterbildungsprämie von 1000 Euro, die der Beschäftigte erhalten soll.

Gegen Leiharbeit und Minijobs

"Wenn sich die Arbeiter weiterbilden, floriert die Wirtschaft und es kommt wieder mehr Geld in die Staatskasse", so Knof. Eindeutig sprach sie sich gegen Leiharbeit und Minijobs aus. Keine Probleme sieht sie in der Sonntagsarbeit, denn zum einen muss es die auch geben (Ärzte, Restaurants), zum anderen gebe es Menschen, die gerne am Sonntag arbeiten, um einen anderen freien Tag zu haben.

Probleme sieht sie in der angedachten Freihandelszone der EU mit der USA, denn dadurch können zum Beispiel genveränderte Nahrungsmittel in unser Land kommen. Keine Antwort gab sie auf die Frage, ob sie lieber Ude oder Seehofer als Ministerpräsidenten unterstützen würde.

14 Prozent hatte Rafiq Iqbal aus Tiefenstockheim bei der Landratswahl erreicht. Ein Ergebnis, über das er sich bei der Landtagswahl wohl freuen würde. Als sehr gut bezeichnete er die Jahrgangsmischung bei den unteren Klassen, denn die besseren Schüler könnten dabei die schwächeren unterstützen. Nach seinen Worten sollten bei der Wahl der Schullaufbahn weniger die Lehrer die Entscheidung treffen, sondern mehr die Eltern. "Die größte Schule ist das Elternhaus", lautete seine Begründung.

Die "faire Kommune"

Wichtig für eine grüne Politik in Bayern sind für ihn der Mindestlohn und die regionale Wertschöpfung. Hier möchte er die "faire Kommune" schaffen, die zum Beispiel Auftragsvergaben nach dem ökologischen Prinzip vornimmt. Die Moderatoren erklärten dazu, dass dies dem Europarecht widerspreche.

Als Schwerpunkt seiner Arbeit nannte er die Energiepolitik. "Hier müsste mehr in die Speichertechnik investiert werden und in den Kinderschutz." Nach seinen Informationen liegt die Kinderarmut im Landkreis Kitzingen bei 11,6 Prozent, in Würzburg beträgt sie nur die Hälfte.

Nicht zufrieden zeigte er sich mit der Politik der ehemaligen Regierungsparteien SPD/Grüne bezüglich der Leiharbeit und Befristung von Arbeitsverträgen. "Da bin ich einen Schritt von unserer Politik zurückgetreten", erklärte er.
Sehr erfreut über die Einladung zu dieser Diskussionsrunde zeigte sich Hans Müller aus Wiesentheid. Nach seinen Worten wurde bei einer ähnlichen Veranstaltung in Würzburg vom DGB kein FDP-Politiker eingeladen. Er musste aber auch zugeben, dass das Verhältnis von FDP und Gewerkschaft nicht besonders gut ist. Müller betonte aber, dass Gewerkschaften in unserer Gesellschaft nötig sind, doch sollten sie mehr Flexibilität zeigen. Das Aushandeln von Löhnen sei die Aufgabe der Gewerkschaften. Es könne nicht Aufgabe des Staates sein, Mindestlöhne fest zu legen.

Studiengebühren hält der FDP-Politiker weiterhin für gerechtfertigt. Er sprach sich für mehr frühkindliche Bildung und mehr Kindertagesstätten aus. Im Wahlprogramm der FDP wurde zudem die Öffnung der Schulen für externe Partner fest geschrieben.

So wenig Staat wie möglich

Insgesamt steht die FDP - und vor allem auch er selbst - für mehr Freiheit für die Individuen und für so wenig Staat wie nötig. Der Ladenschluss sollte daher von den Betrieben frei entschieden werden.Bezüglich des Atomausstiegs erklärte er, dass dieser zu schnell beschlossen wurde. "Hier wäre etwas mehr Vernunft nötig gewesen."

Nach drei Stunden mit sehr viel Informationen und kritischen Gesprächen konnte die Veranstaltung von Holger Kempf mit einem positiven Resümee geschlossen werden. Nach seinen Worten ist die Gewerkschaft der einzige Verband, der eine solche Wahlinformation durchführt.