300 Jahre Nachhaltigkeit für die Wälder in Kitzingen

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Foto: Diana Fuchs
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Der gelbe Punkt markiert die Bäume, die stehen bleiben sollen. Foto: Diana Fuchs
Der gelbe Punkt markiert die Bäume, die stehen bleiben sollen. Foto: Diana Fuchs
 
 
Foto: Diana Fuchs
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Das Trend-Wort "Nachhaltigkeit" ist im Wald verwurzelt. Und deshalb zeigen die Förster Bernd Günzelmann, Norbert Bumm und Achim Volkamer sowie Bürgermeisterin Renate Zirndt und Rechtler Herbert Meyer wie die Nachhaltigkeit schon seit Jahrhunderten ausgeübt wird.

Es wird oft gebraucht. Zu oft vielleicht? Wie das Lieblingsmesser in der Küche, das jeden Tag ein kleines bisschen stumpfer wird. Droht dem trendigen Wort "Nachhaltigkeit" ein ähnliches Schicksal? Wird es, weil es in aller Munde ist, dünn geschliffen und brüchig? Forstoberrat Bernd Günzelmann will das verhindern.

Eigentlich schätzt Günzelmann, wie viele seiner Kollegen, die Einsamkeit im Wald. Doch heuer nimmt er Gesellschaft gern in Kauf. Denn seine Zunft hat die Kampagne ausgerufen: "300 Jahre Nachhaltigkeit". Die Forstfrauen und -männer wollen zeigen, dass das Schlagwort in der Forstwirtschaft schon seit Jahrhunderten modern ist - und vielleicht ein Vorbild sein kann für die ganze Gesellschaft. Deshalb nehmen Günzelmann & Co. 2013 alle, die es interessiert, mit hinein in den Forst.

Zum Beispiel in den Kaltensondheimer.
Dort ist der Gemeindewald "richtig gut in Schuss", sagt der Fachmann - und das, obwohl das Holznutzungsrecht von Alters her an 30 Höfe des Ortes gebunden ist. Jedes Jahr werden zwei von 50 Hektar Mittelwald "auf den Stock gesetzt", dürfen dann ein Vierteljahrhundert wieder wachsen, ehe das Spiel von Neuem beginnt. Förster Achim Volkamer markiert die Bäume, die zwecks Naturverjüngung stehen bleiben müssen. Den Rest schlagen 30 "Rechtler" wie Herbert Meyer im Lauf des Winters und transportieren ihr Brennholz ab. Pflanzungen und Zaunbau sind Sache der Gemeinde.

Rechte stehen in alten Büchern

Schon Volkamers Vorgänger Norbert Bumm hat dafür gesorgt, dass auf diese Weise die Nachhaltigkeit im Kaltensondheimer Forst gewährleistet ist. Sehr zur Freunde von Bürgermeisterin Renate Zirndt. In deren Händen befinden sich die alten Rechtler-Bücher, anhand derer sie jedes Jahr bei einer Waldbegehung Anfang Dezember festlegt, wer wo wieviel Holz schlagen darf. "Das ist immer ein großes Ereignis bei uns!"

Dass die Kaltensondheimer mit fast 25 Baumarten über ein "gut gemsichtes Warenlager an Holz" verfügen, hat auch mit einem Bandwurmsatz aus dem Jahr 1713 zu tun. Bernd Günzelmann zitiert mit Leidenschaft den das urig klingende Schriftdeutsch des kursächsischen Oberberghauptmanns von Carlowitz. Der propagierte in seiner Abhandlung zur Forstwirtschaft "nachhaltiges" Bewirtschaften. Noch früher, 1574, hat Julius Echter seine Waldordnung verfasst - und unter anderem den Iphöfern einen Förster "aufs Auge gedrückt", um Nachhaltigkeit zu sichern.

Schon Jahrhunderte früher, im Hochmittelalter, war sprichwörtlich alles aus Holz, von der Wiege bis zur Bahre. Man durfte also keinesfalls mehr Holz verbrauchen, als nachwachsen konnte. "Deshalb gab es neben jedem Ort einen Wald", erinnert Günzelmann. Dort wurden alle Bäume in bestimmten Zeitabschnitten zwischen zwölf und 30 Jahren "auf den Stock gesetzt", das heißt, man haute die Bäume mit der Axt um; aus dem Stock trieben neue Schossen aus.

Kaltensondheim - eine Ausnahme

Hainbuche und Eiche sowie Haselnuss hielten diese Bewirtschaftungsweise besonders lange durch. Irgendwann jedoch wurden auch deren Stöcke müde und mussten ersetzt werden. Da die Aussaat von Samen in umzäunten "Gärten" mehr Erfolg brachte als direkt im Wald, wo Mäuse und Vögel sich an den Samen gütlich taten, gehörte zu jedem ordentlichen Stockausschlagswald eine kleine Baumschule, um die sich der Schullehrer und seine Schüler kümmerten. Weniger Arbeit bedeutete die Naturverjüngung. Wo auf natürliche Weise ein kleines Himmelfenster im Kronendach entstanden war, konnten aus Eicheln, Bucheckern, Hainbuchennüsschen oder Haselnüssen neue Bäume entstehen, in die Höhe wachsen und als Saatbäume für die Zukunft des Stockausschlags-Waldes sorgen.

Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich das Nutzungsverhalten der Menschen, durch die industrielle Revolution war der Wald nicht mehr existenznotwendig und wurde vernachlässigt. "Verlotterte Stockhiebswirtschaft ist der Untergang des Waldes", stellt Förster Günzelmann klar.

Die Kaltensondheimer zeigen mit ihrem schön gepflegten Mittelwald, wie es besser geht. Trotzdem sieht Günzelmann auch hier noch Verbesserungspotenzial: "Eichen könnten noch mehr gefördert werden."

Überall in den Wäldern sei es ein Gebot der Stunde, zwecks Arterhaltung auch Specht- und Totholzbäume stehen und liegen zu lassen. Heuer, im Jahr der Nachhaltigkeit, soll auch der wieder erwachte Holzhunger der Menschen ein Thema sein. Dass inzwischen über die Hälfte des Holzeinschlages verfeuert wird, sei nämlich "kein reiner Grund zur Freude", stellt Günzelmann fest.

Er und seine Kollegen werden heuer Jung und Alt mit in die heimischen Wälder nehmen. Sie werden ihnen zeigen, wo die Wurzeln der Nachhaltigkeit liegen. Und wie die Pflanze immer neu austreibt.

Was soll das alles?

"Nachhaltig" ist, was eine dauerhafte Wirkung hat. In der Forstwirtschaft zum Beispiel bedeutet Nachhaltigkeit, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf, als nachwachsen kann. Im ökologischen Sinn generell heißt es, dass nicht mehr verbraucht werden darf, als sich regenerieren, also künftig wieder bereitstehen kann.

300 Jahre Nachhaltigkeit: "Nachhaltigkeit" tauchte 1713 erstmals auf: in einer Abhandlung zur Forstwirtschaft. Der Gelehrte Hannß Carl von Carlowitz definierte nachhaltiges Handeln als politisch-gesellschaftliche Aufgabe.

Aktionen Das Kitzinger Amt für Landwirtschaft und Forsten plant eine Kette von Veranstaltungen. Die nächste wird der "Zukunftswald in Wiesentheid" sein: 1000 Schüler pflanzen am 21./22. März 1000 Bäume