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14 Judenfamilien: eine zuviel


Autor: Redaktion.

Segnitz, Donnerstag, 24. Oktober 2013

In der ehemaligen Synagoge Obernbreit wird die Ausstellung „Wenn ihr hier ankommt …“ gezeigt. Thema ist das Schicksal einer jüdischen Familie zwischen Kindertransport und gescheiterter Emigration im Dritten Reich. Die Geschichte ist umso interessanter da die Vorfahren der Hauptpersonen im 19. Jahrhundert in Segnitz und Marktbreit lebten.
Einst jüdischer Besitz: In Marktbreit in der Bachgasse 1, im Haus seines früheren Angestellten und Schwiegersohnes Samuel Rosenfeld, verbrachte Elias Mosbacher mit seiner Frau Johanna den Lebensabend. 1865 war er mit Familie und Weinhandlung von Segnitz in das verkehrsgünstigere Marktbreit übergesiedelt. Sein Enkel wurde Opfer der NS-Machthaber. Eine Ausstellung in der alten Synagoge in Obernbreit erzählt das Schicksal seiner Nachkommen.


In der ehemaligen Synagoge Obernbreit wird die Ausstellung „Wenn ihr hier ankommt …“ gezeigt. Thema ist das Schicksal einer jüdischen Familie zwischen Kindertransport und gescheiterter Emigration im Dritten Reich. Die Geschichte ist umso interessanter da die Vorfahren der Hauptpersonen im 19. Jahrhundert in Segnitz und Marktbreit lebten.

Der Kaufmann und Weinhändler Elias Mosbacher stammte aus Burgpreppach bei Hofheim. Er erhielt die Übersiedelungsgenehmigung nach Segnitz mit Weinhandelskonzession am 13. September 1852. Bis es soweit war, tobte allerdings ein Papierkrieg zwischen der Gemeinde Segnitz und dem Landgericht Ochsenfurt, das plötzlich ein wachsames Auge auf die Höchstzahl der Judenfamilien geworfen hatte.

Die Gemeinde Segnitz und der Pflegschaftsrat waren vom Zuzug des Handelsmannes aber angetan. Eine Abstimmung unter den Wahlberechtigten ergab ebenfalls eine überwältigende Mehrheit für die Aufnahme: Mosbacher brachte beste Referenzen mit. Aus dem Vermögens- und Leumundszeugnis aus Burgpreppach, das er 1851 beim Gericht einreichte, geht hervor, dass er sein Kaufmannsgeschäft 1846 gegründet und später auf Weinhandel ausgedehnt hatte. Bei seiner Verheiratung mit Johanna Kürzinger aus Marktbreit kamen 7000 Gulden an Startkapital zusammen, das sich „durch geschickte Geschäftsführung“ aber auf 8000 bis 10 000 Gulden vermehrt hat. Zudem war man vom Geschäftssinn und vom Leumund der Familie mit zwei kleinen Kindern voll des Lobes.

Elias Mosbacher begründete sein Übersiedelungsvorhaben mit dem in Segnitz günstigeren Standort „zum schwunghaften Betriebe des Weinhandels“. Außerdem waren dort mit der Auswanderung der Hainemannschen Brüder Gabriel und Samson nach Amerika angeblich zwei Matrikelstellen „erledigt“. Hier lag aber das Problem. Das Gericht Ochsenfurt stellte fest, dass die festgesetzte Matrikelzahl von 14 Judenfamilien für Segnitz nach dem Wegzug der Hainemanns noch immer um eine Nummer zu hoch war. Auch die Matrikelplätze „über die Normalzahl“, die so genannten „Gnadenmatrikel“, waren ausgeschöpft und so dauerte es noch bis September 1852 bis die Behörde in Ochsenfurt nach dem Wegzug des Metzgermeisters Simon Grünewald die Ansiedlung Mosbachers erlaubte.

Elias Mosbacher wohnte zunächst im Haus Nummer 99, in der heutigen Vorderen Raingasse 10. 1854 übernahm er dann das Anwesen Hausnummer 21 in der Kesenbrodstraße 18. Dort wurden dem Ehepaar noch vier Kinder geboren, darunter Hermann, der Vater und der Großvater, der in der Ausstellung beschriebenen Familienmitglieder. Die Geschäfte liefen scheinbar sehr gut und Mosbacher konnte für den Außendienst sogar einen „Reisenden“ einstellen. Dieser war Samuel Rosenfeld aus Kirchheim, der sich 1864 im gegenüberliegenden Haus Nummer 95 selbstständig machte und später nach Marktbreit ins Haus Nummer 32 (heutige Bachgasse 1') übersiedelte. Mosbacher zählte wohl auch in der israelitischen Kultusgemeinde zu den geachteten Bürgern. Er bekleidete nämlich zu Anfang der 1860er Jahre die Stelle des Vorgängers der Segnitzer Israeliten.

Als es den Juden im Laufe der 1860er Jahre allmählich leichter gemacht wurde, ihren Wohnsitz zu wechseln, trug sich Mosbacher bald mit dem Gedanken, nach Marktbreit zu ziehen. Dort entstand ein Bahnanschluss, der für eine Weinhandlung eine ideale Verkehrsanbindung versprach. In Segnitz aber waren zur selben Zeit erste Brückenbaupläne gescheitert. So zog Elias Mosbacher im Dezember 1865 mit Familie, Geschäft und 12 000 Gulden nach Marktbreit ins Haus seines früheren Angestellten und nunmehrigen Schwiegersohnes Samuel Rosenfeld.

Elias Mosbacher starb dort im Jahr 1886, seine Frau Johanna 1903. Sein Sohn Hermann war bereits 1885 nach Nürnberg gezogen und gründete dort eine Firma. Dessen Sohn Otto führte das Geschäft weiter, musste es aber währen der NS-Zeit zwangsweise verkaufen. Er wurde später zusammen mit seiner Frau Hedwig in das Ghetto Belzyce in Polen deportiert und dort ermordet. Seine Tochter Eva brachte er noch rechtzeitig mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit. Diese Geschichte ist Gegenstand der Ausstellung.

Ehemalige Synagoge Obernbreit, Kirchgasse 4, Ausstellung noch am Sa., und So. 14–17 Uhr, „Wenn ihr hier ankommt...“ (bis 27. Okt.)