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Zeckenbiss mit schweren Folgen


Autor: Ronald Heck

LKR Haßberge, Freitag, 15. Juli 2016

In Deutschland erkranken jedes Jahr 60 000 bis 100 000 Menschen durch Zecken neu an Borreliose. Betroffene leiden und fühlen sich vernachlässigt.
Zecken lauern in Hüfthöhe auf Gräsern und Büschen. Die Parasiten können sehr gefährliche Krankheiten übertragen. Foto: Patrick Pleul/dpa


Auch über zehn Jahre nach seiner Borreliose-Diagnose hat Horst Häfner noch Schmerzen und Lähmungserscheinungen an Bauch und Rücken. Die schwere Infektionskrankheit wird durch Zecken übertragen, die Bakterien in sich tragen. Der 69-Jährige aus Mürsbach (Landkreis Bamberg) ist Teil der Borreliose-Selbsthilfegruppe in Ebern. "Wir sind fünf bis sechs Leute, die sich regelmäßig treffen", sagt Horst Häfner.
Die Gruppe entstand 2005 - das Jahr, in dem die Krankheitsgeschichte von Häfner begann. "Ich war im Wald tätig und wollte Bäume rausmachen. Da haben plötzlich meine Kräfte nachgelassen", berichtet er. Nach und nach ist der Polizist körperlich immer schwächer geworden. Außerdem traten Schmerzen im Magenbereich auf, und Häfner konsultierte seinen Hausarzt.

Der Mediziner konnte jedoch keine Krankheit diagnostizieren, obwohl er das Blut von Horst Häfner untersuchen ließ. "Ich habe gedacht, ich habe Krebs", erinnert er sich. Sein Leiden war so schlimm, dass er "die Lust am Leben verloren" habe, sagt Häfner. Weil der Hausarzt ratlos war und ihm nicht helfen konnte, überwies er ihn an einen "Magenspezialisten" in Erlangen. Der stellte dann die entscheidende Frage, ob der Polizist denn womöglich von einer Zecke gebissen worden sein könnte. Horst Häfner ist in seiner Freizeit Jäger und dadurch regelmäßig in der freien Natur unterwegs. Eine Blutuntersuchung auf Borrelien-Bakterien bestätigte den Verdacht.


Zecken infizieren Mensch und Tier

Borreliose wird durch Zeckenbisse übertragen. In Deutschland ist der Gemeine Holzbock die am weitesten verbreitete Zeckenart. Die kleinen Spinnentiere sitzen in Hüft- und Kniehöhe auf Gräsern und Büschen. Der Parasit befällt Menschen und Tiere, klettert auf den Wirt, krallt sich mit seinen Mundwerkzeugen an der Haut fest und saugt Blut. Die häufigsten Infektionskrankheiten durch Zecken sind Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Gegen FSME kann man sich impfen lassen, gegen Borreliose gibt es keinen Impfschutz. Beide Krankheiten sind meldepflichtig und werden bei den Gesundheitsämtern registriert.
Im Landkreis Bad Kissingen gibt es in diesem Jahr bereits 41 Borreliosefälle. Im Kreis Haßberge sind heuer elf Fälle von Borrelien gemeldet worden. FSME-Erkrankungen gab es bisher keine. Die Fallzahlen sind im Vergleich zu vergangenen Jahren Durchschnitt, sagt der Mediziner Jürgen Reimann, Leiter des Gesundheitsamts im Landratsamt Haßberge. "Das erste Anzeichen einer Borreliose ist die ,Erythema migrans‘ - die so genannte Wanderröte", erklärt Reimann. Das heißt, um die Einstichstelle der Zecke bildet sich eine kreisförmige Rötung, die sich nach außen weitet. "Hat man einen Zeckenbiss entdeckt, ist es wichtig, die Zecke so bald wie möglich zu entfernen", empfiehlt der Arzt. Dafür gibt es spezielle Zangen und Pinzetten. Das Spinnentier dabei nicht quetschen, weil sonst Krankheitserreger austreten können. "Danach sollte man die Wunde beobachten. Tritt eine größere Rötung mit zentraler Aufhellung auf, sollte man den Hausarzt aufsuchen", sagt Reimann. Wird eine potenzielle Borreliose frühzeitig erkannt und mit Antibiotika behandelt, besteht eine gute Heilungschance.
Horst Häfner hatte nicht so viel Glück, er hat die Einstichstelle der Zecke, die ihn mit Borrelien infizierte, nie feststellen können. Nach seiner Diagnose folgte eine 21 Tage lange Antibiotika-Therapie, beim Borreliose-Spezialisten Professor Thomas Harrer in Erlangen. "Jeden Tag habe ich intravenös zwei Fläschchen Antibiotika bekommen", berichtet Häfner. Die Schmerzen und Spannungen am Bauch haben danach langsam nachgelassen. Eine zweite Therapie linderte die Symptome weiter. Ganz schmerzfrei ist der 69-Jährige bis heute nicht.


Leben mit Borreliose-Diagnose

Horst Häfner erzählt, wie die Borreliose-Selbsthilfegruppe in Ebern gegründet wurde. Bei einer vom Landratsamt Haßberge angeregten Veranstaltung in Haßfurt versammelten sich 2006 viele Erkrankte. "Das Rathaus in Haßfurt war voll. Es war erschreckend, dass es so viele Betroffene gibt", erinnert er sich. Danach bildeten sich Selbsthilfegruppen in Gerolzhofen, zwei in Haßfurt und eine in Ebern. "Mir hat die Gruppe geholfen. Man trifft sich und redet miteinander", sagt Häfner, der außerdem dem Borreliose-Bund beigetreten ist. "Ich kenne sehr viele, die durch die Krankheit arbeitsunfähig geworden sind. Ich hatte das Glück, dass ich als Beamter nicht gekündigt werden und ein Jahr lang frei nehmen konnte", sagt der pensionierte Polizist.


Zu wenig Forschung

Horst Häfner wirft der Politik und der Pharmaindustrie vor, dass sie zu wenig gegen die Borreliose-Krankheit unternimmt. "Eine Impfung wäre mit Sicherheit möglich", findet er. Außerdem kritisiert er, dass es keine für Borreliose spezialisierten Antibiotika gibt. "Die Pharmaindustrie ist an der Borreliose-Forschung nicht interessiert", weiß Häfner. Der Grund: Viele Betroffene würden fälschlicherweise mit Rheumamedikamenten behandelt werden, und die Hersteller davon profitieren.