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Warten bis die Nummer kommt: Das digitale Wartezimmer in Haßfurt


Autor: Jutta Rudel

Haßfurt, Donnerstag, 15. November 2018

In Haßfurt werden Patienten im Wartezimmer nicht mehr aufgerufen, sondern sie ziehen ein Ticket . Könnte so die Zukunft von Gemeinschaftspraxen aussehen?
Kinderarzt Christian Rein hatte die Idee, ein Ticketsystem für Patienten  einzuführen, das durch Monitore einsehbar ist.Jutta Rudel


"Frau Müller bitte ins Behandlungszimmer Nummer eins!" - solche Zurufe in den Wartebereichen kennen Patienten. Im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Haßberge gehört das der Vergangenheit an: Vor drei Wochen wurde ein neues Ticketsystem eingeführt, "vergleichbar etwa mit dem Nummernziehen beim Landratsamt", sagt Kinderarzt Christian Rein. Er hatte die Idee für das neue System. Wie kam es dazu?

Hintergrund der Umstellung

Keine Namen mehr in der Öffentlichkeit preisgeben, sondern anonym über Nummern aufgerufen werden? Da denken Viele wohl zuerst an den Datenschutz. Mit der neuen Datenschutzverordnung hat das aber nichts zu tun: "Ich muss ehrlich sagen, der Datenschutz ist nur ein positiver Nebeneffekt", erzählt Rein.

Der eigentliche Grund ist banal, denn die alte Lautsprecheranlage hat nicht richtig funktioniert: "Wenn viele spielende Kinder im Wartebereich saßen, konnte man die Lautstärke bis aufs Maximum aufdrehen und die Patienten haben trotzdem kein Wort verstanden." War es im Wartebereich hingegen ruhig, sind die Patienten bei einer Durchsage "vor Schreck fast vom Stuhl gefallen". Christian Rein suchte eine neue Lösung. Da kam ihm der Gedanke: "Wir brauchen ein Monitor-System."

Doch wie sollte das umgesetzt werden? Ihm war schnell klar, dass die Praxis ein Ticketsystem für akute Behandlungsfälle einführen müsste. Gesehen hat er das aber bisher bei keinen anderen Kollegen, bekannt war ihm das System aus öffentlichen Behörden.

Wie funktioniert das System?

"Man kann sich wie gewohnt an der Rezeption anmelden und bekommt dann ein Ticket in die Hand gedrückt", erzählt er. Auf diesem steht dann eine individuelle Nummer. Im Wartebereich kann der Patient auf dem Monitor verfolgen, an welcher Stelle seine Nummer steht und wie lange die Wartezeit in etwa beträgt. "Auf die Minute genau kann man das nicht sagen, aber die durchschnittliche Zeit pro Patient wissen wir schon", sagt der Kinderarzt.

Natürlich kommt es, so Rein, immer wieder mal vor, dass ein Kind vorzeitig nach wenigen Minuten mit der Behandlung fertig ist oder ein anderes sich beispielsweise am Empfang übergibt und die Behandlung spontan vorgezogen werden muss. "Es geht nicht um feste Termine, sondern um das Dynamische - der Patient sieht genau, wie viele Patienten noch vor ihm behandelt werden und kann sich dementsprechend darauf einstellen."

Die Patienten sind dabei nicht alleine auf die Monitore angewiesen: Auch auf dem Smartphone können die Wartelisten online eingesehen werden. Auf den Tickets ist nämlich ein QR-Code abgedruckt. Wenn dieser mit dem Smartphone eingelesen wird, kann man seinen Status verfolgen "und vielleicht noch einmal raus gehen, um Einkäufe zu erledigen". Der Monitor blinkt, wenn ein Patient an der Reihe ist.

Patienten, die nicht vor Ort sind und sich telefonisch anmelden, erhalten nach Angabe ihres Namens und ihrer E-Mail-Adresse oder Telefonnummer eine E-Mail, in der sich das Ticket mit dem QR-Code befindet. Wenn jemand nicht erscheint, löscht sich das Ticket nach einer gewissen Zeit von alleine.

Ganz einfach, so Rein, war die Umstellung nicht. "Wir brauchten Hardware und Lizenzen und mussten die Mitarbeiter schulen." Letzteres sei am teuersten gewesen. Die Neustrukturierung habe sich aber gelohnt: "Bis jetzt kommt es bei den Patienten gut an. Es passiert höchstens einmal, dass der Patient ins falsche Zimmer läuft oder seine Nummer falsch gelesen hat", erzählt er. "Aber das hatten wir früher auch, wenn wir eine Frau Müller zum Beispiel aufgerufen haben, standen plötzlich zwei Müllers vor der Tür oder jemand, der seinen Namen falsch verstanden hat." Gerade in Gemeinschaftspraxen würde sich eine solche Organisationsstruktur besonders lohnen. Für das Kinder- und Jugendzentrum ist das aber nur ein erster Schritt.

Tickets von zu Hause ziehen

"Wir wollen mittelfristig dahin kommen, dass sich Patienten ihr Ticket bereits von zu Hause aus online ziehen können", sagt der Kinderarzt. Die Technik dafür ist ausgereift, sobald sich die internen Abläufe mit dem neuen System eingefleischt haben, will man es "scharf stellen". "Gerade in Fällen, wo zum Beispiel das Kind am Morgen krank aufwacht und die Eltern eilig herkommen und dann lange mit dem kranken Kind im Wartezimmer sitzen, ist das sinnvoll." Es käme nämlich oft vor, dass montags zwischen 8 Uhr und 8.15 Uhr etwa 20 Patienten in die Praxis kommen. "Das Ziel ist es, dass man auf dem Online-Ticket sehen kann: ,Oh da sind noch 20 Leute vor mir dran, da muss ich mit meinem Kind ja noch gar nicht um acht auf der Matte stehen'", sagt Christian Rein. Das würde letztlich dem Personal sowie auch den Patienten zugutekommen.