Wahlkampf: Sag uns, wer du bist

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Politiker wollen die Aufmerksamkeit der Wähler. Für dieses Ziel nutzen sie verschiedene Methoden. Zeichnung: Christiane Pfohlmann
Politiker wollen die Aufmerksamkeit der Wähler. Für dieses Ziel nutzen sie verschiedene Methoden. Zeichnung: Christiane Pfohlmann
Wolfgang Brühl
Wolfgang Brühl
 
Steffen Vogel
Steffen Vogel
 

Parteien können bei den Meldebehörden Informationen zu Bürgern abfragen, um gezieltere Wahlwerbung machen zu können. Im Kreis Haßberge wird das genutzt.

Es ist das "Big Data"-Zeitalter: Unternehmen sammeln, kaufen und analysieren Daten, um besser über ihre Kunden Bescheid zu wissen. Die Firmen versprechen sich davon, ihre Produkte und Dienstleistungen zielgruppengerechter entwickeln und anbieten zu können.

Auch Parteien nutzen diese Möglichkeit, um Wähler besser einschätzen zu können. Die Daten beziehen sie aus verschiedenen Quellen. Eine davon: das Melderegister des Einwohnermeldeamtes. Vor allgemeinen Wahlen und Abstimmungen sind "Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen" dazu berechtigt, über Meldebehörden Auskünfte über die Wahlberechtigten zu bekommen. In erster Linie geht es dabei um Gruppenauskünfte, etwa um die Nennung von Personen im Gemeindebereich im Alter von 18 bis 24 Jahren. Oder spezifischer: Nur die Erstwähler. Oder die Gruppe der 60- bis 70-Jährigen undsoweiter. So kann zielgruppengerechte Wahlwerbung betrieben werden.


Widerspruch einlegen

Nutzen das die hiesigen Parteien? Im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen hat der Fränkische Tag bei den Kreisvorsitzenden der beiden großen Parteien CSU und SPD sowie bei Behörden nachgefragt. Ach ja: Wer als Einwohner nicht möchte, dass solche Auskünfte erteilt werden, der kann widersprechen.

Die erweiterten Melderegisterauskünfte sind für Parteien gegen Gebühr möglich "in den sechs der Stimmabgabe vorangehenden Monaten", heißt es im Bundesmeldegesetz (BMG). Name und Anschrift werden dabei übermittelt, für die Zuordnung zu einer Gruppe ist das Lebensalter der Betroffenen ausschlaggebend, das Geburtsdatum wird nicht mitgeteilt. Jüngst hat die Gemeinde Untermerzbach in ihrem Amtsblatt (Gemeindebote) Auszüge aus dem BMG dazu veröffentlicht. "Dazu sind wir verpflichtet", erklärt Maria Grell vom Einwohnermeldeamt. Nicht nur Untermerzbach, sondern alle Kommunen mit Melderegister: Dabei geht es nach Auskunft des Landratsamtes des Landkreises Haßberge vor allem darum, die Bürger auf ihr Widerspruchsrecht aufmerksam zu machen. Die Bürger seien bei ihrer Anmeldung in der Kommune darauf hinzuweisen. "Weiterhin ist allen Gemeindebürgern einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung (etwa Amtsblatt oder Rathaus-Aushang, die Red.) das Widerspruchsrecht bekannt zu geben", teilt Pressesprecherin Moni Göhr vom Landratsamt in Haßfurt mit.

Für die Gemeinden also ein Routinevorgang. Ist der Hinweis veröffentlicht, melden sich dann am nächsten Tag hunderte Bürger und widersprechen? Nicht wirklich, sagt Maria Grell. Das bewege sich in einem relativ stabilen Rahmen, in Untermerzbach hätten etwa 15 bis 20 Prozent der Betroffenen dieser Auskunft widersprochen. Hat man das einmal getan, gilt das dauerhaft. Dann ist eine Übermittlungssperre in Kraft, die am besten schriftlich bei der Gemeinde oder direkt im Gespräch im Einwohnermeldeamt verlangt wird. Eine Angabe von Gründen sei nicht erforderlich.

Laut Wolfgang Brühl, Vorsitzender des SPD-Kreisverbands Haßberge, wird die Möglichkeit, bestimmte Daten abzufragen, im Wahlkampf durchaus genutzt. Das sei zum Beispiel nützlich, um "Erstwähler gezielt anzuschreiben", sagt er. Oder andere Bevölkerungsgruppen. Einen Monat nach der Wahl müssen die Daten gelöscht werden.


Lieber direkt vor Ort

Der CSU-Kreisverband Haßberge selbst nutzt die Abfragemöglichkeit kaum, wie Vorsitzender Steffen Vogel erklärt. Vereinzelt tun dies Ortsverbände, um bei Kommunalwahlen zum Beispiel hart umkämpfte Orte genauer analysieren zu können. Bei Bundestagswahlen "spielt das bei unseren Wahlkampfplanungen keine Rolle", da verlasse sich der Kreisverband auf sein gutes Mitgliedernetzwerk. Neben den hauptamtlichen Bürgermeistern, einem Landrat und zwei Landes- und Bundespolitikern aus dem Landkreis habe man rund 1800 CSU-Mitglieder als Multiplikatoren, die vor Ort "Face to Face" in den Wahlkampf ziehen, so Vogel.


Kommentar von Redakteurin Brigitte Krause: "Woher wissen die das...?"

"Kommunen geben meine Daten her. Will ich nicht. Aber, Illusion: Ich bin schon Opfer. Im Internet. Facebook bewirbt mich mit Tomatensamen. Wann habe ich danach gegoogelt? Lange her! Geheime Algorithmen wissen mehr über mich als ich selbst, wecken meine Gelüste. Böse neue Welt."