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Tödliche Schüsse auf Janina M.: Die Ärzte hatten keine Chance


Autor: Christian Pack

Unterschleichach, Mittwoch, 14. Dezember 2016

Kein Bogenschuss, kein Querschläger: Die Kugel trifft die Elfjährige an Neujahr direkt am Hinterkopf. Die Mediziner können die Schülerin nicht retten.
Der Blick geht zu Boden: Der Angeklagte Roland E. wartet im Sitzungssaal des Landgerichts Bamberg auf den Beginn der Verhandlung.  Foto: M.. Hoch


+++ 11-Jährige Janina an Silvester erschossen: Urteil im Mordprozess

Äußerlich unberührt verfolgt Roland E. den größten Teil des zweiten Verhandlungstages am Landgericht Bamberg. Im Mordprozess um die getötete Janina M. blickt der Angeklagte immer wieder teilnahmslos zu Boden. Erst als es am Nachmittag um seine Waffen und den tödlichen Schuss geht, verfolgt der Sportschütze die Ausführungen der Sachverständigen aufmerksam und interessiert.

Die Gutachten der Waffenexperten belasten den Angeklagten schwer. Unter anderem führt Dieter Stiefel vom Bayerischen Landeskriminalamt aus, dass der Revolver des Beschuldigten kurz nach der Tat gereinigt worden sein muss - obwohl der Angeklagte in ersten Vernehmungen ausgesagt hatte, dass er seine Waffen seit 15 Jahren nicht mehr angerührt habe. "Der Revolver triefte vor Öl", sagte Stiefel.

Zudem habe man feststellen können, dass die fünf Patronenhülsen, die im Aschekasten des Kachelofens gefunden worden waren, eindeutig aus der Tatwaffe stammen. Aufgrund des Tatorts und der Ergebnisse der Obduktion sei es darüber hinaus aus Sicht des Experten nachvollziehbar, dass der tödliche Schuss von der Ecke des Wohnhauses von Roland E. kam.


Ortsbegehung am Tatort

Dies bestätigte der Sachverständige Beat Kneubuehl, der aufgrund der Kopfverletzungen den Weg der Kugel analysiert hatte. "Einen Bogenschuss konnten wir schnell ausschließen", erklärte der Ballistiker. Die Begutachtung der Kugel hätte zudem ergeben, dass es sich um keinen Querschläger gehandelt haben könne.

Die exakte Distanz zwischen Täter und Opfer, so der Schweizer Experte, könne man nicht berechnen. Aufgrund der Beschaffenheit der Waffe und den Ergebnissen der Obduktion könne man aber sagen, dass eine Distanz von 40 Metern nicht überschritten wurde. Einen Schuss aus unmittelbarer Nähe könne man ausschließen.

Das Gericht machte sich bei einer Ortsbegehung in Unterschleichach am Abend noch ein Bild von der Umgebung. Eine Zeugin schilderte, wo Janina und die anderen Kinder standen, als der tödliche Schuss fiel. Das Gericht ging um das Haus des Angeklagten herum und in dessen Garten. Auf dem Rasen wurde darüber gesprochen, wo der Schütze möglicherweise stand. "Er will nichts dazu sagen, wo er stand", sagte der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt.


Falsches erstes Gutachten

Interessant: In einem ersten Gutachten war Dieter Stiefel aufgrund falscher Informationen über die Kopfverletzung davon ausgegangen, dass der Schuss aus einer Entfernung von circa 750 Meter abgefeuert wurde und zwischenzeitlich den Boden berührt haben muss. Deshalb war Roland E. zunächst als Verdächtiger nicht in Betracht gekommen. Ein Polizeibeamter sagte vor Gericht aus, dass man anfangs unter anderem an einen Jugend-Streich mit illegalen Böllern glaubte.

Als sich herausstellte, dass die erste Beurteilung nicht passen kann, geriet Roland E. mehr und mehr ins Visier der Ermittler. Am 12. Januar 2016 nahmen die Ermittler den Angeklagten an seiner Arbeitsstelle fest. Der 54-Jährige zeigte kaum emotionale Regungen, hört sich die Vorwürfe geduldig an. "Er hat nichts abgestritten. Das kam mir komisch vor", so der Zeuge. Erst auf der 40-minütigen Autofahrt nach Schweinfurt sei der Beschuldigte nach und nach aufgetaut.

In den folgende Vernehmungen räumt er dann ein, mit der Tat etwas zu tun zu haben. "Er sagte unter anderem: Dann muss ich wohl geschossen haben." Als Gründe sollen die Worte "Blödsinn", "Dummheit" und "Ärger" gefallen sein. Auf dem Weg zum Haftrichter am Tag danach habe Roland E. dann erleichtert gewirkt, obwohl ihm bewusst war, dass ihm ein Kapitalverbrechen vorgeworfen wird. In all seinen Vernehmungen bestritt der Beschuldigte aber, auf die Menschengruppe vor seinem Haus in Unterschleichach geschossen zu haben. Ziel sei der Wald gewesen. "Er sagte, er wisse ja, wie gefährlich das ist."

Nahezu täglich habe E. darüber nachgedacht, sich der Polizei zu stellen. Aus Angst vor den Folgen, erklärte er den Polizeibeamten, hätte er dies aber nicht getan. Ihm hätte dazu schlicht der Mut gefehlt.


Notoperation in der Nacht

Am zweiten Verhandlungstag wurde zudem deutlich, dass Janina M. aufgrund der Schussverletzungen praktisch keine Überlebenschance hatte. "Die Kugel war für den Tod direkt verantwortlich", sagte Michael Bohnert vom Rechtsmedizinischen Institut der Uni Würzburg. Die Verletzungen seien so massiv gewesen, dass man das Kind auch nicht hätte retten können, wenn beispielsweise der Notarzt am Tatort gewusst hätte, dass es sich um eine Schussverletzung handelt.

Anfangs war man noch von einem Schädel-Hirn-Trauma infolge eines Sturzes ausgegangen. Im Krankenhaus wurde dann ein metallischer Gegenstand im Kopf der Schülerin entdeckt. Die Kugel hatte im Gehirn schwere Schäden verursacht, erklärte einer der behandelnden Ärzte vor Gericht. Janina M. wurde in der Nacht notoperiert und auf die Intensivstation verlegt. Eine halbe Stunde später musste sie abermals reanimiert werden. Vergebens. Um 7.12 Uhr am Neujahrestag wurde die Patientin für tot erklärt. "Es gibt keinen Zweifel, dass der metallische Gegenstand dafür ursächlich war", so der Mediziner.

Der Prozess wird am Donnerstag, 15. Dezember, fortgesetzt.