"Wo hast du mich nur hingebracht?" In einem lichten Moment schien Werner K. (Name geändert) genau zu wissen, was um ihn herum los war. Das zumindest schilderte seine Angehörige dem Vorsitzenden Richter Manfred Schmidt. Vier Monate hatte Werner K. in dem idyllisch gelegenen Schloss aus dem 18. Jahrhundert gelebt. Dann war der 81-jährige Rentner im August 2014 tot. In die geschlossene Abteilung hatte man den an Demenz erkrankten Mann eingewiesen.
"Weil er Weglauftendenzen und Halluzinationen hatte," so eine Angehörige, die zugleich seine gerichtlich bestellte Betreuerin war. "Mein Eindruck vom Haus war von Beginn an schlecht." Es habe aber weit und breit keine andere Möglichkeit gegeben, Werner K. unterzubringen. "Sonst hätte ich ihn sofort herausgenommen."
Demenzkranker hatte blaue Flecken an Armen, Händen und Gesicht
In Gleusdorf seien die Angestellten wenig freundlich gewesen, "fast schon interesselos". Jede Woche sei sie von Küps aus nach Untermerzbach gefahren, um ihn zu besuchen. "Er wurde immer müder und apathischer. Er kam mir zugedröhnt vor." Auch habe er öfters blaue Flecken an Armen und Händen sowie im Gesicht gehabt, wohl von Stürzen. Offenbar hatte er einer Herzerkrankung wegen starke Medikamente zur Blutverdünnung nehmen müssen. "Er wollte in kein Krankenhaus, weil er zuvor in sechs Kliniken gewesen war. Er wollte sterben."
Als sie nachfragte, habe man ihr nur widerwillig die Medikamente genannt, die Werner K. bekommen hat. Als die Angehörige habe wissen wollen, was man zu tun gedenke, hieß es: "Sie würden ihn nicht ins Krankenhaus bringen, sondern erst einmal andere Sachen probieren. Das sei ein Verfahren, das es noch nicht oft in Deutschland gebe," berichtete die Zeugin von einem Gespräch mit der Heimleiterin. Nach seinem Tod sei sie wieder nach Gleusdorf gekommen, um die wenigen Habseligkeiten Werner K.s abzuholen. "Man gab mir zwei blaue Müllsäcke, in denen sogar sein Gebiss war." Mit ihr sprechen habe die Heimleiterin aber nicht wollen.
Frühere Pflegedienstleiterin berichtet von "Tablettenschiebereien"
Gefährlicher für die drei Angeklagten aber war die Aussage einer früheren Pflegedienstleiterin. Sie hatte nach nur zwei Jahren 2015 gekündigt. Angeblich "aus privaten Gründen". Wie sich auf Nachfrage des Oberstaatsanwaltes Otto Heyder herausstellte, aber wegen Skrupeln. Es sei zwar nicht um die Fälschung der Pflegedokumentation gegangen, wie dies eine Pflegeassistentin am fünften Verhandlungstag ausgesagt hatte. Wohl aber um "Tablettenschiebereien". Die für jeden Bewohner zusammengestellten Medikamente, die in verplombten Kisten von der Apotheke geschickt worden waren, und die Arzneien, die sie bei einem Patienten vorgefunden habe, hätten nicht übereingestimmt. "Das ist für mich ein völliges NoGo." Hinzu sei gekommen, dass sie eigentlich als Pflegedienstleiterin mit werktäglichen Arbeitszeiten eingestellt worden sei, dann aber "wegen Personalnotstands" als Fachkraft am Bett auch am Wochenende habe eingreifen müssen. "Ich fühlte mich ausgenutzt."
Vom respektlosen Umgang mit ihr ganz zu schweigen. Sie selbst habe keinen Arzt anrufen dürfen, obwohl eine Pflegefachkraft einschätzen könne, wann das erforderlich sei. "Es lief immer über die Heimleiterin." Als sie es doch gewagt hatte, "habe ich einen Anschiss der Heimleiterin bekommen, den ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde." Sogar beim eigenen Bruder, der nach vier Schlaganfällen in Gleusdorf untergekommen sei, habe man die Einlieferung in ein Klinikum verweigert. "Ich habe regelrecht gebettelt. Ich durfte mich nicht um ihn kümmern."