Konversion mit Luftschlössern und -nummern

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Viele Sonnenanbeter: Viele Dächer und Felder ringsum Eberns einstiger Kaserne dienen der Stromerzeugung. Foto: Ronald Rinklef
Viele Sonnenanbeter: Viele Dächer und Felder ringsum Eberns einstiger Kaserne dienen der Stromerzeugung.  Foto: Ronald Rinklef
(Ein-)Gerüstet: Kommt bald das Sport-Event-Center? Fotos: Ralf Kestel
(Ein-)Gerüstet: Kommt bald das Sport-Event-Center? Fotos: Ralf Kestel
 
Noch viel Arbeit: In der künftigen Rettungswache und deren Umfeld.
Noch viel Arbeit: In der künftigen Rettungswache und deren Umfeld.
 
Ebern aus der Luft - aufgenommen von Ronald Rinklef
Ebern aus der Luft - aufgenommen von Ronald Rinklef
 
Die einstige Kaserne.
Die einstige Kaserne.
 
Die Solaranlagen bei Eichelberg und im früheren Übungsgelände.
Die Solaranlagen bei Eichelberg und im früheren Übungsgelände.
 
Die Mannlehen-Siedlung.
Die Mannlehen-Siedlung.
 
Eberns Altstadt von Osten her.
Eberns Altstadt von Osten her.
 
Ebern und Fierst fotografiert beim Anflug von Westen her.
Ebern und Fierst fotografiert beim Anflug von Westen her.
 
Die Altstadt von Süden.
Die Altstadt von Süden.
 
Kaserne, Ruppach, Ebern und Heubach sowie die Windräder auf dem Bretzenstein.
Kaserne, Ruppach, Ebern und Heubach sowie die Windräder auf dem Bretzenstein.
 
 

Kistenhausen? Wo liegt denn Kistenhausen? Ein verwunschenes Dorf, geschleift von unbekannten Mächten? Nein, Kistenhausen liegt nicht tief im Wald, eher am Rande, aber mitten im einstigen Bundeswehr-Übungsgelände von Ebern. Eine Momentaufnahme zur laufenden Konversion bei einem Herbstspaziergang.

Zwei spartanisch ausgestattete Gebäude ersetzten die früher genutzten Holzkisten-Konstrukte und erfüllten damit einen wichtigen Auftrag: Hier übten die Bundeswehrsoldaten den Häuserkampf. Jetzt sehen die "Eroberer" ganz anders aus: Die paar Jungs, die sich sonntags am Nachmittag trafen und mit ihren Plastik-Gewehren, geladen mit Bio-Kugeln, aufeinander ballerten, wurden eines sonnigen Tages von der Polizei abgeholt.

Keine Menschen Seele

Das Prinzip der Abschreckung funktionierte. Die Jungs sind weg, dafür kämpfen sich andere Usurpatoren vor: Bodendecker, Sträucher, Krabbeltiere. Die Natur erobert zurück, was ihr einst von den Streitkräften und deren Auftrag zur Landesverteidigung entrissen worden war.

Das Riesenareal wirkt menschenleer. Beim stundenlangen Spaziergang an sonnigen Herbsttagen begegnet einem nicht eine Seele.
Himmlische Ruhe oder Grabesstille? "Bin ich allein auf der Welt?", fragt sich der Wälder-bummler. Nein, der trockene Ostwind weht von der Ferne des Tuten der Bimmelbahn übers Land. Ein Hauch von Zivilisation.

Und auch ein gelbes Flugzeug nähert sich von Sendelbach her, überfliegt in geringer Höhe das einstige Schutzgebiet. "Den hätten wir früher ohne Vorwarnung abschießen müssen", erinnert sich der Bodenverteidiger und Hans-guck-in-die-Luft an einen Befehl aus seiner Soldatenzeit. Zu Zeiten des Kalten Krieges lauerte der Feind eben nicht nur hinter jedem Busch und dem "Eisernen Vorhang".

78 Einwohner leben im Stadtgebiet von Ebern im Durchschnitt auf einem Quadratkilometer. Die 250 Hektar des früheren Militärareals drücken den Schnitt gewaltig. Das dürfte sich durch das angedachte Asylbewerber-Wohnheim relativieren, wenn Hilfesuchende aus aller Herren Länder in Kompaniestärke in ein freies Gebäude in der hintersten Ecke der Kaserne, die jetzt als Gewerbepark firmiert, einziehen.

Doch auch die Natur kommt zu ihrem Recht. Die Artenvielfalt, die der nimmermüde Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz, Klaus Mandery, aufspürte und dokumentierte, hat Zuwachs bekommen: Schafe blöken mit den Umspannern der Photovoltaikanlagen um die Wette, wenn die Herbstsonne die November-Tristesse aufhellt und für eine lukrative Ausbeute bei anonymen Investoren von fernab sorgt. Statt des monotonen 50-Herz-Summens dringt ein hochfrequentes Surren ins Freie. Das Ächzen der Transformatoren, die Überschichten schieben. Die vierfüßigen Wolllieferanten stört's wenig bis gar nicht, genüsslich grasen sie zwischen den Kollektoren.

Kein Zutritt

"Betreten verboten" steht auf den vielen Schildern rings um die Solarfelder. Das erinnert an den "militärischen Schutzbereich" von dereinst. Und noch ein Verbot lässt einen auf zurückzucken: Betreten der Teichanlage verboten, steht da geschrieben. Als ob sich Schlittschuhläufer oder Surfer hierher verirren würden. Das Dickicht umrahmt das Gewässer, dichter als es ein Stacheldrahtzaun vermocht hätte.

Es wuchert an allen Ecken. Die Betonflächen nutzt der Bauhof als Lagerstätten. Braucht er auch. Bei so viel Wildwuchs. Hier ein bisschen Abbruchmaterial, da der Reisig. Futter für die gefräßige Biomasse-Heizanlage, die rund um die Uhr einige Gebäude "befeuert", aber noch keine Renditen abwirft.

Nachwachsende Rohstoffe, überall. Auch aus den Abflussrinnen "schossern" schon wieder Triebe. Viel Arbeit für den Bauhof. Ein Kampf, der kaum zu gewinnen ist. Die Natur ist stark, das Personal zu schwach.

Wer braucht Flutlichter?

Das zeigt sich auch an der Panzerwaschanlage. Die Wachmannschaft hat die Schlacht verloren, die Fenster sind allesamt eingeschlagen. Die Täter? Unbekannt. Die Spurenlage weist auf Liebespärchen und einige Schäferstündchen hin. Die Verliebten ließen sich von den vielen Flutlichtern ringsum nicht abschrecken. Wer hätte sie denn einschalten sollen? Wo befindet sich der Schalter?
Und wo die Schlüssel? Zumindest für die Bunker des Mun-Depots gingen sie nicht verloren. Die unterirdischen Schutzanlagen wurden "aufmunitioniert" - mit Eicheln statt Kugeln. Die üppige Eichelmast heuer sorgt für Nachschub. Eberner Familien sammeln eifrig, damit ein Stiftungswald nahe Welkendorf bald aufgeforstet werden kann. 90 Cent gibt's fürs Pfund. Etliche Doppelzentner sind schon zusammen gekommen.

Droht ein Abriss der Kapelle?

Geld benötigen auch die Mitglieder des Kapellenbauvereins, die sich die St. Barbara-Kapelle, noch so einem Hort der Stille und Einkehr, "zurückerobert" haben. Mit der Ruhe könnte es bald vorbei sein. Der Hang rutscht. Weil die vorgeschobenen Beobachter immer mehr Risse an den Außenwänden feststellten, gibt es nun sogar Überlegungen, die Kapelle komplett abzutragen, um sie auf einer entsprechenden Gründung neu erstehen zu lassen. Ein Kraftakt für die wenigen Helfer.

Weitere finanzielle Klimmzüge erfordert auch das projektierte Sport-Event-Center. Nachdem sich monatelang kein Finger rührte, lassen die mittlerweile aufgestellten Gerüstteile bevorstehende Aktivitäten erahnen. Und auch einige Firmen gehen schon ein und aus, wie dies auch bei der BRK-Rettungswache festzustellen ist, da von Dritten die Erste Hilfe verbessert werden soll.

Mehr Leben täte dem Areal, das in Spitzenzeiten 1500 Soldaten eine "Heimat auf Zeit" bot, auch gut, auch wenn schon 44 Gebäude verkauft oder umgenutzt sind, und nur noch sechs Häuser - "intensiv nachgefragt" - noch zum Verkauf stehen, wie Bürgermeister Robert Herrmann (CSU) erst dieser Tage mitteilte. Auch wenn er immer beteuert, dass mit dem Garnisonskauf keine Geschäfte zu machen seien, rang er sich bei der Bürgerversammlung in Weißenbrunn doch zu der Einschätzung durch, dass "ich froh darüber bin, dass wir den Mut zur Übernahme aufgebracht hatten".