Fall Janina: Wie kam der Schütze zu seiner Waffe?
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Donnerstag, 14. Januar 2016
Der Mann, der die elfjährige Janina in der Silvesternacht erschossen haben soll, besaß legal Waffen, weil er einst als Schütze aktiv war. Fast 12 000 Lang- und Kurzwaffen gibt es insgesamt im Kreis Haßberge.
+++ 11-Jährige Janina an Silvester erschossen: Urteil im Mordprozess
Die unfassbare Tat von Unterschleichach, bei der ein 53-jähriger Mann in der Silvesternacht aus Ärger über den Lärm vor seiner Haustür die elfjährige Janina erschoss, wirft Fragen auf und bringt Diskussionen in Gang. Etwa darüber, ob legaler Waffenbesitz in Deutschland zu lax gehandhabt wird oder ob gar ein Verbot von Handfeuerwaffen die Situation entschärfen könnte.
In Unterschleichach, einem 450 Einwohner zählendem Ortsteil der Gemeinde Oberaurach, wurden laut Kathrin Thamm, der Sprecherin des Polizeipräsidiums Unterfranken, 60 Kleinkaliberwaffen geprüft. Bei einer davon, einem Revolver, handelte es sich wohl um die Tatwaffe. Insgesamt sind im Kreis Haßberge nach Angaben des Landratsamtes 2190 Kleinkaliberwaffen registriert. Zusammen mit den gemeldeten Großkaliberwaffen ergiben sich 11 715 Waffen, die auf 2193 Waffenbesitzer registriert sind, darunter sind 828 Jäger und 786 Sportschützen, der Rest verteilt sich auf Erben, Altbesitzer und Sammler.
Psychologische Probleme
Als bekannt wurde, dass der Tatverdächtige und geständige Roland E. zwei Kleinkaliber- sowie zwei Großkaliberwaffen legal besitzt und zudem laut Staatsanwaltschaft Bamberg unter psychischen Problemen litt und deswegen in Behandlung war, war die Empörung groß: Wie kann es sein, dass einer psychisch labilen Person ihre Waffen nicht weggenommen wurden? - so lautete etwa der Tenor der Fragestellungen der Kommentatoren unter dem Artikel zu den Hintergründen der Tat auf infranken.de.Wie also stellt das Landratsamt des Landkreises Haßberge in Haßfurt die Zuverlässigkeit der Waffenbesitzer im Landkreis sicher? Das Amt ist zuständig für die sogenannte Regelüberprüfung der Inhaber einer Waffenbesitzkarte (alle drei Jahre). "Das Landratsamt, also die Waffenbehörde, prüft die verschiedenen Registereinträge", erklärt Pressesprecherin Monika Göhr.
Das heißt, die Behörde holt Auskünfte ein über Einträge im Bundeszentralregister, aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister und dem Polizeiregister. "Wenn dort kein Eintrag erfolgt ist, gilt der Waffenbesitzer als zuverlässig", so Göhr. "Wir hatten keine Kenntnis von einer psychischen Erkrankung des Tatverdächtigen." Und: "Die Zuverlässigkeitsprüfung ist immer die gleiche - ganz gleich wie lange jemand eine Waffe besitzt."
Weil der Tatverdächtige Roland E. den Ermittlern zufolge als Sportschütze in den Besitz seiner Waffen gelangt sein soll, gibt es auch generelle Kritik am Schützensport. So meldete sich die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen" zu Wort. Wie die Deutsche Presseagentur berichtet, forderte diese Initiative erneut ein Verbot tödlicher Sportwaffen - egal welchen Kalibers. Der Tod des Mädchens durch eine Kugel aus einer Kleinkaliber-Sportwaffe zeige erneut, dass das Risiko tödlicher Sportwaffen nicht beherrschbar sei, teilte der Sprecher der Initiative, Roman Grafe, mit.
Kein Mitglied im örtlichen Verein
Einen Generalverdacht verbitten sich die Schützenvereine jedoch. "Wir unterscheiden zwischen Waffe und Sportwaffe", sagt Norbert Mahr, der Vorsitzende des Schützenvereins Oberschleichach. "Bei uns ist es ein Sportgerät. Wir legen großen Wert auf Sicherheit." Einige Medien hatten berichtet, dass der 53-jährige Tatverdächtige aus Unterschleichach Mitglied im "örtlichen Schützenverein" gewesen sein soll, was in diesem Fall der Verein im Nachbarort Oberschleichach wäre. Mahr erklärt, dass dies nicht stimmt. "Und er war auch noch niemals Mitglied bei uns", sagt er, das habe er überprüft. Polizeisprecherin Thamm erklärte gestern, der Tatverdächtige habe angegeben, er sei Mitglied in einem Verein in der Nähe gewesen, habe aber seit 15 Jahren nicht mehr geschossen. Um welchen Verein es sich handelte, sei für die Ermittlungen zunächst nicht relevant gewesen. Es werde im Verlauf der weiteren Ermittlungen aber überprüft.
Waffen nicht unters Volk bringen
Mahr stellt das fest, weil er bereits mehrfach nach dem Tatverdächtigen gefragt worden sei, der angeblich Mitglied beim Schützenverein Oberschleichach ist. Der Verein überprüfe genau, ob ein potenzielles Neumitglied Interesse am Schützensport hat oder nur Waffenbesitz anstrebt. Dazu werden mehrere Gespräche geführt, gegebenenfalls wird die Mitgliedschaft verweigert. Ist jemand aufgenommen geworden, kann er aber nicht sofort Waffen kaufen. "Sie müssen mindestens zwölf Monate im Verein sein, darunter geht gar nichts", erklärt Mahr. Es seien Schulungen und Prüfungen zu absolvieren. "Wir wollen nicht möglichst viele Waffen unters Volk bringen, wir wollen, dass sie als Sportgerät genutzt werden."Thomas Sechser, Bürgermeister von Oberaurach, nimmt die Sportschützen in Schutz: "Sie wissen normalerweise, wie sie mit ihren Waffen umgehen zu haben. Ein Generalverdacht gegen Schützen ist nicht angebracht." Gerhard Hartmann, Vorsitzender der Privilegierten Schützen in Haßfurt, glaubt nicht, dass ein strengeres Waffenrecht etwas nützen würde. "Dass eine mit vertretbarem Aufwand durchführbare Begutachtung 100 000er Schützen etwas herausfiltert, das bezweifle ich." Und wenn ein Gutachter etwas nicht bemerkt habe und es passiere dennoch etwas, ist dann der Gutachter in der Verantwortung?
Weiterhin wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, warum die Ermittler die Festnahme eines Tatverdächtigen erst am 13. Januar öffentlich bekanntgaben, obwohl sie dem Täter womöglich schon von Anfang an auf der Spur waren. Offiziell wurde bis zum 12. Januar erklärt, dass es keine heiße Spur gebe. Polizeisprecherin Kathrin Thamm nimmt dazu Stellung: "Die Verdachtsmomente gegen den Anwohner haben sich erst in den letzten Tagen der Fahndung erhärtet." Insgesamt habe sich die Arbeit bis zu dessen Vorführung vor der Haftrichterin über 13 Tage erstreckt. "Erst im letzten Drittel dieser Zeitspanne rückte der Mann mehr und mehr in den Fokus."