Eberner Komponist auf Weg zum Profi-Musiker
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Freitag, 19. Februar 2016
Der aus Ebern stammende Johannes Dorsch hat den Weg zum Profi-Musiker eingeschlagen. Mit seiner Gruppe hat er eben die dritte CD aufgenommen.
So viele Schubläden kann der Schreiner Franz Dorsch gar nicht in einen Schrank einbauen, wie im Kopf von Sohnemann Johannes an (musikalischen) Ideen herumspuken. Seine Vorlieben passen in keine der gängigen Schubladen oder Genres. Vergangene Woche hat er zusammen mit seiner Band in der Schreinermeisterschule die dritte CD eingespielt, die im Juni auf den Markt kommen soll. Am Sonntag, 21. Februar, ist in der ARD eine Reportage zu sehen, zu der Johannes "Johnnie" Dorsch die Filmmusik geliefert hat.
In einem alten Bauernhaus des Vaters in der Neubrückentorstraße hat der 31-Jährige zusammen mit Thorsten Berndhardt ein Tonstudio eingerichtet. Er komponiert und arrangiert, textet und hat so viel Spaß daran, dass er die Idee, Profi-Musiker zu werden, in die Tat umsetzt. Dazu gehört aktuell auch der Umzug vom Studienort Leipzig zur Freundin nach Augsburg, womit er der Filmstadt München auf die Pelle rücken will.
Johnnie, wie ihn seine Freunde aus der Gruppe "The Instant Voodoo Kit"und er sich selbst auf Cover der bisher erschienenen Platten nennen, sprüht nur so vor Ideen. Nach den Aufnahme-Sessions in der Schreinermeisterschule während der Faschingswoche hat ihn der Rough-Mix schon begeistert, jetzt folgen das Abmischen, das Mastering, damit davon Schallplatten und CDs gepresst werden können.
Studium in Würzburg als Auslöser
Unterstützt werden die 13 Voodoo-Musiker, die sich vor sechs Jahren beim Studium in Würzburg zusammengefunden haben, zwischenzeitlich aber auf ganz Deutschland verteilt sind, von Friedrich Betz, einem Kontra-Bassisten, der in Mannheim Producing studiert, als kreativem Leiter sowie Oliver Wrage, einem Gründungsmitglied der Kultband "LaBrass-Banda", der dort bis 2013 den Bass zupfte. Mit der Veröffentlichung stehen Auftritte bei einem Fantasy-Festival in Holland sowie mehrere Release-Auftritte im August auf dem Programm. "Wir wollen die Scheibe ja unter die Leute bringen", sagt der Musiker. In Vorbereitung ist auch eine Balkan-Tournee.
Dabei ist es gar nicht so einfach, die gesamte 13-Mann-Combo unter einen Hut zu bringen. "Da sind Ärzte dabei, Ingenieure, Juristen, Grafiker und zwei klassisch ausgebildete Profimusiker." Johannes Dorsch selbst hat Germanistik und Philosophie studiert, danach eine Zeit lang in Nürnberg als Redakteur gearbeitet. Seit drei Jahren hat er sich der Musik und deren Studium in Leipzig verschrieben. "Das Gitarre spielen habe ich mir bis zum Alter von ungefähr 13 Jahren als Autodidakt beigebracht, aber danach habe ich Unterricht genommen, um mein Spiel zu perfektionieren", erzählt er.
Und so hängen eine Gibson, eine Fender neben vielen anderen Klampfen im Mischerraum des Tonstudios herum, wo Klavier und Kesselpauke zum Instrumentarium gehören. "Unser etwas besserer Proberaum ist zum festen Anlaufpunkt geworden", freut sich Johannes über die Schalldruck-/Angerbach-Studios, die seit 2007 "so nach und nach" aufgebaut und mit viel Equipment voll gestellt wurden.
Studio im alten Bauernhaus
So erhielten die Räume des einstigen Wohnhauses eines typischen Eberner Bauernhofes eine Schalldämmung und wurden mit viel Technik vernetzt und verstöpselt. Das Kernstück bildet ein 24-Kanal-Mischpult. "Einige Techno-Rap und elektronische Produktionen sind schon gelaufen."Für die aktuelle Aufnahme wurde die Technik aber in einen Kellerraum der Meisterschule gepackt und dort aufgenommen. "Weil alle 13 hätten gar nicht in den Aufnahmeraum des Studios gepasst und wir wollten diesmal unter Live-Bedingungen, also alle im Zusammenspiel, aufnehmen und nicht mit späteren Overdubs arbeiten." Dankbar sind die Musiker deshalb Dr. Oliver Dünisch, dem Leiter der Schreinermeisterschule, der die Räumlichkeiten während der Ferien zur Verfügung stellte.
Und Platz braucht die Band auch. Nicht nur wegen der vielen Mitglieder. Die Instrumentierung ist fürwahr nicht alltäglich: Harfe, Kontrabass, Cello, Klarinette. So ungewöhnlich wie das Line-up, so schräg klingt auch die Musik beim ersten Hinhören.
"The Instant Voodoo Kit ist eine Truppe vollkommen abgedrehter Gypsy-Boys, deren Musik auf den ersten Blick - sie treten maskiert, geschminkt und kostümiert auf - ein wenig gewöhnungsbedürftig erscheint.
Aber nur auf den ersten. Zu einem zweiten kommt man gar nicht mehr. Da steht man längst auf der Tanzfläche, da werden auch Großväter oder -mütter wieder munter. Und das Jungvolk sowieso", schrieb jüngst ein Kritiker über einen Auftritt in Bamberg zur Eröffnung der neuen Räume des Theaters Chapeau Claque."Ein bisschen verrückt sind sie schon", urteilte Chapeau-Claque-Mitbegründer Markus Hörner. "Deshalb passen sie so gut zu uns."
In der Tat: Erst macht die Musik stutzig und lässt einen staunen und aufhorchen, aber schon ist sie im Ohr und in den Beinen, wobei die vielschichtigen Arrangements immer wieder verblüffen
Nur Eigenkompostionen
Die vor sechs Jahren gegründete Gruppe präsentiert ausschließlich Eigenkompositionen, die irgendwo zwischen Revue-Kabarett, Straßen-Musik und Balkan-Jazz schweben. "Charleston und Pink Floyd schwirren einem gleichzeitig durch den Kopf, wenn man sich die zweite Scheibe namens "something good" über den Kopfhörer reinzieht. So etwas kommt eben dabei raus, wenn man lauter Akademiker gleichzeitig in ein Zimmer setzt und ihnen Instrumente in die Hand drückt.In die 1920er Jahre versetzt die Hörprobe im Rahmen der Aufnahme-Session zur dritten Scheibe mit dem Titel "Yeah baby" bei einem Song, den "wir so gut noch gar nicht gespielt hatten", wie Kontrabassist Johannes Goschenhofer, der aus Hofheim stammt, mit einem Schuss Selbstironie urteilte. Ein Jahr hatten sie darauf hingearbeitet und experimentiert, sogar alte Mikrophone ausgegraben, um den Sound der 20er Jahre lebendig werden zu lassen. Ein Urteil trügt aber weder beim Lauschen der CD wie auch beim Live-Auftritt nicht. Die Gruppenmitglieder selbst haben ungeheuren Spaß an dem, was sie da darbieten, egal in welche Schublade man es packen möchte.
Die Texte waren bisher meist in Englisch verfasst, jetzt klingen bei der Hälfte der elf eingespielten Songs auch vertraute deutsche Laute ans Ohr. Und nicht ohne Stolz rezitierte Johnnie eine ganz romantische Passage. "Humor und Tragik lassen sich in der Muttersprache eben besser ausdrücken." In einem Stück klingt's sogar chinesisch daher.
Und dies alles mit dem fröhlichen Augenzwinkern der Künstler/innen, denen die Aufnahmen selbst den größten Spaß gemacht haben, wie sie unisono nach vier Fulltime-Tagen mit Studioarbeit von 9 Uhr am Morgen bis 1 Uhr in der Nacht versichern.
Diese gute Laune geben sie auch von der Bühne aus weiter: "Wir sind eine lustige Truppe", die bei ihren Auftritten oft selbst nicht weiß, was alles passiert. "Das Spektrum reicht vom Tanzkonzert bis zum Kabarett", umreißt Johnnie Dorsch die Show, die schon skurrile Formen annimmt. "Das ist das Schöne an unserem Hobby, weil wir das nicht wegen des Geldes machen", beschreibt er.
Bei Tollwood und in Meisterschule
Dabei ist die Truppe gar nicht so billig: "Bei 13 Musikern, die aus ganz Deutschland zusammengetrommelt werden, kommen Veranstalter schon ins Straucheln. Aber wir können auch als Fünf-Mann-Formation auftreten, wobei es zu Neunt oder Zehnt viel mehr Spaß macht", so Dorsch.Zu sehen ist die Band, die beim Umsonst&Draußen-Festival in Würzburg schon vor einigen tausend Besuchern auftrat, heuer auch beim Tollwood-Festival in München oder im Chapeau-Claque in Bamberg im Juli.
Auch ein Werkstatt-Konzert in Ebern wird zum Dank an die gewährte Gastfreundschaft in der Meisterschule überlegt.
Dann passiert es jedenfalls nicht wie bei einem Auftritt in Berlin, als das Geld für die Heimfahrt nicht mehr reichte. "Da haben wir einfach auf der Straße gespielt und so einige hundert unserer damals noch selbst gebrannten CDs verkauft, so dass wir doch noch heimfahren konnten." Überhaupt sieht Johannes Dorsch die Gruppe als "Straßen-Combo": "Wir sind in Würzburg auch schon in einem Treppenhaus aufgetreten."