Ein besonderes Projekt in Unterfranken hat die bedeutendste Ehrung im Bereich des Denkmalschutzes in Deutschland erhalten.
Mit dem "Deutschen Preis für Denkmalschutz" geht die bundesweit höchste Auszeichnung für den Erhalt historisch wertvoller Gebäude in diesem Jahr nach Unterfranken - genauer in den Landkreis Haßberge: Wie das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst am Montag, 28. Oktober 2024, mitteilte, seien die Gemeinde Untermerzbach und der Träger- und Förderverein Synagoge Memmelsdorf in Unterfranken e.V. am Montag in Mainz mit der "Silbernen Halbkugel" prämiert worden.
Damit werden die Verdienste der beiden Preisträger rund um die Restaurierung der Synagogen in Memmelsdorf und Gleusdorf sowie "die Präsentation der reichen jüdischen Geschichte der Region" gewürdigt. Anlässlich des Gedenkjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" wurde laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) vor drei Jahren in der ehemaligen Synagoge des kleinen Gleusdorf, das zu Untermerzbach gehört, ein Lernort eingerichtet. Der Ort, an dem sich die jüdische Gemeinschaft bis 1909 zum Beten versammelte, bietet nun umfassende Informationen zum Landjudentum.
Deutscher Preis für Denkmalschutz geht nach Unterfranken
Wie das für die Preisverleihung zuständige Komitee erklärt, hätten sich Kommune und Verein die Auszeichnung für die die exemplarische Darstellung der facettenreichen Geschichte des fränkischen Landjudentums "als integraler und selbstverständlicher Bestandteil der Orts- und Landesgeschichte" verdient. "Der kleinen unterfränkischen Gemeinde Untermerzbach mit ihren rund 1700 Einwohnern, verteilt auf 13 Gemeindeteile, darunter Gleusdorf und Memmelsdorf mit ihren Synagogen, ist etwas geglückt, was Vorbild sein könnte - nicht nur für Deutschland, sondern auch für ganz Europa", heißt es in der Würdigung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK).
Nachdem die Juden im ausgehenden Mittelalter aus vielen großen Städten vertrieben worden waren, ließen sie sich verstärkt in ländlichen Gebieten Frankens nieder, blickt das Komitee zurück. So entstand im 16. und 17. Jahrhundert in Gleusdorf eine kontinuierlich wachsende jüdische Gemeinde. In den 1830er Jahren lebten dort etwa 45 Juden, was einem Anteil von rund 16 Prozent der Bevölkerung entsprach. Wie aus historischen Berichten hervorgeht, zogen sich die jüdischen Familien, die oft unter schwierigen ökonomischen Verhältnissen lebten, im 19. Jahrhundert verstärkt zurück in urbane Zentren oder wanderten in die USA aus. Bis 1909 kam es zur Auflösung der jüdischen Gemeinde Gleusdorf, deren Vermögen der Israelitischen Kultusgemeinde Memmelsdorf übertragen wurde.
Die Gemeinde Untermerzbach hatte die Synagoge in Gleusdorf - ein kleiner Satteldachbau aus Sandsteinquadern von 1857, der zuletzt als Lager genutzt worden war - im Jahr 2016 erworben und behutsam restauriert. Man habe bewusst auf eine Wiederherstellung der früheren Zustände verzichtet, erklärte ein Sprecher und betonte, dass der vorhandene Bestand konserviert und erläutert wurde. Auch das benachbarte Ökonomiegebäude wurde in das Informationskonzept integriert. Die inhaltliche Betreuung übernahm der Träger- und Förderverein Synagoge Memmelsdorf (Ufr.) e. V., der bereits in den 1990er Jahren die Memmelsdorfer Synagoge erworben und bis 2004 behutsam restauriert hatte.
Gemeinde Untermerzbach und Förderverein gestalten Synagoge zum "Lernort" um
Im Nebengebäude ist eine Raststation für Radwanderer entstanden, die historische Informationstafeln zur kulturellen, politischen und religiösen Entwicklung des Ortes bietet. Der Fokus liegt dabei auf der jüdischen Bevölkerung Gleusdorfs und ihrem Zusammenleben mit anderen Religionen. Die Themen zur politischen Ortsgeschichte wurden vom heimatkundlichen Arbeitskreis Gleusdorf erarbeitet, der aus der lokalen Bevölkerung besteht. Das in Gleusdorf umgesetzte Konzept lehnt sich an die Vorgehensweise bei der Synagoge Memmelsdorf (Ufr.) an.
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Seit der Eröffnung der Synagoge Gleusdorf für die Öffentlichkeit bietet der Träger- und Förderverein Synagoge Memmelsdorf (Ufr.) e. V. dort auch Führungen an und organisiert Veranstaltungen und Vorträge. Ein Kolloquium mit Fachleuten aus Museen, dem Denkmalschutz und der Wissenschaft gab Empfehlungen zur Renovierung und zu den Vermittlungsinhalten. Der Verein wurde 1993 gegründet und kaufte 1994 die Synagoge in Memmelsdorf, um sie zu "renovieren". Nachdem in den Jahrzehnten nach 1945 kein Bestreben bestand, den Hauptraum neu zu gestalten, blieben die Spuren der verschiedenen Nutzungen intakt. Seit 2004 beinhaltet das Gebäude Führungen und Veranstaltungen und ist fester Bestandteil des Gemeindelebens.