Druckartikel: Der "goldene Schuss" auf Tiere ohne Chance

Der "goldene Schuss" auf Tiere ohne Chance


Autor: Ralf Kestel

Gückelhirn, Donnerstag, 19. Januar 2017

Seit Jahrzehnten kommen Schützen aus Holland zwei Mal im Winter nach Gückelhirn, um ihrem Hobby zu frönen.
Sie schauten vergangene Woche noch neugierig auf und ahnten nicht, was ihnen am Samstag blühte:  Foto: Ronald Rinklef;


Den einen fehlt die Waidgerechtigkeit, andere freuen sich auf den "goldenen Schuss" oder das frische Wildbret, das seit dem gestrigen Mittwoch wieder zum Verkauf steht. Aber es sind nicht nur Veganer, denen der Gedanke an eine leckere Wildschweinkeule übel aufstößt. Von einer Ballerei schießwütiger Touristen ist die Rede, vom blutigen Gemetzel hinterm Zaun, da von Tierschützern schon Drückjagden angeprangert werden, wie sie auch im Staatsforst stattfinden. Was vor einigen Wochen am Zabelstein erst zu heftigen Kontroversen führte.

Am Samstag war wieder Gatterjagd auf dem Gelände der Deuster'schen Forstverwaltung. Eine Form der Jagd, die viele Waidmänner ablehnen, zumindest nicht teilnehmen (wollen), obgleich man Verständnis zeigt, dass "auch Damwild irgendwann irgendwie einmal erlegt werden muss", wie es ein erfahrener Jäger bezeichnet, der wie alle anderen nicht namentlich genannt werden möchte. Und ein Kollege fügt an: "Dem Wild geht es doch besser als den Mastschweinen, die irgendwann im Schlachthof landen."

Es waren keine einheimischen Jäger, die da am Samstag ihre Gewehre zum finalen Schuss ansetzten. Die Jäger kommen von weit her: Aus Holland, seit 30 Jahren, wie sie am Wochenende selbst nachzählten. Und sie zahlen viel und gerne dafür.

In den Niederlanden ist die Jagd streng reglementiert. "Holland ist so dicht besiedelt wie der Ruhrpott, da gibt es gar nicht so viele Jagdmöglichkeiten."

Eine Tatsache, die dem Großgehege in Gückelhirn seit Jahrzehnten Zulauf beschert ob gewachsener Kontakte, die sich auch auf Gaststätten und Übernachtungsbetriebe in Nachbarortschaften auswirken. Ein touristischer Pluspunkt im Winter, zumal es sich bei den niederländischen Jägern um eine betuchte Klientel handelt.


Jäger zahlen bereitwillig

Die für ihren Jagdtörn im Frankenland tüchtig in den Geldbeutel greifen. Neben jedem Stand-/Sitzplatz wird auch noch Geld für den (Ab-)Schuss bezahlt, damit die Jagdtrophäe mitgenommen werden darf. "1500 Euro hat einer letztes Jahr hingelegt", witzelten die Holländer am Biertisch über einen Kollegen. Zwei Termine finden im Winterhalbjahr jeweils statt: Am ersten Advent waren nur elf Holländer gekommen, die 39 Tiere erlegten.

Der Hintergrund für das Fernbleiben: Ein Großteil der Jagdgesellschaft weilte in Abu Dhabi zum Formel-1-Finale, weil die honorigen Gäste von einem Autohersteller dazu eingeladen waren.

An diesem Samstag begrüßten die Veranstalter aus Gückelhirn 23 Jäger aus Holland, die 89 Tiere erlegten. Einheimische Waidmänner waren zumeist nur als Helfer im Einsatz, die - beziehungsweise ihre Hunde - die Tiere im Gatter auf die bereit stehenden Jäger zutrieben. "Da gab es schon viele Hunde als Opfer", erzählt ein Insider. Nicht weil die getroffen werden, sondern weil das Damwild solche Gegner nicht kennt und auf die Hunde losgeht.

Die Jagdsöldner nehmen gegen Aufpreis nur die Trophäen mit. Ähnlich wie die Elefantenjäger in Afrika bei den Stoßzähnen, wobei über zollrechtliche Probleme oder Vorgaben nichts bekannt ist.

Das Fleisch der erlegten Tiere wird vor Ort, in der Deuster'schen Gutsverwaltung, verarbeitet und vermarktet. Zur vollsten Zufriedenheit des Veterinäramtes, wie es aus dem Landratsamt hieß. Und zur vollsten Zufriedenheit der Kunden, die die Qualität der Wildspezialitäten immer wieder rühmen und "spitze" finden.


Alles geregelt: Die gesetzlichen Vorgaben für Abschüsse in Wildgehegen - worauf das Landratsamt achtet

Jagdrechtlich ist laut Information aus dem Landratsamt Haßberge zu unterscheiden zwischen:
- Gehegen zu Jagdzwecken
- Gehegen ab zehn Hektar
- Gehegen unter zehn zehn Hektar (Kleingehege).

Jagdgehege, in denen Schalenwild zu Jagdzwecken gehegt und durch Jagdhandlungen genutzt wird, sind unabhängig von der Größe. Genehmigungsvoraussetzung ist, dass durch das Gehege der Lebensraum des Wildes außerhalb der Umfriedung nicht in unangemessener Weise eingeschränkt wird. Weiterhin darf die Jagdausübung nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt werden, und das Gehege muss so gesichert sein, dass die darin befindlichen Tiere nicht entweichen können. Ferner muss das Gehege mindestens die Größe eines Eigenjagdreviers haben (81,755 Hektar) und sich im Eigentum einer Person beziehungsweise einer Personengemeinschaft befinden. Wild, das in solchen Gehegen befindlich ist, gilt nach wie vor als herrenlos und kann im Rahmen der Jagdausübung laut Behördenangaben erlegt werden.

Größenunterschied Für Gehege ab zehn Hektar gelten die Anforderungen entsprechend sowie zusätzlich die Gehegewildrichtlinien vom 2. Januar 2007. Tiere, die in solchen Gehegen gehalten werden, sind nicht mehr herrenlos und damit nicht mehr Wild im Sinne des Gesetzes. Weiterhin gelten grundsätzlich diese Gehege als befriedete Bezirke. Damit ruht die Jagd, eine Jagdausübung findet nicht mehr statt. Dennoch dürfen aus Gründen des Tierschutzes diese Gattertiere nur durch Schuss mit entsprechender Munition getötet werden (etwa zu der Fleischerzeugung). Lediglich bei festliegenden Tieren im Rahmen einer Notschlachtung können Ausnahmen gemacht werden. Für das Schießen der Tiere ist eine waffenrechtliche Erlaubnis nötig.

Kleinere Anlagen Gehege, die kleiner als zehn Hektar sind, sind lediglich anzeigepflichtig. Die Anzeige ist bei der Kreisverwaltungsbehörde zu machen, im Landkreis Haßberge erfolgt sie beim staatlichen Veterinäramt (Landratsamt). Dabei sind die Bestimmungen der Gehegewildrichtlinie zu beachten.

Saubere Aufarbeitung Bei der Jagd im Großgehege in Gückelhirn finden aus veterinärrechtlicher Sicht ein waidgerechtes Erlegen, das zügige Aufbrechen unter sauberen Bedingungen, das Auskühlen und die weitere Behandlung der Tierkörper unter hygienischen Bedingungen statt. Entsprechende Räumlichkeiten seien im Gutshof vorhanden.