So etwas gibt es auch nur in Ebern: In der Stadt macht sich eine breite Front kritischer Köpfe Gedanken, wie die ärztliche Versorgung am Abend und am Wochenende wohnortnah sichergestellt werden könnte. Und keiner weiß, wer dahinter steckt. Das ärgert etablierte Mandatsträger.
Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Und wie schaut's im Fall eines Misserfolgs aus? Ob die Bemühungen der städtischen CSU und SPD, eine Notdienstregelung mit (Haus-)Ärzten an Wochenenden, Feiertagen und den Abendstunden in
Ebern zu organisieren, noch von einem positiven Ergebnis gekrönt sein werden, erscheint zum Jahreswechsel jedenfalls zweifelhaft.
Beide Gruppierungen widmen sich in ihren (seltenen) Haushalts-Verteilungen zumindest des Themas und unterstreichen ihre Unzufriedenheit mit der im Raum stehenden Lösung, dass ab April nur noch eine Bereitschaftspraxis in Haßfurt besetzt sein dürfte. Lange genug hat's gedauert, bis sich die politisch Verantwortlichen in dieser Stadt des Themas angenommen haben.
So verweist SPD-Stadträtin Irene Jungnickl darauf, dass ihre Fraktion eine Resolution eingebracht habe, die vom Stadtrat einstimmig zur Weiterleitung an höhere Stellen verabschiedet wurde.
CSU sammelt Unterschriften
Jungnickl spricht dabei im "Roten Eber" unverblümt ein Problem an: Viele der heimischen Ärzte sind mit der angepeilten Lösung zufrieden, weil sich somit ihre Dienstzeiten entzerren. Von künftig 85 Stunden im Jahr ist aktuell die Rede, wobei beim "Sitzdienst" in der neuen Bereitschaftspraxis in Haßfurt auch eigenes Personal mitzubringen ist.
Die Eberner CSU verweist in ihrem "Ebern-Kurier" auf die initiierte Unterschriftenaktion, die federführend von der Frauenunion (FU) organisiert wurde. CSU-Ortsvorsitzende Gabriele Rögner wird dabei so zitiert: "Schwung in die Sache brachte erst die Frauenunion".
Weiter wird in dem nicht gezeichneten Artikel behauptet, dass die FU das Thema mit einem Vortrag des Reform-Kritikers und CSU- Kreisrates Dr. Peter Jung schon beleuchtet habe, bevor die ersten Online-Kommentare von besorgten Bürgern zum zwischenzeitlich "heißen Thema Ärztenotdienst im Oberen Haßgau" zu lesen waren.
Dies ist schlichtweg falsch, wie sich beim einfachen Durchblättern eines Jahreskalenders beweisen lässt. Und: Den vielen Aktivisten von "Epino", der Bürgerinitiative "Eberner Patienten in Not", tut man mit solch einer Behauptung Unrecht, auch wenn sich diese Online-Kommentatoren noch immer hinter ihren Pseudonymen und Nicknames verstecken.
Zu den Fakten: Dr. Peter Jung sprach am 22. Oktober bei der Frauenunion, wobei er eine Bereitschaftspraxis in Ebern als vernünftigen Kompromiss bezeichnete.
So eine Lösung hatten vorher aber schon jede Menge anderer Leute gefordert. Seit 18. Mai, als Landrat Wilhelm Schneider (CSU) die Schaffung einer einzigen Bereitschaftspraxis in Haßfurt als Erfolg gegenüber noch weitergehenden Plänen der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung (KVB) vorstellte, tobt auf der Eberner Gemeindeseite von
www.infranken.de eine Kampagne gegen nur noch eine einzige Bereitschaftspraxis im Landkreis.
Bereits am 18. Mai meldete sich Dauerschreiber "AnwiptRD" mit einem Online-Kommentar zu Wort, der Kollege "New Opinion3" ließ gleich eine bissige Karikatur folgen. Davon gibt mittlerweile es jede Menge, teils satirisch, teils ironisch, manche übers Ziel hinausschießend.
Von der Internet-Plattform auf die Zeitungsseiten gehoben wurde die Problematik mit einem FT-Bericht vom 12. Juni, dessen Online-Version zu 14 Kommentaren und 107 Votes bei einer Online-Abstimmung führte. Offizielle Reaktionen aus dem Rathaus oder Parteizentralen? Fehlanzeige.
Intern hat die Eberner CSU im Juli dann doch einen vorsichtigen Vorstoß bei Landrat Schneider (CSU) gewagt. Dessen Stellungnahme wurde am 31. Juli im Amtsblatt "Eberner Türmer" unkommentiert und im Wortlaut veröffentlicht. Schneiders Tenor: Nix zu machen bei der KVB, sind wir froh, dass wir noch eine Bereitschaftspraxis für den Landkreis bekommen und die ist in Haßfurt am günstigsten angesiedelt.
Damit gab sich der CSU-Vorstand zufrieden, nicht aber die Undercover-Kritiker. 23 haben sich danach unter verschiedenen Tarnnamen zu Wort gemeldet. Meist mit großem Sachverstand (wer liest denn schon regelmäßig das Deutsche Ärzteblatt), teils mit konstruktiven Ideen, wie etwa die Baunach-Allianz als Notwendigkeit und Berechnungsgrundlage für Ebern als Notdienst-Standort ins Feld zu führen, oder den Vorschlag, die Bayerische Gesundheitsminister Melanie Huml (CSU) nach Ebern zu holen.
Kritiker sammeln Argumente
Auch der Gedanke, die Notfallambulanz am Krankenhaus mit dem Notdienst der Hausärzte zu kombinieren, stammte von einem Internet-Aktivisten, noch ehe solche Überlegungen aus dem SPD-geführten Bundesgesundheitsministerium bekannt wurden. "NewOpinion3" ließ wieder einmal seine fiktive und berüchtigte Tante Frieda aufmarschieren und ein Zusammenschluss in Form der Bürgerbewegung "Epino" meldete sich erstmals 27. Oktober zu Wort und startete am 16. November eine Online-Abstimmung über eine Vier-Modell-Variante, wie und wo Patienten künftig außerhalb der regulären Praxiszeiten einen Arzt finden.
Dies alles teils Monate und Wochen vorher, ehe sich erstmals Stadtratsfraktionen mit dem Thema beschäftigten, oder die Frauenunion - am 21. November - zur Teilnahme an ihrer Unterschriftenaktion aufrief.
Die Internet-Aktivisten haben diese Unterschriften-Sammlung nahezu einhellig begrüßt und zur Teilnahme aufgerufen.
Auch gab es kaum kritische Kommentare. Höchstens, dass offenbar werde, dass die Eberner Christsozialen ihrem CSU-Landrat nicht allzu sehr am Zeug flicken wollen.
Was haben die heimischen Abgeordneten bislang unternommen?Bauchschmerzen bekommen die für Ebern zuständigen Abgeordneten, wenn sie daran denken, dass künftig im Raum Ebern zu bestimmten Zeiten kein Hausarzt mehr greifbar sein soll. Deswegen ruhen auf ihnen bzw. auf ihren Einfluss große Hoffnungen, gerade bei den Parteifreunden an der Basis. Wir haben bei den beiden Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) und Sabine Dittmar (SPD) sowie beim Landtagsabgeordneten Steffen Vogel (CSU) nachgehakt.
"Ich teile absolut die Bedenken der vielen Menschen im Raum Ebern und sehe die Gefahr, dass Patienten aus dem Landkreis weggehen. Ein Wasmuthhäuser wird nicht nach Haßfurt, sondern nach Coburg fahren und ein Rentweinsdorfer nach Bamberg", kennte Steffen Vogel als gebürtiger Wasmuthhäuser. die Denkweise seiner Nachbarn ganz genau. "Insofern werden die Fahrtstrecken für die Bevölkerung im nördlichen Landkreis natürlich viel länger."
Wenig Einflussmöglichkeiten
Das Problem sei, dass die unmittelbare Zuständigkeit bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) als Selbstverwaltung-Körperschaft liege und die Politik nur begrenzten Einfluss habe. "Das betrifft die Rechtsaufsicht des Bayerischen Gesundheitsministeriums, womit aber nur juristische Themenstellungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden", wissen Vogel und Sabine Dittmar, die bis vor wenigen Jahren noch als Allgemeinärztin in Maßbach praktizierte und die Situation in Ebern mit der Lage in Maßbach vergleichbar hält.
Steffen Vogel: "Ich halte es als Mitglied im Gesundheitsausschuss des Landtages für unbefriedigend, dass wir den Kopf hinhalten und uns gegenüber der Bevölkerung rechtfertigen müssen, aber letztlich keine Mitsprache haben, weil es die KVB in eigener Zuständigkeit macht." Deswegen will Vogel kommenden Mittwoch, 13.Januar, im Rahmen einer Klausurtagung des Arbeitskreises Gesundheit in München das Thema mit Ministerin Huml nochmals besprechen.
Probebetrieb als Ernstfall?
Er, Vogel, haben auch schon ein langes Gespräch mit Dr. Martin Degenhardt, dem Sprecher der KVB , geführt. "Ich habe auf die Situation in Ebern und die besonderen Gegebenheiten eines Flächenlandkreises hingewiesen und darum gebeten, den Probebetrieb so einzurichten, dass man nach einem oder zwei Jahren immer noch zu schauen kann, wie es läuft. Ich habe aber den Eindruck, als wolle man genau das Gegenteil, nämlich erst den Probebetrieb nur in Haßfurt und wenn es eben nicht läuft und zu Versorgungsproblemen kommt, dann wieder im nördlichen Landkreis tätig zu werden."
Und noch Problem sieht der Landtagsabgeordnete: " Es muss auch geklärt werden, ob die Ärzte bereit sind, einen eventuellen Notdienst zu besetzen. Die KVB argumentiert, dass eine zweite Bereitschaftspraxis auch doppelt so viele Dienste mit sich brächte und die Ärzte die Notdienste nicht in so starken Umfang machen wollen. Ich kann den Wahrheitsgehalt dieser Aussage nicht überprüfen, sondern gebe nur diese Argumentation nur weiter."
Unnötige Fälle in Notfallambulanz
Skepsis klingt bei Sabine Dittmar an, die über Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) "bestens informiert ist". Sie bestätigt, dass der Bundesgesundheitsminister ein Gesetz auf den Weg gebracht hat, wodurch die KVBs angehalten werden, Bereitschaftspraxen an bestehenden Krankenhäusern einzurichten. "Damit ist auch Ebern im Spiel."
Der Hintergrund dieser Vorgabe sei aber die Absicht, die Notfallambulanzen zu entlasten. "Es kann nicht sei, dass jeder, der sich in den Finger schneidet, im Krankenhaus landet", weiß die Ärztin aus eigener Erfahrung, da "oft ein Klammerpflaster reicht".
Aufgrund der bisherigen Fallzahlen, da am Wochenende von Freitagabend bis Montagmorgen der bisherige Notdienst im Durchschnitt kaum in Anspruch genommen wurde, sieht Dittmar kaum Chancen für eine Bereitschaftspraxis in Ebern. "Das ist wirtschaftlich nicht darstellbar." Sie weiß aber auch, dass aufgrund der Resolution des Eberner Stadtrates nochmals neue Berechnung seitens der KVB angestellt werden. "Diese Fallzahlen kenne ich noch nicht und warte auf einen Antwort von Dr. Degenhardt." Dabei müsse gesehen werden, dass solche Arztbesuche aus den Nachbar-Landkreisen Bamberg und Coburg bei den Bedarfsberechnungen für anderen Bereitschaftspraxen fehlen.
Aus dem eigenen Erleben fand Dittmar die Notdienste in der eigenen Praxis durchaus vorteilhaft. "Wenn keiner kam, konnte man sich nebenbei der Büro-, Haus- oder Gartenarbeit widmen. Auch damals mussten manche Leute, die zu mir kommen wollten, 25 bis 30 Kilometer Anfahrtsweg auf sich nehmen. Das war schon immer zumutbar."
Standortfaktor Apotheken
Als einen Vorteil, der für Ebern spricht, sieht MdB Dittmar die vorhandenen Apotheke, denn es "kann nicht sein, dass jemand 25 Kilometer zum Arzt fährt und nochmals 25 Kilometer, um sein Medikament zu bekommen".
Ebenfalls mit Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) in München Kontakt aufgenommen hat parl. Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU), die sich beim Einchecken vom Flughafen aus telefonisch meldete, ehe ihr Flieger nach Las Vegas abhob, wo sie als Vertreterin der Bundesregierung Termine wahrnimmt. "Ich habe Melanie Huml die problematische Situation im Raum Ebern, der ihr ja nicht fremd ist, geschildert und genau aufgelistet, weshalb sich in einem Flächenlandkreis Probleme ergeben, wenn nur eine Bereitschaftspraxis zur Verfügung steht. Ein Antwort habe ich noch nicht bekommen. Wie die Chancen stehen, weiß man daher nicht."
Es ist in Ebern leider wie immer wenn es um wichtige Dinge geht: Anstatt das die Parteien an einem Strang ziehen um das beste für Ebern raus zu holen will jede Partei immer die sein die als erstes was unternommen hat. Und solange das unsere Dorf Politiker nicht kapieren wird Ebern niemals voran kommen!
Ich würde mal so sagen: Wenn es zum Erfolg kommt und EBN die Bereitschaftspraxis bekommt, dann können sie sich drum raufen, wer die Lorbeeren verdient hat. Nur ist's wohl so: das Ergebnis zählt, und nicht wer wann was unternommen hat. Ansonsten würde ich sagen: Kein "etablierter Mandatsträger" muss sich ärgern. Höchstens die Bürger müssen sich ärgern, dass die "Etablierten" so lange nix unternommen haben.
Was nicht sein kann ist, dass für einen der am dünnsten besiedelten Flächenlandkreise Deutschlands die gleichen Maßstäbe wie z.B. in einem Ballungsraum gelten sollen. Auch wenn sich eine Bereitschaftspraxis in Ebern gegebenenfalls wirtschaftlich nicht tragen sollte (was ich nicht beurteilen kann), dann muss trotzdem diese Versorgungslücke in der Fläche geschlossen werden. Die KVB darf hier keine Experimente durchführen! Und die Politik muss allergrößten politischen Druck ausüben und darf die KVB nicht vor sich hinwursteln lassen.