Der Landkreis und die 26 Städte und Gemeinden möchten ungeachtet neuer gesetzlicher Überlegungen in Berlin und München so schnell wie möglich die Versorgung mit Strom auf eigene Beine stellen. Bei der Windkraft bläst Gegenwind.
Wenn der Landkreis so könnte, wie er wollte, wäre die Energiewende keine Baustelle, sondern vermutlich schon auf einem guten Weg. Aber wegen der Nebengeräusche aus Berlin und München gerät die Umsetzung der Energiewende immer wieder ins Stocken. Dabei ist sich der Kreistag Haßberge einig: Der Landrat und die Kreisräte wollen die Energiewende selbst schaffen. Vor Ort. Mit der Wertschöpfung in den 26 Städten und Gemeinden im Kreis. Der Landkreis will endlich handeln statt reden.
Den Willen zur Energiewende in eigener Regie unterstrich der Kreistag in seiner Sitzung am gestrigen Montagnachmittag in der Frauengrundhalle (ehemalige Kaserne) in Ebern. "Wir sind uns einig", sagte Kreisrat Oskar Ebert (Freie Wähler), der Bürgermeister aus Rauhenebrach.
"Wir alle sind gefordert", betonte Grünen-Kreisrätin Rita Stäblein aus Eltmann.
Was die Umsetzung der Energiewende schwer macht, sind neue Überlegungen in Berlin und München. Der Bundestag will das Erneuerbare-Energien-Gesetz neu formulieren und dabei auch die Förderung neu regeln. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer will das Bundesbaugesetz dahingehend ändern, dass Bayern eine neue Abstandsregelung für Windräder einführen kann. 10h heißt das Stichwort und bedeutet: Windräder sollen die zehnfache Entfernung der Höhe des Windrades von der nächsten Bebauung weg sein. Im Klartext: Ein 200-Meter-Windrad müsste 2000 Meter vom ersten Haus entfernt liegen.
Wenn die beiden gesetzlichen Änderungen so, wie sie jetzt diskutiert werden, kommen, sieht Landrat Rudolf Handwerker (CSU) den Bau von Windrädern im Kreis Haßberge extrem erschwert bis unmöglich.
Er hofft, dass die gesetzlichen Neuregelungen so getroffen werden, dass Kommunen Spielraum bleibt. Handwerker: "Wenn wir die Energiewende ernsthaft wollen, und dahinter stehe ich, dann müssen wir alle gemeinsam an einer Entwicklung arbeiten, dass alternative Energien flächendeckend gewonnen werden und dass auch wir die Chance einer Wertschöpfung vor Ort haben. Die Energiewende darf nicht dazu führen, dass die bisherige Versorgung über Großkraftwerke ersetzt wird über eine Versorgung durch Windparks in der Ost- und Nordsee."
"Wir müssen in Land und Bund darauf einwirken, dass die Energiewende gelingt", bestätigte SPD-Kreisrat Jürgen Hennemann (SPD). "Wir sehen das genauso", sagte Kreisrat Wilhelm Schneider (CSU). Der Landkreis brauche den Energiemix, "das ist Teil unseres Konzeptes", betonte der stellvertretende Landrat Bernhard Ruß (SPD)."Die Meinung eines einzelnen Politikers, im Wahlkampf geäußert, ist
noch keine Gesetzgebung", mahnte Kreisrat Kurt Sieber (FDP) zur Gelassenheit wegen der Seehofer-Aussage.
Gar nicht gut kamen die Wortbeiträge der beiden Kreisräte Steffen Vogel (CSU, Junge-Liste-Kreisrat) und Dorothee Bär (CSU) im Kreistag und besonders bei Landrat Rudolf Handwerker an. Der neue Landtagsabgeordnete und die Bundestagsabgeordnete hatten versucht, den Blick auf das große Ganze zu richten und Verständnis für die Überlegungen in München und Berlin zu wecken.
Anlass für die Diskussion im Kreistag war die Anhörung des Landkreises zum geänderten Regionalplan Main-Rhön. Darin soll jetzt festgeschrieben werden, dass es im Landkreis Haßberge sechs Standorte (Vorbehalts und Vorrangflächen) für Windrad-Standorte geben soll mit zusammen 605 Hektar Größe. Die Planung billigte der Kreistag einstimmig. Die sechs Standorte liegen alle im westlichen Landkreis.
Das größte ist das WK 88, gegen das es vor allem im Riedbacher Gemeindeteil Kleinmünster heftigen Widerstand gibt.
Dort hat die GUT, die Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte, bereits geplant, zehn Windräder zu errichten. Der Antrag wurde bereits eingereicht. Ende Januar ist ein Erörterungstermin vorgesehen. Im Februar soll die Entscheidung fallen.
Landrat Rudolf Handwerker erwartet derzeit keine Probleme für das Projekt im Sailershäuser Wald wegen der Überlegungen für neue gesetzliche Regelungen. Entscheidend sind für ihn die aktuell geltenden Gesetze.
Handwerker ermunterte zur Eile. Der geänderte Regionalplan solle "möglichst schnell zur Rechtskraft" gebracht werden.