Schüler der zehnten und zwölften Jahrgangsstufe des Friedrich-Rückert-Gymnasiums Ebern und ihre Lehrer befassten sich mit dem Thema "Leben mit Behinderung".
Religionslehrer Thomas Lange hatte das Podiumsgespräch am Friedrich-Rückert-Gymnasium (FRG) organisiert. Die Aussage eines Schülers in einer Unterrichtsstunde, "Als Mensch mit Behinderung kann man nicht glücklich sein", hatte den Anstoß dazu gegeben, eine Diskussionsrunde mit ganz verschiedenen Leuten zu organisieren: Marcus Menzel, Diabetiker und Schüler des FRG, Eckhard Roeß, Förderschullehrer in Bamberg, Verena Hohaus, deren Schwester den Gendefekt Trisomie 21 hat und ebenfalls Schülerin des FRG ist, und der Moderatorin der Runde, Kübra Sekin, die an der Glasknochenkrankheit leidet und die Jugend-Webshow "JAM" der "Aktion Mensch" moderiert. Ebenfalls dabei war Katrin Rosental, Referentin für Kinder, Jugend und Bildung der Soziallotterie "Aktion Mensch" des ZDF, die das Gespräch finanziell und organisatorisch unterstützte.
Das Gespräch begann mit einer kurzen Vorstellungsrunde. Anschließend gewährte Kübra Sekin einen Einblick in ihren Video-Blogg und somit gleichermaßen in ihren Alltag. Mit der Bahn zu reisen, ist für sie als Rollstuhlfahrerin viel komplizierter, als man sich das vorstellt. Kurz das Ticket lösen und schnell einsteigen? Das ist für sie nicht möglich. Mindestens 24 Stunden vorher muss sie Bescheid geben, dass sie als Mensch mit Behinderung mit der Bahn reisen möchte. Das Unternehmen organisiert dann Rampen und Hilfspersonal an den Ein- und Aufstiegsstationen, um das barrierefreie Zugfahren zu ermöglichen. Dass das Reisen viel komplizierter ist, wird auch deutlich, wenn man bedenkt, dass die Fahrt von Bochum nach Ebern und zurück nur mit zwei Übernachtungen möglich war.
Danach sprach sie die Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung an und übergab das Wort direkt an Verena Hohaus, die die zehnte Klasse besucht. Diese erzählte, dass es in ihrem Heimatort eigentlich keine Vorurteile gebe, da die meisten Einwohner ihre Schwester Sabrina schon seit deren Geburt kennen und sich im Umgang mit ihr sicher fühlen. Unter anderem betonte sie, dass ihre Familie und besonders Sabrina selbst sehr offen sei und dies auch vieles leichter mache.
Ein selbstbestimmtes Leben
Kübra Sekin machte deutlich, dass sie ihren Rollstuhl nicht als Behinderung, sondern vielmehr als etwas ansehe, das sie mobiler macht. So müsse sie nicht getragen werden und könne ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben führen. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, sich als Mensch mit Behinderung eine Assistenz als Hilfe zu holen. Diese dürfe aber nicht mit einer Pflegekraft verwechselt werden, der den Menschen mit Behinderung bevormunde. Deutschland arbeitet ihr zufolge fortlaufend an einem barrierefreien Umfeld, wie es auch der Vertrag der UN-Behindertenrechtskonvention vorsehe. Dabei handele es sich um ein Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Allerdings sei in diesem Bereich noch viel zu tun.
In einer kurzen Pause erhielten die Zuhörer die Möglichkeit, sich über diskriminierende Bezeichnungen und Formulierungen Gedanken zu machen, mit denen Menschen mit Behinderung immer wieder konfrontiert werden. Diese wurden mit allen Teilnehmern der Runde diskutiert. Danach machte Kübra Sekin mit einigen Fragen ans Publikum klar, dass jeder einzelne Mensch, ob mit Behinderung oder ohne, von anderen in eine Schublade gesteckt werde, da niemand frei von Vorurteilen sei. Sie betonte, dass sie glücklich und mit ihrem Leben zufrieden sei. Sie fühle sich nicht beeinträchtigt durch ihre Krankheit, solange ihr die Gesellschaft nicht das Gefühl gibt.
Zum Nachdenken angeregt
Das 90-minütige Podiumsgespräch in der Aula des Gymnasiums war eine gelungene Veranstaltung, die alle Anwesenden zum Nachdenken anregte. Sicherlich werden einige Schüler jetzt anders über das Thema denken, da sie erkannt haben, dass man nicht durch Behindertsein unglücklich wird, sondern durch Behindertwerden.
Florian Nestmann und
Niklas Zillig, Klasse 10b