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Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik: Syrer wird dritter Kammersieger


Autor: Rebecca Vogt

Haßfurt, Montag, 11. November 2019

Sewar Bilal hat gerade sein Abitur gemacht, als ihn der Krieg in Syrien zwingt, seine Heimat zu verlassen. In Deutschland lernt er schnell die Sprache, beginnt eine Ausbildung und zeigt, was mit Einsatz und Talent möglich ist.
Sewar Bilal ist Fachkraft für Metalltechnik. Bei der Firma König Präzisionstechnik macht er eine Aufbauausbildung zum Zerspanungsmechaniker. In seinem Job hat der 23-Jährige mit Grenzwerten im Mikrobereich zu tun, auch seine Vergangenheit ist von Grenzerfahrungen geprägt. Foto: König Präzisionstechnik


Rund 3000 Kilometer liegen hinter Sewar Bilal als er im August 2015 die Grenze nach Deutschland überquert. Der kurdische Syrer ist aus seiner Heimatstadt Aleppo geflüchtet. Nach einem Aufenthalt in der Türkei macht er sich - wie viele andere seiner Landsleute - mit seinen Eltern und den Geschwistern auf nach Europa.

"Wir waren acht Stunden im Boot", erinnert sich Bilal. Dann ging es weiter über Griechenland, Mazedonien und Ungarn. Dort "sind wir die Nacht durchgelaufen. Von elf Uhr abends bis acht Uhr früh - entlang der Bahngleise."

Vier Jahre später: Sewar Bilal sitzt in einem Raum am Bildungs- und Schulungs-Institut (BSI) in der Haßfurter Industriestraße. An diesem Tag gilt dem jungen Syrer die ganze Aufmerksamkeit der im Raum versammelten Menschen. Unter ihnen sind Vertreter des BSI und Mitarbeiter des Jobcenter Haßberge. Der Tisch ist bunt gedeckt. Es gibt einen Grund zum Feiern. Sewar Bilal hat seine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik (Fachrichtung Zerspanungstechnik) erfolgreich abgeschlossen - als dritter Kammersieger.

"Es ist nicht so einfach, in Deutschland eine Ausbildung zu machen - und dann auch noch so abzuschneiden", würdigt Bernd Imgrund, Geschäftsführer des BSI, die Leistung des 23-Jährigen. Eine Fachausbildung eröffne ganz andere Perspektiven. Im Metallbereich stünden ihm nun viele Türen offen.

Vorbild für andere

Christian Knetzger, Teamleiter Markt und Integration am Jobcenter Haßberge, hebt den Vorbildcharakter, den Bilals Erfolg hat, hervor. "Ich hoffe, dass sich viele ein Beispiel an Ihnen nehmen werden." Seine Kollegin Monika Werner, Fallmanagerin am Jobcenter, spricht Bilal ein großes Lob für seinen Eifer aus, die für ihn neue Sprache zu erlernen. "Vom Arabischen ins Deutsche zu kommen, ist keine Selbstverständlichkeit."

Am Anfang sei das Deutschlernen leichter gewesen als jetzt, erzählt Sewar Bilal. Waren zunächst nur einfache Sätze und Umgangsformen gefragt, ist in der Ausbildung die Fachsprache hinzugekommen. An seine Grenzen ist Bilal aber während der Ausbildung nicht gestoßen, wie er berichtet.

"Das Schwierigste war hierher zu fahren", sagt Bilal und lacht. In den ersten drei Monaten musste er um fünf Uhr aufstehen, um mit dem Bus nach Haßfurt zu fahren und dann vom Bahnhof ins Industriegebiet zu laufen. Inzwischen hat der 23-Jährige seinen Führerschein gemacht.

Unsicherheit nach AFZ-Pleite

Größeres Ungemach drohte während der zweijährigen Ausbildung Bilals zur Fachkraft für Metalltechnik von ganz anderer Seite: Ende 2017 meldete das Arbeitsförderungszentrum, kurz AFZ, bei dem Bilal die Ausbildung begonnen hatte, Insolvenz an. Lange war unklar, wie es weitergehen würde, erinnert sich Beatrice Höra, die Verantwortliche am Standort Haßfurt.

Zwischenzeitlich habe es sogar geheißen, dass die Auszubildenden abgemeldet werden sollen. "Wir haben einfach immer weitergemacht, im Sinne der Azubis", sagt Höra. Es sei eine lange "Durststrecke" gewesen bis im September 2018 schließlich das BSI aus Schweinfurt die insolvente Einrichtung übernahm und der Fortbestand des Standorts gesichert war.

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Zudem stand die Finanzierung der Ausbildung, die von Jobcenter und Jugendamt getragen wurde, zwischenzeitlich auf der Kippe. Aber auch hier machten sich die Verantwortlichen, die Bilals Lernbereitschaft erkannten, für eine Lösung stark. Sodass der 23-Jährige nun als dritter Kammersieger gefeiert werden konnte.

Er selbst habe nicht mit einem so guten Ergebnis gerechnet, sagt er. An seine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik schließt der Syrer nun noch eine Aufbauausbildung zum Zerspanungsmechaniker an. Diese absolviert er bei der Firma König Präzisionstechnik in Lendershausen, einem Stadtteil von Hofheim.

Präzises Arbeiten gefragt

Sein dortiger Ausbilder Uwe Stühler zeigt sich begeistert vom Geschick und der Genauigkeit, mit der der 23-Jährige arbeitet. Und auf diese kommt es auch an, denn die Firma König fertigt Präzisionsteile für die Großindustrie. Gearbeitet wird dabei mitunter im µ-Bereich, wie Stühler berichtet.

Er unterstreicht die gute Zusammenarbeit mit dem damaligen AFZ, jetzt BSI in Haßfurt. "Es ist wichtig, dass es die Einrichtung gibt", sagt Stühler. "Die Azubis von hier sind genauso gut, manchmal sogar motivierter."

Wie es für ihn nach den eineinhalb Jahren Aufbauausbildung zum Zerspanungsmechaniker weitergeht, weiß Sewar Bilal noch nicht. "Erstmal die Ausbildung fertig machen, dann schau mer mal", sagt er.