Alt und im Krankenhaus behütet

2 Min
Chefarzt Frank Schröder (links) zeigt die Akkreditierungs-Urkunde der Julius-Maximilians-Universität. Mit im Bild Sarah König, Verwaltungschef Stephan Kolck und Landrat Wilhelm Schneider. Lucie Homann
Chefarzt Frank Schröder (links) zeigt die Akkreditierungs-Urkunde der Julius-Maximilians-Universität. Mit im Bild Sarah König, Verwaltungschef Stephan Kolck und  Landrat Wilhelm Schneider. Lucie Homann

Akademischen Lehreinrichtung dient beiden Seiten: Medizinstudenten lernen über Altersmedizin, der Landkreis empfiehlt sich bei angehenden Ärzten.

"Probieren Sie die Smoothies", empfiehlt Frank Schröder, Chefarzt der Akutgeriatrie der Haßberg-Kliniken in Haßfurt. Auf dem Buffettisch stehen Gläschen mit giftgrünem Inhalt. Eine Erfindung des krankenhauseigenen Kochs. Das grüne Zeug ist genau das Richtige für viele der hier ankommenden Patienten. Geriatrie bedeutet Altersmedizin. Die Erkenntnis lautet: Viele Senioren sind mangelernährt. Manche essen und trinken zu wenig, manche essen einfach das Falsche, Kuchen, Brot, Wurst. Eiweiß, Mineralstoffe, Vitamine können gar nicht so viel aufgenommen, wie sie gebraucht werden. Es gibt zwar industrielle Trinknahrung mit Geschmacksrichtungen wie Vanille oder Haselnuss, aber "nach relativ kurzer Zeit kann man das nicht mehr trinken", versichert Schröder. Daher wurde der Koch zur Kräuterhexe und entwickelte hochkalorische, kalium- und kalziumreiche Köstlichkeiten: "Unvergesslich für mich war Gurke-Kiwi. Es schmeckt tatsächlich." Dummerweise nicht zu unterscheiden von Spinat-Ruccola. Zumindest gesund!

Krankenhausaufenthalt verwirrt

Ein Krankenhausaufenthalt ist nie schön. Gerade im Alter kommen Ängste und Verwirrtheit hinzu. Durch liebevolle Dekoration und aufwendige Pflege versucht das Personal die Zeit dort so angenehm wie möglich zu gestalten. Senioren essen nicht gerne alleine, daher gibt es einen gemeinsamen Speiseraum, erzählt die Pflegerische Leitung Waltraud Schraudner. Dort verziert Konfetti zur Faschingszeit die Fensterbretter. Bunte Luftschlangen und Masken liegen auf den Tischen. Etwas Faschingsvorfreude muss auch im Klinikalltag Platz finden.

Die Bevölkerung wird älter, Haßfurt hat also immer volles Haus. Es gibt 35 Betten. Zum Teil im offenen, aber auch im geschützten Bereich. Geschützt bedeutet nicht geschlossen, Demenzkranke in den unterschiedlichsten Stadien werden hier behandelt. "Die Tür ist offen", versichert die Leiterin. Patienten mit "Lauftendenz" werden durch die offene Türe, die als kleine Barriere gilt, davon abgehalten, in die Parkanlage auszubüchsen. Der Fußweg an grünen Glasflecken vorbei, reicht für ein kurzes Luftschnappen. Sollte der Kreislauf doch nicht mitmachen, gibt es mehrere Bänke zum Ausruhen.

Die akutgeriatrische Abteilung in Haßfurt gilt seit Mittwoch als akademische Lehreinrichtung. In ein paar Wochen können Medizinstudenten der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Praktika in der Abteilung für Altersmedizin absolvieren und dort von dem Miteinander zwischen Pflegepersonal und Patienten lernen.

Was bringt das den Haßberg-Kliniken?

Beide Seiten profitieren: Die hausärztliche Versorgung ist in Haßfurt und Umgebung mit 95,2 Prozent ausreichend. Doch das Durchschnittsalter der Ärzte liegt bei 50Plus. Damit sich kein ausgeprägter Ärztemangel entwickelt, sollen durch den Lern-Aufenthalt in Haßfurt Jung-Mediziner schon im Studium für die Region begeistert werden. Darauf zielt beispielsweise auch das Projekt "Main Sommer", bei dem seit 2017 Medizinstudenten an sieben Hausarztpraxen im Landkreis ihr Praktikum absolvieren können. "Einige davon sind jetzt Assistenzärzte geworden. Alle haben sich hier gut aufgehoben gefühlt," erzählt der Chefarzt.

Um die Jung-Mediziner von den Ballungszentren in den Landkreis zu ziehen, braucht es Überzeugungsarbeit: Grillabende und Weinberg-Wanderungen dienen dem "Wellness-feeling in der Region", denn "die Jüngeren wollen beim Arbeiten leben," erklärte am Mittwoch beim Pressegespräch die Studiendekanin der Human- und Zahnmedizin aus Würzburg, Sarah König.

Nach dem 2017 vom Bundestag beschlossenen "Masterplan Medizinstudium 2020" müssen die Universitäten Studienstruktur und -inhalte dem demografischen Wandel anpassen. Im Klartext: größerer Fokus auf Altersmedizin, die Behandlung alltäglicher Krankheiten und eine fachrichtungsübergreifende Medizin - auch im ländlichen Raum. Denn "die allermeisten Patienten liegen nicht im Bett und wohnen nicht in der Stadt", so Sarah König. Genau solche Patienten spazieren durch den Flur der Geriatrie Haßfurt: keine spezialgelagerten Sonderfälle, sondern betagte Patienten mit altersbedingten Krankheiten.

Jedes Semester kommen bald zwei Studenten in ihrem Blockpraktikum mindestens eine Woche in die Geriatrie.Hier lernen sie Umgang mit den Patienten und sollen, so Schröder, auch "erste eigene Überlegungen machen", wie diagnostische Schritte aussehen könnten. Im Gegenzug lehrt Chefarzt Schröder als Gastdozent. Ein Thema soll dabei die Medikamentenflut sein, mit denen ältere Patienten wie Hausärzte oft überfordert sind.

"Gemeinsam entsteht ein Bild des Patienten."

Das entscheidende Kriterium für die Akkreditierung des Hauses Haßfurt war das interdisziplinäre Zusammenspiel des Klinik-Teams: Hier kümmern sich Ärzte, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten um die Patienten. Ziel ist es, Pflegebedürftigkeit zu reduzieren und die Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Das funktioniere nur im Team, so Schröder. Ein Arzt alleine behandelt nur eine Lungenentzündung, dem Pflegepersonal fallen beim Patienten Schluckbeschwerden auf. Der Logopäde kann da nachhaltig helfen. Diese Zusammenarbeit möchte Schröder den künftigen Praktikanten ans Herz legen: "Jeder Mitarbeiter hat eine andere Perspektive auf den Patienten. Erst gemeinsam entsteht ein Bild des Patienten."