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Zweites Standbein


Autor: Werner Reißaus

Wirsberg, Freitag, 22. März 2019

Die Wirsberger Wilhelm Kneitz AG hat die Firma V. FRAAS SOLUTIONS IN TEXTILE GmbH in Hof übernommen - einen Spezialisten für den Werkstoff Carbon.
Das Familienunternehmen Kneitz blickt auf eine 106-jährige Tradition. Fotos: Werner Reißaus


Die Wilhelm Kneitz AG stellt sich breiter auf. Wie Vorstand Sibylla Naumann, Tochter des verstorbenen Alleinvorstands Wilhelm Kneitz, und ihr Mann Matthias, Leiter der Geschäftsentwicklung, gestern bei einem Pressegespräch erläuterten, sei Anfang Februar eine neue Holding gegründet worden. Diese Wilhelm Kneitz Textilgruppe GmbH halte 90 Prozent der Anteile der AG. Neue Tochter der Holding ist die Wilhelm Kneitz Solutions in Textile, die ehemalige Firma V. Fraas in Hof.

In einer alten Fabrikhalle in Hof konzentriert man sich aktuell auf zwei Produkte: Hochleistungsgurtbandnetze und Gittergelege aus Carbon- und Glasfasern. Die Übernahme der V. Fraas Solutions in Textile war nach den Worten von Matthias Naumann ein relativ langer Prozess: "Meine Frau ist seit Beginn ihrer Vorstandstätigkeit mit dem Thema konfrontiert. Hintergrund der Entwicklung war die Ausschau nach einem zweiten Standbein, weg von der Automobilindustrie." Man sei dann vor eineinhalb Jahren mit der Firma V. Fraas ins Gespräch gekommen, die die Tochter Solutions in Textile ausgliedern wollte, um sich auf das Stammgeschäft zu konzentrieren. Am Ende habe man sich entschlossen, die V. Fraas Solutions in Textile zu kaufen. Dies geschah am 26. Februar.

Fest und langlebig

Die neue Schwester der Wilhelm Kneitz AG wird künftig in Hof ein Ladungssicherungsnetz herstellen, das aus einem Hochleistungsgurtband besteht. V. Fraas hatte ein Verfahren entwickelt, bei dem dieses Netz auf einer Wirkmaschine in einem Vorgang produziert wird.

Auch auf die Entwicklung innovativer Gittergelege aus Carbonfasern sind die Hofer spezialisiert. Wie Matthias Naumann aufzeigte, ist man in der Lage, dünne und leichte Konstruktionen für Carbonbeton, die sich durch höchste Festigkeit und Langlebigkeit auszeichnen, herzustellen. "Wir können zwei- und dreidimensionale Gewirke herstellen, die als Bewehrung im Bau eingesetzt werden." Anstelle einer Stahlbewehrung wird Carbonbeton eingebaut, der leichter und dünner ist - bei gleicher Tragfähigkeit.

Das Ganze ist keine Revolution auf dem Bausektor, sondern eine Technik, die schon 20 Jahre alt ist. Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat den Carbonbeton mit dem deutschen Zukunftspreis 2016 ausgezeichnet. Wo bisher immer nur Stahl verbaut wurde, könnten laut Naumann bald nur noch leichte Textilfasern zum Einsatz kommen. Das dürfte die Baubranche revolutionieren. Und die Vorreiterfirma sei nunmehr eine Schwester der Wilhelm Kneitz Textilwerke AG.

Wie Sibylla Naumann deutlich machte, geht es ihr auch darum, in dem nunmehr 106 Jahre alten Familienunternehmen die Traditionen aufrechtzuerhalten: "Man muss aber auch in die Zukunft schauen, um am Markt bestehen zu bleiben. Wir haben jetzt eine weitere Perspektive im textilen Bereich."

Jetzt gehe es auch darum, Synergien und "einen gemeinsamen Nenner" zu finden, auch verwaltungstechnisch, um näher aneinanderzurücken. "Wir wollen mit dem neuen Standbein gesund wachsen, um auch am Standort Wirsberg unserer sozialen Verantwortung gerecht zu werden."

Die junge Familie und das Unternehmen bringt Sibylla Naumann gut unter einen Hut: "Organisation ist alles - und wir haben natürlich Hilfe."

Das neue Standbein der Wilhelm Kneitz Textilwerke AG hat viel mit dem Bausektor zu tun. Für Matthias Naumann ist es daher extrem spannend, seinen Bausachverstand beim Aufbau und der Weiterentwicklung des Werkes in Hof mit einzubringen.