Seit 1. Januar gilt für jeden Händler, der etwas verkauft, eine Belegausgabepflicht. Der Bundesfinanzminister will damit Steuerbetrug eindämmen. Aber warum gibt es Bratwurst, Äpfel und Eier auf dem Markt noch ohne Kassenzettel?
Die Bratwurst gibt es noch ohne Bon. "Wir haben eine offene Ladenkasse", sagt die Braterin im Stand. "Eine Registrierkasse würde sich doch für uns gar nicht lohnen! Wir sind zehn Brater, die sich tageweise abwechseln." Denn das ist das Vertrackte an der neuen Pflicht zum Kassenbon: Ausgeben muss ihn nur, wer "ein elektronisches Aufzeichnungssystem" nutzt, um "aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle oder andere Vorgänge" zu erfassen, sei es für die Buchhaltung oder das Warenbestellsystem. Dass Geschäftsleute Buch führen müssen, ist nicht neu; dass sie ihre Bücher dem Finanzamt offenlegen müssen, auch nicht. Dass Registrierkassen die Buchführung ergänzen, ist ebenfalls ein alter Hut. Neu ist seit 1. Januar, dass nach jedem Kassenvorgang die Bons ausgedruckt werden müssen. Aber eben nur da, wo eine elektronische Registrierkasse vorhanden ist.
Pflicht zur Buchführung
Albert Herr hat keine. "Wir sind von der Bonpflicht befreit", sagt seine Enkelin Tanja Herr fröhlich. Die beiden verkaufen Geflügel und Eier auf dem Wochenmarkt; den Preis für zehn Eier rechnet Albert Herr noch im Kopf. Es verlangt auch keine Kundin einen Beleg. Eine Verpflichtung, elektronische Registrierkassen zu verwenden, gibt es nicht, bestätigt Florian Schorner, Pressesprecher des Bayerischen Landesamtes für Steuern (früher Oberfinanzdirektion). Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, wie sie in der Abgabenordnung und ergänzenden Verwaltungsvorschriften geregelt seien, müssten auch bei einer offenen Ladenkasse beachtet werden. "Wir müssen doch eh jeden Cent zählen", seufzt der Gemüsehändler auf der Marktplatz-Westseite. Auch er hat keine elektronische Kasse. "Ich hab' hier ja auch keinen Strom." Irgendwann werde es mit dem Bargeld ohnehin vorbei sein und für ihn werde das neue Kosten bedeuten, argwöhnt er. "Die wollen doch alle Geld verdienen! Die Banken verlangen ja schon jetzt eine Gebühr, wenn ich Bargeld einzahle oder Wechselgeld brauche. Früher war das Service, heute ist es eine Dienstleistung."
Seine Kollegin Edeltraud Barthelmes auf der anderen Seite vom Albert-Denkmal nutzt schon seit längerem Registrierkassen in ihrem Stand für Obst und Gemüse. "Wir haben den Bon schon immer ausgedruckt und entweder mitgegeben oder weggeworfen, wenn der Kunde ihn nicht wollte." Seit dem 1. Januar läuft auch der Blumenverkauf über die Registrierkassen; davor gab es dafür noch eine offene Ladenkasse. "Wir brauchen jetzt mehr Kassenrollen und haben mehr Abfall", sagt Edeltraud Barthelmes. Der Vorteil der Registrierkasse sei, dass sie eine bessere Übersicht gewähre über Warenbestand und Einnahmen. "Zu 90 Prozent können wir das mit unserer Erfahrung auch schätzen, aber mit der Kasse geht es halt schneller." Sie verkaufen zu viert in dem kombinierten Stand. "Jetzt geht es ja noch, aber im Mai, wenn es hektisch wird und alle schwitzen - da frag' ich mich schon, ob die Kasse das aushält. Die Elektronik ist ja auch nur ein Mensch", sagt die Gärtnerin und muss selbst über ihren Vergleich lachen. "Der Mensch hält mehr aus als die Elektronik!"
Theoretisch könnte sie sich von der Bonpflicht befreien lassen. Nach Paragraf 146a in der Abgabenordnung können Händler, die ihre Ware "an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen" verkaufen, auf Antrag von der Bonpflicht befreit werden. "Nach dem bundeseinheitlich geltenden Anwendungserlass kann die Befreiung nur für den jeweiligen Einzelfall beantragt und gewährt werden, wenn nachweislich eine sachliche Härte für den einzelnen Betrieb besteht", betont Landesamt-Sprecher Schorner. "Die zuständige Finanzbehörde prüft und entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen im Einzelfall." Wie viele solcher Anträge bereits in Bayern gestellt wurden, werde nicht erfasst.
Abrechnung zum Schluss
Kurz vor Inkrafttreten der Bonpflicht hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier angeregt, eine Ausnahmeregelung für Verkaufsvorgänge zu schaffen, wo Kunden normalerweise keinen Beleg wünschen. Das Bundesfinanzministerium lehnte das ab. Die "Belegausgabepflicht stärkt Transparenz und hilft gegen Steuerbetrug", heißt es auf der Website des Bundesfinanzministeriums.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass die damit viel einnehmen", wundert sich Tanja Schaller, die auf dem Markt Tees und Gewürze verkauft. Sie verzichtet bislang auf die Registrierkasse. "Damit würde es nur komplizierter. Wenn die Registrierkasse geschlossen ist, können wir nichts mehr schnell verkaufen, wenn wir schon abbauen. Mit der offenen Ladenkasse können wir abrechnen, wenn Schluss ist."