Ausländische Versandapotheken haben nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes einen Vorteil: Sie müssen sich nicht an die hierzulande geltende Preisbindung rezeptpflichtiger Medikamente halten. Was bedeutet das für Apotheker vor Ort?
Andreas Lösch
Gegen Konkurrenz und Wettbewerb gebe es überhaupt nichts einzuwenden, sagt Stephan Schmitt. Entscheidend dabei aber sei, dass für alle Marktteilnehmer die gleichen Bedingungen herrschen. Und das sei derzeit nicht der Fall, erklärt der Pressesprecher für den Landkreis Haßberge im Bayerischen Apothekerverband (BAV).
Vertreter im Landkreis
Der Fränkische Tag hat den 53-Jährigen kontaktiert, um mit ihm über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Sitz Luxemburg) zu sprechen. Dort wurde im Oktober dieses Jahres die in Deutschland gesetzlich geregelte Preisbindung rezeptpflichtiger Medikamente gekippt. Sie verstoße gegen EU-Recht, Anbietern aus anderen EU-Ländern werde dadurch der Zugang zum deutschen Markt erschwert.
Demnach dürfen ausländische Apotheken, die ihre Medikamente via Online-Versand auch in Deutschland vertreiben, Rabatte und Boni auf ihre verschreibungspflichtigen Produkte gewähren, was den Verbraucher an sich freuen dürfte. Das Problem ist folgendes: Die Preisbindung gilt für in Deutschland ansässige Apotheken weiterhin.
Einseitige Veränderung
Das heißt, hiesige Apotheker können in den Preiswettbewerb gar nicht eintreten, selbst, wenn sie wollten: Für sie ist das deutsche Recht weiterhin maßgebend, für Onlineversand-Größen wie DocMorris (Sitz in den Niederlanden) dagegen nicht. Aber sie dürfen "trotzdem deutsche Patienten versorgen", sagt Schmitt. "Das ist Rosinenpickerei." Denn schließlich tragen die im Ausland ansässigen Unternehmen nichts zu den flächendeckend in Deutschland durch rund 20 000 Apotheken gewährleisteten Nacht- und Notdiensten bei. Die hier geltende Preisbindung führt laut Schmitt auch dazu, dass verschreibungspflichtige Medikamente überall im Land gleich viel kosten. Die Preise seien so kalkuliert, dass Leistungen wie besagte Notdienste mit abgedeckt sind.
Vor allem für kleinere Apotheken im ländlichen Raum könne ein aus dem EuGH-Urteil resultierender Umsatzeinbruch zum Problem werden, sagt der Pressesprecher, der in Haßfurt die Löwen-Apotheke führt, eine weitere Filiale in der Kreisstadt sowie je eine in Eltmann und in Hofheim betreibt. Damit habe er auch einen gewissen Grad an Absicherung, aber für Kollegen auf dem Land ohne Filialstruktur sei die Situation schwieriger, wenn sich der Online-Medikamentenversand wegen niedrigeren Preisen größere Marktanteile sichern kann, so Schmitt.
Pluspunkt: persönlicher Kontakt
Immerhin, so erklärt Schmitt, hätten die Apotheken im ländlichen Raum, insbesondere auch im Landkreis Haßberge, durch den persönlichen Kontakt mit den Patienten und die direkte Beratung über Jahre Vertrauen und Kundenbindung aufgebaut. Somit sei nicht von heute auf morgen ein großflächiges Apothekensterben zu erwarten. Den Wettbewerb mit anderen Anbietern nehme man zudem ohne weiteres in Kauf, aber das müsse "fair" und "mit gleichen Bedingungen für alle" ablaufen.
Zwei Möglichkeiten
Das könnte natürlich in die Richtung gehen, dass man das deutsche Gesetz mit der Preisbindung abändert und auch den hiesigen Apotheken erlaubt, Boni und dergleichen zu gewähren.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände will aber in die andere Richtung: Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln sollte in Deutschland verboten werden, so lautet ihr Vorschlag. Mit dem Europarecht wäre das laut der Bundesvereinigung in Einklang zu bringen.