Wer schützt die Frau am Boden?

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Häusliche Gewalt ist ein Thema, vor dem die Gesellschaft die Augen nicht verschließen darf. Foto: gestelltes SymbolbildMaurizio Gambarini/dpa
Häusliche Gewalt ist ein Thema, vor dem die Gesellschaft die Augen nicht verschließen darf. Foto: gestelltes SymbolbildMaurizio Gambarini/dpa

Das Frauenhaus in Schweinfurt bietet betroffenen Frauen und Kindern, auch aus dem Landkreis Haßberge, seit fast 40 Jahren eine Zuflucht. Die Zahl der verfügbaren Plätze und die finanzielle Ausstattung reichen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Eckehard Kiesewetter Kreis Haßberge — Sie sind oftmals die letzte Zuflucht - leider allzu oft auch eine Enttäuschung, denn sie sind fast ständig ausgebucht. So sehr, dass jede zweite Frau, die in einer akuten Gewaltsituation Unterschlupf sucht, abgewiesen werden muss. Es geht um Frauenhäuser wie das des Vereins "Frauen helfen Frauen" in Schweinfurt, der wiederum dem Paritätischen Wohlfahrtsverband angehört. Der Einzugsbereich ist der größte aller 38 Frauenhäuser in Bayern: die gesamte Region Main-Rhön mit rund 436 000 Einwohnern. Auch der Landkreis Haßberge gehört dazu, in dem häusliche Gewalt durchaus genauso verbreitet ist wie anderswo. Man tabuisiert das Problem nur allzu gerne.

Dass auch Frauen aus dem Kreis Haßberge Schutz in Schweinfurt, Bamberg oder Coburg suchen, bestätigen Polizeibeamte, ohne allerdings konkrete Zahlen nennen zu können. Allein bei der Inspektion Ebern verzeichnete man im vergangenen Jahr 19 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt. "Jeder Fall ist einer zu viel", sagt Dienstellenleiter Siegbert Weinkauf. Laut Helmut Will von der Opferhilfeorganisation Weißer Ring gibt es im Landkreis Haßberge im Schnitt 20 bis 25 Fälle häuslicher Gewalt pro Jahr.

Die Schweinfurter Einrichtung bietet zwölf Frauenplätze, so viele schreiben die staatlichen Frauenhausrichtlinien vor. Folgte man einer Empfehlung des Europarates müssten es, gemessen am Bevölkerungsproporz, rund 60 sein.

"Meistens müssen wir doppelt so viele Frauen abweisen wie wir aufnehmen können", sagt Gertrud Schätzlein (67), die gerade die Verantwortung im Frauenhaus Schweinfurt abgab. Neue Leiterin ist die Sozialpädagogin Ute Hofmann.

Im Jahr 2017, für das Gertrud Schätzlein kürzlich Zahlen vorlegte, mussten 68 Schutzsuchende abgewiesen werden. Ausgebucht! Und es fehlt am Geld, an staatlicher Unterstützung. Dabei hatte die damalige Sozialministerin Emilia Müller schon 2015 Abhilfe versprochen. Sie wurde damals aufgerüttelt durch eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg, die eklatante Defizite in Bayerns Frauenhäusern aufzeigte. Inzwischen gibt es etwas mehr Geld vom Staat für die Beratung und die Kinderbetreuung. Aber auf den Durchbruch wartet man bis heute vergebens. Wie schwer die gesundheitlichen Folgen von Gewalt und wie gravierend die Auswirkungen auf die Kinder sind, wird laut Gertrud Schätzlein heute noch unterschätzt.

"Leuteverarscherei"

"Wir hatten eigentlich gedacht, 2018 würde das Jahr der Frauenhäuser werden", sagte jüngst Dieter Sauer, Leiter des Sozialamtes am Landratsamt Haßfurt, vor dem Kreisausschuss. Seit Jahren laboriere man an einem Konzept, doch auch die Hoffnung, dass vor der Landtagswahl noch etwas passiert, sei verpufft.

Immerhin hat die heutige Sozialministerin Kerstin Schreyer mehr Geld, eine bessere Personalausstattung und ein Gewaltpräventionsprogramm angekündigt. Getan hat sich wenig, kritisiert beispielsweise Rita Stäblein. Die Grünen-Kreisrätin prangert die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Frauenhäuser an. Sie spricht von einer Hinhaltetaktik der Regierung auf dem Rücken von Gewaltbe-troffenen und des Frauenhauses, von Endlosdiskussionen und von "Leuteverarscherei". Stäblein hofft auf eine Gesetzesinitiative und solide Finanzierung des Frauenhauses, weil es "leider dringend gebraucht wird".

31 Frauen mit 30 Kindern konnten laut Jahresbericht des Frauenhauses im Jahr 2017 neu aufgenommen werden; zwölf Frauen mit 16 Kindern wohnten schon dort. Rund zwei Drittel davon stammten aus der Region Main-Rhön.

In Schweinfurt hat der Verein "Frauen helfen Frauen" die Anlaufstelle 1980 geschaffen, anfangs allein durch Spenden finanziert und ehrenamtlich geführt. Gertrud Schätzlein, damals 29 und frisch gebackene Diplompädagogin, war vor 38 Jahren die erste hauptamtliche Kraft. Daraus wurde eine Lebensaufgabe. Die ersten Jahre im alten Haus wird sie nicht vergessen. Zu Spitzenzeiten, schildert sie, glich das Frauenhaus einem Matratzenlager: Sieben Frauen mit elf Kindern teilten sich zweieinhalb Zimmer, Küche, Bad. Mittendrin fanden Beratungsgespräche und Telefonate mit anderen Betroffenen statt.

Kampf gegen Ressentiments

Aber auch die Überzeugungsarbeit forderte die ganze Frau. Der Verein musste die Notwendigkeit der Einrichtung nach außen rechtfertigen und gegen die Banalisierung der Gewalt an Frauen in der Gesellschaft ankämpfen. Seit 25 Jahren stehen im heutigen Domizil (die Adresse bleibt bewusst geheim) acht Drei-Zimmer-Wohnungen zur Verfügung. Jeweils zwei Frauen teilen sich eine Wohnung. So können sich die belasteten Frauen und Kinder zurückziehen und sind doch nicht allein. Manche Frau bleibt bis zu eineinhalb Jahre in dem Schutzraum. Auch deshalb, weil viele keine Wohnung finden oder die Mieten nicht bezahlen können.

2020 feiert das Frauenhaus Schweinfurt 40-jähriges Bestehen. Höchste Zeit tatsächlich für ein "Jahr der Frauenhäuser"!