Was das Leben leichter macht

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Reinhard Wolf demonstriert, wie man auch vom Rollstuhl aus leicht an die oberen Regalfächer herankommt. Der Spezialschrank hat ein patentiertes System. Per Fernbedienung kann man den oberen Schrankteil absenken.
Reinhard Wolf demonstriert, wie man auch vom Rollstuhl aus leicht an die oberen Regalfächer herankommt. Der Spezialschrank hat ein patentiertes System. Per Fernbedienung kann man den oberen Schrankteil absenken.
Ulrike Nauer
Marion Habelitz mit der Uhr, die speziell für Demenzkranke gedacht ist
Marion Habelitz mit der Uhr, die speziell für Demenzkranke gedacht ist
 

gesundheit  Seit 2020 zeigt die Stadt Coburg in ihrer Modellwohnung, wie man sein Zuhause alters- oder behindertengerecht umgestalten kann. Von Ulrike Nauer

Ob es der Sessel ist, der per Fernbedienung beim Aufstehen hilft, das höhenverstellbare Waschbecken im Bad oder das Pflegebett, das sich problemlos in jedes handelsübliche Doppelbett integrieren lässt. Die Möglichkeiten, wie man eine Wohnung alters- oder behindertengerecht umgestalten kann, sind vielfältig. Die Stadt Coburg unterhält in der Pettenkofer Straße 4 seit vergangenem Herbst eine barrierefreie Musterwohnung, die mit genau solchen Möbeln und Hilfsmitteln eingerichtet ist. Dort kann man sich beraten lassen, aber auch alles anschauen, anfassen und vor allem ausprobieren.

Marion Habelitz, zertifizierte Wohnberaterin bei der Stadt Coburg, hat die Räume gemeinsam mit dem ASB und dem Awo-Wohnprojekt Wilna eingerichtet. "Die Wohnung soll Menschen die Möglichkeit geben, sich umzuschauen", sagt Marion Habelitz. "Die Frage ist, wie kann ich mein Zuhause einrichten, dass ich dort möglichst lange wohnen bleiben kann? Habe ich zum Beispiel ein Bett, aus dem ich nur noch schwer aufstehen kann, dann gibt es Pflegebetten." Wie das funktioniert, können sich Interessenten in der Wohnung ansehen und auch ausprobieren. Ein Raum ist zum barrierefreien Bad ausgebaut, mit ebenerdiger Dusche, absenkbarem Waschbecken und WC mit Duschfunktion. Hier kann sich jeder Anregungen für sein eigenes barrierefreies Bad zu Hause holen.

"Sitzt jemand im Rollstuhl, dann haben wir hier einen Schrank, bei dem man auch die obersten Regalfächer leicht erreichen kann", erklärt Marion Habelitz und lässt ihren ehrenamtlichen Mitarbeiter, Reinhard Wolf, gleich einmal vorführen, wie der Schrank funktioniert. Der obere Teil der Regalfächer fährt auf Knopfdruck an der Fernbedienung erst heraus und dann nach unten. So ist es selbst vom Rollstuhl aus kein Problem, an jedes Teil im Regal heranzukommen.

"Wir haben auch Kleinigkeiten hier, die man anschauen und benutzen kann", sagt die Wohnberaterin. Dabei handelt es sich um kleine Helfer, die Senioren und Behinderten das Leben leichter machen sollen. Da wäre zum Beispiel der "Tremor-Löffel", der Parkinson-Erkrankten hilft, das Essen unfallfrei auf dem Löffel zu transportieren. Oder die Uhr für Demenzkranke, die statt der Zeit den Tag und die Tageszeit anzeigt, weil das für die Patienten oft aussagekräftiger sei, wie Marion Habelitz erklärt.

Auch auf dem Sektor Smart-Home (technische Lösungen und Verfahren, mit denen sich Geräte in der Wohnung vernetzen und vom Handy aus steuern lassen) gibt es zahlreiche Hilfsmittel. Da schlägt zum Beispiel der Wasserwächter Alarm, wenn die Badewanne oder das Waschbecken überläuft. Oder das Handy meldet, wenn die Terrassentür geöffnet und geschlossen wird.

Beratung auch im eigenen Heim

Marion Habelitz und ihr Team aus ehrenamtlichen Helfern kommen auf Wunsch aber auch zu den Ratsuchenden und sehen sich deren Wohnungen daraufhin an, welche Veränderungen möglich sind. Bei Bedarf setze sie sich auch mit Vermietern in Verbindung, wenn es zum Beispiel darum gehe, Stolperfallen in einer Mietwohnung zu beseitigen. In einem konkreten Fall ging es darum, Türschwellen abzubauen. Der Vermieter stimmte zu, unter der Voraussetzung, dass beim Auszug alles wieder in den Urzustand versetzt werden müsse. "Das hat gut funktioniert", berichtet Marion Habelitz. "Wir haben das dann über die Pflegekasse abgewickelt." Denn auch dabei hilft die Wohnberaterin: Förderungen ausloten, Kostenvoranschläge einholen, Anträge stellen. Die Schwellen wurden am Ende von der Pflegekasse bezahlt und die Mieter wohnen immer noch in ihrer nun etwas barrierefreieren Wohnung.

Wie viele Fälle Marion Habelitz im Jahr bearbeitet, sei schwer zu sagen. Die Corona-Pandemie hat auch ihr und ihren Beratern einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Wir durften ja nicht zu den Leuten in die Wohnungen", erzählt sie. Dementsprechend seien auch keine Anfragen von Interessenten gekommen. "Als wir wieder durften, waren es dann vielleicht zwei, drei Fälle im Monat."

Die Wohnberatung läuft seit März 2018, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales. Einen einmaligen Zuschuss aus Landesmitteln gab es für die Musterwohnung in der Pettenkofer Straße. Sie besteht seit November 2020. Gefördert wurde je Regierungsbezirk eine Musterwohnung, so dass die Stadt Coburg die einzige Wohnung in ganz Oberfranken unterhält.