Da bahnt sich im Schatten der großen Stars eine Tragödie an, die zu tiefgreifenden Änderungen in der Musikwelt führen kann. Eine ganze Spezies ist vom Aussterben bedroht: die Umblä...
Da bahnt sich im Schatten der großen Stars eine Tragödie an, die zu tiefgreifenden Änderungen in der Musikwelt führen kann. Eine ganze Spezies ist vom Aussterben bedroht: die Umblätterer. Das sind die Männer und Frauen, die links neben den Pianisten sitzen und mit mehr oder weniger geschlossenen Luchsaugen auf die Noten schauen, gelegentlich aufspringen und eine Seite weiterblättern - immer in der bangen Hoffnung, dass der Künstler mit ihnen alle Wiederholungen abgesprochen hat und es nicht eigentlich rückwärts geht.
Diese Menschen müssen jetzt - wie weiland die Kutscher, als das Automobil auftauchte - beobachten, wie sie von der neuen Technik verdrängt werden: Manche Pianisten verwenden schon keine gedruckten Noten mehr, sondern Tablets, in denen sie ihr gesamtes Repertoire gespeichert haben und wo sie mit einem blitzartigen Wisch oder einem Fußschalter zur nächsten Seite kommen.
Nikolai Tokarev war vor zwei Jahren der Erste, heuer waren es Igor Levit, Wu Han und Gloria Chien. Die Sache funktioniert gut, vorausgesetzt, man hat das Ladekabel nicht zu Hause vergessen oder der Rechner hängt sich nicht auf. Denn dann kommt keine helfende Hand von links hinten.
ta