So fahndet MdB Schwarz nach zwölf Milliarden Euro

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Andreas Schwarz
Andreas Schwarz
 

2007 trat ein Gesetz in Kraft, das so genannte Cum-Ex-Geschäfte möglich gemacht hat. In der Folge soll der deutsche Staat über zehn Milliarden Euro an Steue...

2007 trat ein Gesetz in Kraft, das so genannte Cum-Ex-Geschäfte möglich gemacht hat. In der Folge soll der deutsche Staat über zehn Milliarden Euro an Steuern verloren haben, die an Superreiche zurückgezahlt werden mussten. Wie die ARD-Sendung "Monitor" kürzlich berichtet, dürfte sogar ein Lobbyist der Banken als Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums das Gesetz maßgeblich ausgestaltet haben. Diese Vorgänge untersucht aktuell ein Untersuchungsausschuss im Bundestag, in dem auch MdB Andreas Schwarz (SPD) aus Strullendorf sitzt. Im Interview erläutert der 51-Jährige die Hintergründe.

Können Sie erklären, wie ein Cum-Ex-Geschäft funktioniert?
Andreas Schwarz: Um den Tag der Dividendenausschüttung wechselten milliardenschwere Aktienpakete in kürzester Zeit mehrfach den Besitzer. Sämtliche "Besitzer" hatten nun - nach Lesart der Banken - Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragssteuer. Tatsächlich wurde aber nur einmal Kapitalertragssteuer abgeführt. Seit 2012 sind solche tatsächlich sehr kompliziert gestrickten Geschäfte technisch nicht mehr möglich. Sie waren auch zu keinem Zeitpunkt legal.

Wie konnte hier betrogen werden?
Die Banken stellten automatisch generierte Steuerbescheinigungen aus, mit deren Hilfe Aktionäre sich Steuerrückzahlungen vom Finanzamt auszahlen ließen, obwohl sie ja de facto nicht gezahlt wurden. Diese illegalen Geschäfte hat die Finanzindustrie aktiv als Steuersparmodell verkauft. Die Banken haben das in sie gesetzte Vertrauen des Staates für diese illegalen Geschäfte missbraucht.

Was ist jetzt Ihre Aufgabe?
Wir wollen klären, wer was wann wusste und wer letztlich für einen Schaden in Höhe von geschätzten zwölf Milliarden Euro am Fiskus verantwortlich ist. Dazu befragen wir Mitarbeiter des Finanzministeriums, Finanzexperten, Bankangestellte, Steuerfahnder und Juristen. Natürlich beleuchten wir auch die Rolle der Bankenaufsicht, der Finanzwissenschaft sowie von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern.

Wer hat nach Ihrer Meinung die Verantwortung dafür, dass dem Staat nun Milliarden fehlen?
Diese Frage wird der Untersuchungsausschuss abschließend klären. Wir stecken in der Zeugenvernehmungsphase. Klar ist bereits jetzt, dass der Bankenverband das Problem lange kannte und dass mehrere Banken wissentlich Geschäfte mit Cum-Ex machten. Hier wurden offenbar Geschäftsinteressen über das geltende Recht gestellt.

Wann rechnen Sie mit dem Abschlussbericht des Ausschusses?
Wir sind zuversichtlich, im Frühsommer einen Abschlussbericht vorlegen zu können. Ich kann dem Ergebnis noch nicht vorgreifen, aber es zeichnen sich bereits einige Handlungsfelder ab: Die Finanzindustrie hat diese Geschäftsmodelle lange und sehr geschickt verschleiert. Deshalb müssen die Bankenaufsicht (BAFIN) und die Finanzverwaltung in Zukunft enger und effizienter zusammenarbeiten. Wir brauchen mehr Betriebsprüfer und Steuerfahnder.
Ein positiver Nebeneffekt unserer Ausschussarbeit ist, dass in Nordrhein-Westfalen bereits Steuerstrafverfahren gegen etwa 20 Banken eröffnet wurden; einige Institute wurden zu millionenschweren Strafzahlungen verurteilt.
Andere Geldinstitute versuchen mit freiwilligen Rückzahlungen an den Fiskus einer Anzeige zuvor zu kommen. Mir bleibt die Hoffnung, dass die betroffenen Banken zur Einsicht kommen, dass diese Geschäfte kriminell waren und nun konstruktiv bei der Aufklärung mithelfen und sich entkriminalisieren. Das sind diese Institute dem ehrlichen Steuerzahler und der Allgemeinheit schuldig.

Die Fragen stellte
Michael Memmel