Senf-Krapfen dienen der Abwehr preußischen Banausentums

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Ein Krapfen kommt niemals allein. Er ist ein Rudelgebäck. Beim Bäcker um die Ecke liegen die Teile dicht an dicht. Kaufst du einen, kostet er einen Euro, ka...

Ein Krapfen kommt niemals allein. Er ist ein Rudelgebäck. Beim Bäcker um die Ecke liegen die Teile dicht an dicht. Kaufst du einen, kostet er einen Euro, kaufst du sechs, kosten sie fünf Euro. Ein Krapfen gratis.
Es beginnt zu rumoren hinter der Theke, die Krapfen streiten sich darüber, wer der Gratiskrapfen sein soll. "Der mit dem Eierlikör!", fordern zwei klassische Hiffenmarks im Einklang. Sie schaffen es meistens beide in die Sechserbox, weil sich bodenständige Faschingskrapfennascher sonst darüber empören, dass das gute alte Hiffenmark so ungalant von neumodischen Schnick-Schnack-Füllungen verdrängt wird. "Schnauze, ihr altbackenen Vorzeitkrapfen, das ist Senf und sollte eine Überraschung werden", pflaumt der angebliche Eierlikörling zurück.
"Da hinten, die Schrumpelstulle im Eck, die ist gratis! Wobei selbst das noch zu teuer ist", ruft der pralle Vanille-Krapfen. "Red' nicht leichtfertig derlei Unsinn", antwortet der tatsächlich schrumpelige, aber sehr belesene fett- und zuckerreduzierte, gluten-, palmöl- und konservierungsstofffreie, vegane, zartbitterglasierte Vollkornkrapfen. "Ich möchte anmerken, dass ich, rein von den Zutaten her, euch allesamt qualitativ übertreffe, und falls ich euch noch ein paar ethische Grundsatzfragen in Bezug auf Nahrungsmittel beantw..." - "Halt's Maul", ruft der eierlikörgetarnte Senf-Krapfen. "Du kommst gar nicht in die Box, du transfettloser Emporkömmling. Lass dich erst mal anständig frittieren, dann reden wir weiter."
Nun meldet sich der Schoko-Krapfen zu Wort. "Es ist doch egal, wer von uns gratis ist. Ich sehe das anders: Statt jeder einen Euro, kosten wir jeder 83 Cent, wo ist das Problem?" - Es spricht der luftig-locker-vernünftige Quark-Krapfen (ohne Füllung): "Angesichts unserer kurzen Lebenserwartung sollten wir nicht unsere Zeit damit vergeuden, darüber zu streiten, wer besser schmeckt oder aussieht. Das entscheidet am Ende sowieso der Kunde."
Ach ja, der Kunde. Der braucht zur Faschingszeit etwas im Magen, damit der frühmorgendliche Sekt (Vorglühen vor dem Faschingsumzug) eine Grundlage hat. Und mit einem Krapfen ist es nicht getan, meist kommen Gäste, die wollen auch einen haben, deswegen treten Krapfen in Rudeln auf. Dass sie sich dabei mal in die Marmelade geraten, haben wir gerade gemerkt. Aber wenn ein Kunde, wie neulich, nach einem "Berliner" verlangt, sind sich alle Krapfen einig: "Schickt den Senfbomber vor! Nieder mit den preußischen Krapfbanausen!"