Schule ist mehr als nur büffeln

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Die Schülerversammlung ist eine Idee, die das Liebfrauenhaus in Herzogenaurach von andern Schulen deutlich abhebt. Foto: Bernhard Panzer/Archiv
Die Schülerversammlung ist eine Idee, die das Liebfrauenhaus in Herzogenaurach von andern Schulen deutlich abhebt.  Foto: Bernhard Panzer/Archiv
 

Neue Ideen  Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, den Spaß am Lernen und der Schule zu vermitteln. Das Liebfrauenhaus will den gebundenen Ganztag einführen und damit mehr Zeit für pädagogische Angebote schaffen.

von unserem Redaktionsmitglied 
Michael Busch

Herzogenaurach — Es gibt einen Spruch, den mag irgendwie keiner. Und trotzdem wird er immer wieder angebracht: "Wir haben das schon immer so gemacht!" Ein Totschlagargument, das letztlich aber verhindert, dass es zu Veränderungen kommt. Zu vielleicht positiven Veränderungen.
Ein Argument, das der Schulleiter des Herzogenauracher Liebfrauenhauses, Michael Richter, auch nicht gelten lassen mag. Er hat bereits in der Vergangenheit die eine oder andere Veränderung an der Schule durchgesetzt. Letztlich immer mit einem Fortschritt für alle Beteiligten. Es gibt Schulversammlungen, die das Demokratieverständnis ebenso schulen, wie die Fähigkeit erweitern, planen zu müssen, organisieren zu dürfen. Es gibt "Doppelklassen", also die Zusammenlegung von 1. und 2. Klasse zum Beispiel. Es gibt das normale Angebot an Schulstunden und eine erweiterte Palette an freiwilligen Angeboten.
Doch nun gibt es eine Neuerung, die das Schulwesen im Herzogenauracher Liebfrauenhaus noch viel weiter reformieren soll. "Wir starten in diesem Jahr zum ersten Mal mit einem gebunden Ganztag - umgangssprachlich Ganztagsklasse, das Erstere ist allerdings der offizielle Begriff", erklärt Richter. Aus der Historie heraus sei die Ganztagsschule an sich keine Neuerung. Die hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. "Nonnen betreuten neben der Schule die Kinder, die im Wohnheim der Einrichtungen waren, wie der Name eben sagt, den ganzen Tag." Kinderschwester, Wohnheimschwester und Schulschwestern haben den Tagesrhythmus nach dem schulischen Alltag ausgerichtet. "Schule - Lernen - Essen - Lernen - Schlafen, das war die grundsätzliche Vorgabe."


Mehr Zeit neben dem Lernen

Dieses Modell hat mit dem, was nun passieren soll, aber nur am Rande zu tun. Denn mit dem modernen, Zukunft ausgerichteten gebundenen Ganztag werden neue Maßstäbe gesetzt. "Bisher haben wir den offenen Ganztag. Da sind die unterschiedlichsten Kinder drinnen. Aus unterschiedlichen Klassen, mit unterschiedlichen Zeiten." Das mache es schwer, weitere pädagogische Angebote mit in das Programm aufzunehmen. Dabei soll nun der gebundene Ganztag helfen.
"Der Gedanke, der nun greift, ist die Idee, dass die Kinder, die den ganzen Tag da sind, in einer Klasse zu sammeln, um mit diesen und für die ganze Gruppe, die Wochentage zu strukturieren." Richter ist der Meinung, dass dadurch nochmals eine Qualitätssteigerung stattfindet. Projekte und Arbeitsgemeinschaften müssen zum Beispiel nicht an den "normalen" Unterricht hinten angehängt oder in die Mittagspause gequetscht werden. "Diese können jetzt gleichberechtigt in den Tagesablauf integriert werden", sagt Richter.
Ein großer Unterschied zum jetzigen Zustand ist, dass alles, was die Schule angeht, auch in den Händen der Lehrkräfte bleibt. "Die Hausaufgabenbetreuung, das Lernen und Üben, findet mit den Lehrkräften statt, die den regulären Unterricht abhalten, nicht mehr mit den Betreuern der Nachmittagsbetreuung, die sich selber in die Themen immer wieder aufwendig einarbeiten müssen." Richter ist davon überzeugt, dass durch diese Umstellung Zeit gewonnen wird. "Es fällt das immer wieder Eingewöhnen weg, oder weil das Lernen nur erfolgt, weil die Zeit der Hausaufgabenstunde noch nicht herum ist." Ohne Zeitverlust können die Lehrkräfte auf jeden einzelnen Schüler eingehen.


Neuer Stundenplan

Abgesehen davon fallen solche vermeintlichen Kleinigkeiten weg, wie die dann folgende Kontrolle der Hausaufgaben, da man sie ja gemeinsam gemacht hat, oder der Ärger, wenn Aufgaben nicht gemacht wurden. Das spart alles Zeit. Mit dieser Zeit soll der Schüler dann aber nicht mit weiterem schulischen Wissen "gefüttert" werden. "Es ist kein Ausbreiten der Schulzeit, sondern ein Eindampfen der eigentlichen Unterrichts- und Lernzeit."
Der Stundenplan wird aber erst einmal gewöhnungsbedürftig sein. Denn es gibt nicht mehr die klassische Aufteilung "1. Stunde Deutsch, 2. Stunde Mathe und so weiter ..." Es gibt nun klar definierte Zeiten, in denen die Fächer angeboten werden. Dort kann die Lehrkraft auch auf die Bedürfnisse einer Klasse reagieren.
Neu im Stundenplan sind dann aber auch Stunden, die gekennzeichnet sind mit "Werkstatt", "Projekte" oder "Förderung". Ebenso integriert sind so genannte Klassenstunden, in denen die Schüler zum Beispiel ihre Probleme ansprechen, schulische Aktivitäten von Seiten der Schüler her planen und besprechen.
Weiterhin neu: Die Idee, dass die Schule nicht alle mit den gleichen schulischen Angeboten versorgen muss. "Warum soll ich nicht einen Schüler, der ein bestimmtes Thema bereits verstanden hat, in eine Projektstunde schicken, in der dieser etwas völlig anderes macht?" Letztlich eine spezielle Förderung außerhalb des Schulangebotes.
Zunächst wird das Angebot mit der nächsten fünften Klasse starten. In Ansätzen werden diese Ideen auch in den anderen Klassen umgesetzt. Es liegt letztlich auch daran, dass Schüler, die nicht ganztags gebunden sind, zur Schule zurückkehren müssten, um sich an den Angeboten zu beteiligen.
"Spannend an dem Konzept ist, dass die Bindung zur Schule eine andere sein wird." Früher fiel es vielen Schülern im Traum nicht ein, länger in der Schule zu sein als sie wirklich mussten. "Mit den freiwilligen Angeboten wird es eine andere Einstellung dazu geben, weil sich die Schüler selbst verpflichten, über den normalen Schulalltag hinaus an der Schule aktiv zu sein."
Der Satz zählt tatsächlich nicht: "Wir haben das schon immer so gemacht!" Richter und sein Kollegium schlagen einen Weg ein, der anders ist, der wahrscheinlich gewöhnungsbedürftig ist. Ein Weg, der aber die Chance bietet, eine Schule anzubieten, die trotz allem ernsten Hintergrund Spaß macht.