Nicht nur zum Küssen ist sie da
Autor: Monika Schütz
Bad Staffelstein, Freitag, 30. November 2018
Warum sind Misteln in der Weihnachtszeit so beliebt? Eine Nachfrage.
Sabine holt eine Leiter. Keine große. Nur damit sie zu dem Haken in drei Metern Höhe kommt. In der Hand hält die junge Hotelfachfrau eine Mistel. Frisch geschnitten von einem Apfelbaum. Die weißen Beeren drängen sich glänzend zwischen den schmalen Blättern der immergrünen Pflanze hervor. Mit rund einem Meter Durchmesser ist sie ein stattliches Gewächs.
Geschmückt mit vielen roten Bändchen findet die Mistel nun ihren neuen Platz im Foyer eines Hotels. Ein Schmarotzer, der die Bäume kaputtmacht, sagen die einen, ein wunderschöner Brauch zur Adventszeit sagen die anderen. Was hat es denn nun auf sich mit dieser Pflanze? Ist sie wirklich so beliebt?
Eine große Mistel hat Sabines Freundin Hanna Günther-Lemmink bekommen. Die Geschäftsfrau aus Lichtenfels hat sie im Eingangsbereich ihres Studios angebracht. Ihre Kundinnen staunen. Hanna selbst liebt die Mistel sehr, beschreibt sie als "Symbol in der Weihnachtszeit für das Allesüberdauernde in der Liebe. Und wenn alles kalt ist, zeigt sie uns ihr Grün."
Ein Symbol der Treue
Für Rudi Dicker aus Reundorf ist die Mistel ein Symbol der Treue. Der Senior kennt das Mistelaufhängen schon seit seiner frühesten Kindheit: "Es ist ein uralter Brauch, der leider in Vergessenheit geraten ist", bedauert er. Thomas B. aus Bad Staffelstein grinst: "Früher hatten wir sogar einen kleinen Mistelzweig mit dabei, wenn wir abends unterwegs waren. Hat aber nicht bei allen Mädels funktioniert", schmunzelt er. Für Bettina Dinkel gehört der Mistelzweig einfach zur Adventszeit dazu: "Er macht eine gewisse weihnachtliche Atmosphäre", freut sie sich. Heike Bechmann aus Buch am Forst kennt den Brauch des Zweigaufhängens noch von ihrer Oma: "Deswegen hängt er auch über meiner Haustür und jedesmal bekommt mein Mann dann ein Bussi."
Auch Eltern, Großeltern und der Bruder von Sabine haben Mistelzweige zur Dekoration bekommen und aufgehängt. Der alte Apfelbaum der Familie ist damit fast "geplündert". Doch vom Aussterben ist die Mistel nicht bedroht. Dafür sorgen schon die Vögel: Botanisch heißt die heimische Mistel viscum album. Das lateinische Wort viscum bedeutet so viel wie Schleim oder Klebstoff, das Wort album weiß. Wird nämlich die weiße Scheinbeere zerdrückt (Vorsicht: Die Blätter und Stängel sind leicht giftig!), bleiben an den Fingern zähe Schleimfäden kleben. Auf dieser Weise kommt es auch zur Verbreitung der Mistel. Vögel, vor allem Drosseln, fressen die Beeren und streifen nach dem Fressen ihre klebrigen Schnäbel an den Zweigen der Wirtsbäume ab. Eine Mistel wächst relativ langsam. Bis sie ihre kugelige Form erreicht, vergehen schon mal knapp zehn Jahre. Nach fünf Jahren blüht die Pflanze zum ersten Mal.
Doch woher kommt die Beliebtheit der Mistel? Warum küssen sich verliebte Pärchen unter dem Zweig? Das ist nicht genau geklärt: Zum einen findet sich die Mistel in der griechischen Mythologie und in der nordischen Göttersaga. Sie findet sich aber auch bei altehrwürdigen Druiden, den gallischen Priestern, die sie sogar mit goldenen Sicheln von den Bäumen schnitten. Nicht nur Asterix-Lesern ist das ja bekannt. Misteln halten böse Geister und Hexen fern. Zumindest, wenn man dem Volksmund glauben darf. Die Legende sagt auch, dass Pärchen, die sich unter einem Mistelzweig küssen, ein Leben lang zusammenbleiben.