Druckartikel: Losziehen, ohne in der Messgröße "Zeit" denken zu müssen

Losziehen, ohne in der Messgröße "Zeit" denken zu müssen


Autor: Valerija Levin

Bamberg, Sonntag, 07. Mai 2017

Mit fünf Euro pro Tag und ohne Flugzeug um die halbe Welt - über zwei Jahren waren die Filmemacher Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier unterwegs. Sie ber...
Den größten Teil des Weges in den ersten zwei Jahren, müssen Gwen und Patrick trampen. Hier - im Lagerraum eines Lasters.


Mit fünf Euro pro Tag und ohne Flugzeug um die halbe Welt - über zwei Jahren waren die Filmemacher Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier unterwegs. Sie bereisen unter anderem den Balkan, Iran, Indien, China, Japan und Mittelamerika. Jetzt, nach mehr als 3 Jahren und 110 Tagen auf unterschiedlichen Kontinenten, sowie 96707 Kilometern meist erlaufenen oder getrampten Weges, sind sie zurück und haben aus ihrem gesammelten Material einen einzigartigen Film erschaffen. Am heutigen Montag um 20.40 Uhr sind die beiden Weltenbummler in Bamberg zu Gast im Lichtspielkino, um ihren Dokumentarfilm "Weit. Ein Weg um die Welt" vorzustellen.

Gwen und Patrick, Ihr habt das geschafft, wovon viele andere nur träumen: Eine richtige Weltreise. Was hat euch dazu getrieben, solch eine gewaltige Reise zu unternehmen?
Patrick: "Das war keine rationale Entscheidung. Mehr ein Gefühl aus dem Bauch heraus. Die Neugier und Abenteuerlust ist mit jeder vorherigen Reise gewachsen. Wir wussten beide unabhängig voneinander, dass wir das irgendwann mal machen wollen: Losziehen ohne in der Messgröße "Zeit" denken zu müssen. Ohne ein absehbares Ende. Dann haben wir uns kennengelernt und knapp ein Jahr später sind wir losgezogen."

Mittlerweile gibt es schon einige Menschen, die in sich den Mut fanden, eine Weltreise zu unternehmen. Einige von ihnen begaben sich so auf die Suche nach sich selbst. Warum denkt Ihr, wird dieser Traum für viele Menschen zu einem (Lebens-)Ziel? Ist das Reisen heutzutage wichtiger als es je war und wenn ja, warum?
Gwen: "Reisen verändert. Es ist eine Konfrontation mit sich selbst. Die Welt im Vergleich zur eigenen Heimat. Ich habe in dreieinhalb Jahren, in denen wir nicht in unserer Heimat waren, mehr über mein Zuhause nachgedacht, als in meinem kompletten Leben davor. Außerdem hat man auf einer langen Reise viel mehr Zeit sich selbst zu sehen, zu entdecken und sich Neuem zu widmen.
Reisen ist auch ein unmittelbarer Kulturaustausch, baut Vorurteile ab. Man kann sich endlich selbst ein Bild machen und muss nicht auf Meinungen anderer vertrauen. Mein Lieblingsbeispiel hierfür ist Pakistan. Was wir über Pakistan vor der Reise wussten, hat sich leider auf einige wenige brutale Medieninformationen beschränkt. Doch seit der ersten Minute unseres Aufenthaltes haben wir gespürt, dass das ein völlig einseitiges Bild ist und Pakistan viel mehr zu bieten hat, als sein typisches Medien-Image: Gastfreundlich, höflich und sehr angenehm haben uns die vielen Menschen dort empfangen."

Ihr seid vielen Menschen und verschiedenen Kulturen begegnet. Wie habt ihr euch verständigt? Wie kam es dazu, dass Ihr die 1-Tag-Videos gemacht habt, die auch für den Film genutzt wurden?
Patrick: "Die Portraits waren am Anfang eine Idee, um nicht nur von uns zu Erzählen. Um authentisch und unkommentiert von einem Alltag anderer zu berichten. Und das war nicht nur ein Filmprojekt, sondern gleichzeitig ein toller und echter Einblick in fremde Kulturen. Gerade weil wir bei den Videoaufnahmen nicht eingegriffen oder inszeniert haben, nur beobachtend waren, haben wir völlig echt und authentisch sehen dürfen, wie sich ein Alltag in einem anderen Leben anfühlt. Und das ging manchmal auch ohne sich in einer gemeinsamen Sprache verständigen zu müssen. Da wurden Sprachbarrieren einfach weggelächelt."

Das Gespräch führte
Valerija Levin