Oswald Marr wird am 20. Dezember sein Amt als Landrat abgeben. Als Privatmann will er danach nicht einfach die Beine hochlegen, hat er doch "noch 1000 Dinge zu tun".
Der Kronacher Landrat Oswald Marr (SPD) ist noch zehn Tage im Amt, dann wird der mit ihm befreundete Klaus Löffler (CSU) das Ruder übernehmen. Dass ihm nach seiner Dienstzeit langweilig wird, hält Marr für ausgeschlossen. Von Stift und Terminkalender will er unter anderem zu Nadel und Faden wechseln. Im Gespräch gibt er sehr persönliche Einblicke.
Wie viel ist aus 18 Jahren als Landrat im Gedächtnis haften geblieben?Oswald Marr: Ich muss mich bemühen, das eine oder andere wieder anzudenken. Es ist tatsächlich so, wenn eine Sache rum ist, dann hat man sie zunächst nicht mehr im Kopf präsent. In meinem Kalender steht, was ich machen muss, und das seit 18 Jahren. Vorher als Bürgermeister war es auch so. Du hast immer etwas vor dir. Du kommst nie zum Zurückschauen. Das geht nur, wenn man sich an gewissen Punkten zwingt. So wie jetzt.
Kann ein Landrat angesichts der zeitlichen Belastung Freundschaften pflegen? Im Amt sind so viele schwierige Entscheidungen zu treffen, da bleibt ganz sicher manches andere auf der Strecke. Umso mehr ist man dankbar, wenn es doch die eine oder andere intensive Freundschaft gibt. Ich war zum Beispiel mit Heinz Köhler eng verbunden. Das ist bis heute so. Dann gibt es ein breites, freundschaftliches Band. Dazu gehören zum Beispiel die Bürgermeister und die Fraktionsmitglieder.
Sie zählen auch Ihren Nachfolger Klaus Löffler zu Ihren Freunden. Ein Problem im Wahlkampf?Es ist kein Geheimnis, dass ich mit Klaus Löffler eng befreundet bin. Und wenn ich mit jemandem befreundet bin, dann bin ich mit ihm befreundet, egal was er macht. Auch mit Norbert Gräbner bin ich befreundet. Daher gab's für mich nur eine Möglichkeit im Landrats-Wahlkampf - mich komplett rauszuhalten.
Freunde sind das eine, aber wie sieht es für den Landrat mit beruflichen Bekanntschaften aus?Man lernt unheimlich viele Leute kennen. Das ist unvorstellbar, wen man da aus allen Schichten trifft. Das Wichtige dabei ist, dass dich die Leute danach nicht ablehnen oder gar meiden, sondern dass sie sich freuen, wenn sie dich mal wieder sehen. Dann helfen sie dir auch gerne, wenn du mal eine Frage hast. Da bleibt ein Gefühl, dass sie dankbar sind, dass deine Arbeit passt, so wie du sie machst.
Wie charakterisiert der Landrat den Menschen Oswald Marr?Ich denke, ich bin ein ganz normaler, bodenständiger Mensch und habe einen gesunden Menschenverstand. Ich mag keine Schnörkel, keine Sprechblasen. Für Bla-Bla bin ich nicht zu haben. Das regt mich auf, das kostet mir nur Zeit. Ich will wissen, um was es geht, und sage dann, was ich davon halte. Dann weiß jeder, woran er ist.
Hatten Sie jemals überlegt, den Job angesichts der Belastung hinzuschmeißen?
Hinschmeißen ist nicht das richtige Wort. Man weiß ja, worauf man sich einlässt. Wenn einer soweit ist, dass er hinschmeißen möchte, dann ist er für diese Aufgabe wohl nicht geeignet. Aber man fragt sich manchmal, bist du verrückt, das alles rund um die Uhr zu machen, auch auf Kosten der Familie? Aber den Gedanken verwirft man, wenn man in den Kalender schaut. Dann ruft die nächste Aufgabe, und man ist wieder da.
Das klingt nicht gerade nach einem Traumberuf. Die Entscheidung, Landrat zu werden, habe ich nie bereut. Ich bin heute noch von dieser Arbeit begeistert. Landrat ist im kommunalen Bereich einer der schönsten Berufe, die es überhaupt gibt.
Der Job begeistert also, ist aber auch stressig. Wie wichtig waren für Sie Urlaubsauszeiten? Viele Leute leben ja nur für ihren Urlaub. Im Herbst geh' ich da hin, im Sommer geh' ich dort hin ... Meine Frau und ich waren seit 25 Jahren nicht mehr im Urlaub. Sie möchte gar nicht fort, und mein sehnlichster Wunsch war, weil ich tagelang unterwegs war, einmal ein paar Tage daheim zu sein. Da freust du dich, wenn du mal ungestört dein Zeug machen kannst. Ich hatte auch nie lange Urlaub. Das Längste waren einmal 14 Tage.
Folgt man Ihren Schilderungen, waren Sie nicht nur zu 100, sondern zu 110 Prozent Landrat. Zu wie vielen Prozent werden Sie künftig Privatmann sein?Ich werde auch zu 110 Prozent Privatmann sein. Bis Oktober 2018 bleibe ich noch Bezirksrat, was bisher neben dem Landrat etwas untergegangen ist. Das ermöglicht mir einen Übergang von der jetzigen Vollpower-Amtszeit ins Privatleben. Was ich nicht mehr machen werde, ist, dass ich neue Verpflichtungen eingehe. Ich habe mir geschworen, ich gehe in kein neues Gremium mehr.
Fällt Ihnen da nicht bald die Decke auf den Kopf? Ich habe so viel gemacht, ich freue mich jetzt einfach darauf, mal zu Hause zu sein. Da habe ich so viel zu tun, das kann man sich gar nicht vorstellen. Ich habe einen kleinen Bauernhof. Ich schweiße, ich installiere und ich nähe gerne. Neulich habe ich meine erste Hose gekürzt, nach Anleitung auf Youtube. Mir wird nie langweilig. Ich habe 1000 Dinge zu tun.
Im Jahr 2013 erfuhren Sie von ihrer Darmkrebs-Erkrankung. Wie haben Sie die Zeit seither erlebt?Die Krankheit war sehr präsent. Es gibt Kollegen, die in einer solchen Situation aufgehört haben. Ich habe nie daran gedacht. Ich wollte der Krankheit nicht Recht geben. Wenn ich krank bin, dann ist das für mich vorübergehend. Das bedeutet, die Krankheit vergeht wieder, ich bin deswegen auch nicht dienstunfähig. Ich habe darum so schnell wie möglich wieder gearbeitet. Jetzt geht es mir gut.
Das Gespräch führte
Marco Meißner